Da hast du das Video abgebrochen, bevor der eigentliche Inhalt anfängt. Sein Argument ist eigentlich ganz gut: Die Grundüberzeugung der Libertären, dass kein Mensch Macht über einen anderen Menschen haben sollte, ist einfach nicht ernst zu nehmen. So idealistisch das auch klingt, es ist nicht umsetzbar. Ich sehe es genau gleich wie der Schattenmacher: Diese libertäre Grundüberzeugung hindert die Menschen daran, die interessanten und wichtigen Gedanken, die die libertäre Einstellung ansonsten zu bieten hat, überhaupt zu entdecken.
Die Grundüberzeugung der Libertären beruht auf der Illusion idealistischer Begriffe, wie der der Freiheit. Oder um es einmal anders zu sagen: Ob der individualisierte oder der sozialisierte Mensch der Glücklichere ist, das ist eine ungelöste Fragestellung der Sozialwissenschaft.
Persönlich habe ich - als junger Mann - zeitweise unter Menschen gelebt, die anarchistische Lebensmodelle gepflegt haben. Das war einerseits beglückend, andererseits auf andere Weise anstrengend - aber auch unter ihnen gab es, allen Bemühungen zum Trotz, Menschen, die ich "Alpha-Rüden" nennen würde. Führungspersönlichkeiten, die es selbst in diesem eingegrenzten Rahmen von Machtpositionen gab, genauso wie es "Schafe" gab, die genau das sein wollen.
Es gibt Menschen, die bereit und willens sind, andere zu führen. Genauso gibt es auch Menschen, die geführt werden wollen.
Genau das erlebe ich aktuell im Arbeitsleben.
Ich
kann Menschen führen, im Grunde
will ich das aber überhaupt nicht. Es wäre mir an sich lieber, die Menschen würden ihr eigenes Ding machen und eigene Entscheidungen fällen - aber sie haben den Schneid nicht, dies zu tun. Stattdessen kommen sie zu mir - und fragen mich Tausend Dinge, die sie im Grunde schon lange wissen. Sie wollen von mir Entscheidungen, weil sie zu feige sind, Dinge selbst zu entscheiden, und für Entscheidungen selbst gerade zu stehen - auch und gerade in dem Fall, dass diese Entscheidungen "falsch" sein können.
So ein Blödsinn hat mich noch nie interessiert - ich
fälle Entscheidungen, auch auf das Risiko hin, dass sie falsch sein können, und oft auch über meine Kompetenzen hinaus. Wenn es sein muss, denn der eigentliche Entscheider ist mal wieder gerade nicht da. Und bumms: Auf einmal macht man Dich zu einer Führungspersönlichkeit, als die man Dich weder eingestellt hat, noch bezahlt, aber Du bist eine Führungspersönlichkeit, weil Du real den Mumm hast, Dinge zu entscheiden.
Der Libertäre hätte alles gern nach den "Gesetzen des Marktes" gelöst, tatsächlich handelt es sich aber um ein hypothetisches Modell, das so nicht funktioniert. Denn weder ist der Markt frei, noch haben alle dieselben Chancen.
Bestimmte Grundlagen waren schon immer reglementiert: Wasserrechte, soziale Absicherung, Altersversorgung, die Kultur. Eine Krankenversicherung ist kein Sozialismus, sondern eine Solidargemeinschaft. Und eine erfolgreiche Solidargemeinschaft, denn Länder wie die USA schauen voller Bewunderung auf unsere Medizin, die nicht nur besser ist als die ihre, sondern auch noch preiswerter (weil sie über die Solidargemeinschaften finanziert wird).
Das Theater war schon immer gesponsort. Heute durch die öffentliche Hand, aber früher durch den Adel, der mit seinem Theater auch noch sein hauseigenes Bordell hatte. Man kann argumentieren: Warum muss man das Theater querfinanzieren? Ja, das muss man nicht, aber dann gibt es das Theater eben auch nicht. Oder höchstens das Boulevardtheater. Und nur für Menschen, die für eine Karte 300€ zahlen können und wollen. Wollen wir das? Nicht wirklich, oder?