Antisemitentum und Judenhass
In der gestrigen FAZ Nr. 129 finde ich einen Brief, den Golo Mann 1986 anlässlich des Historikerstreites – der durchaus mal zum Thema eines Threads gemacht werden könnte – an den Herausgeber Joachim Fest geschrieben hat, in dem es heißt:
„Hitlers Judenhaß hat sehr wenig mit dem durchschnittlichen deutschen Antisemitismus zu tun, der keineswegs stärker war als etwa der französische; in Frankreich gab es etwas wie die Dreyfus-Affäre in der gleichen Epoche, in der deutsche Juden zu preußischen Ministern oder kaiserlichen Staatssekretären aufsteigen konnten, wobei sie dann natürlich sich hatten taufen lassen und geadelt wurden. Wo gab es das sonst?“
Diesen latenten, auch heute noch verbreiteten (wie weit weiß ich nicht) Antisemitismus hat sich Hitler zunutze gemacht, um sein Vernichtungswerk unter Zuhilfenahme der wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten eines hoch entwickelten Industriestaates durchzusetzen.
Doch woher kommt dieser europaweite Antisemitismus? – Ich möchte einen wirtschaftsgeschichtlichen Aspekt als eine Ursache einbringen:
Bis zum Ende des späten Mittelalters unterlagen die Christen dem kanonischen Zinsverbot, das auf Aristoteles zurückgeht, der fälschlicherweise meinte, „Geld wirft keine Junge“. Das ist zwar für den Konsumkredit richtig, nicht aber für den Investitionskredit, der höchst profitabel für den Kreditnehmer sein kann und locker Zinsen abzuwerfen vermag. – Die Christen verliehen somit verständlicherweise nichts, es rechnete sich ja nicht. Aber die Juden unterlagen nicht diesem Zinsverbot, also borgten sich Fürsten, Herrscher oder Kaufleute bei den Juden Geld. Diese berechneten – kaufmännisch und moralisch korrekt – zu dem Nettozins einen Risikozuschlag (wie Banken heute je nach Bonität des Kreditnehmers auch), der u. U. sehr hoch sein konnte. Wer vermochte z.B. schon gegen den Landesherrn seine Rückzahlungsforderung durchzusetzen?! Und so kam es zu Bruttozinsfüßen von 30% + X (was angesichts der grassierenden Kapitalknappheit nicht einmal sehr hoch ist), im Extremfall bis zu 90%. Damit war das Bild des ausbeuterischen, wucherischen Juden geboren.
Ein zweites kam hinzu: Juden konnten nicht Mitglied einer Handwerkerzunft werden, also wichen sie in kaufmännische Berufe aus, reüssierten dort und wieder entstand das stereotype Bild des „Ewigen Juden“ als Kaufmann und Geldwechslers und –verleihers.
Hitler diffamierte sie zusätzlich als feige, unsoldatisch. Fast bedauernswert, dass er nicht erleben konnte, dass die Kampfmoral seit 1948 in keiner Armee höher ist als in der israelischen. – Der erste Pour le merite-Träger aus Frankfurt/M war 1914 ein kriegsfreiwilliger Jude. Und Golo Mann schildert in dem oben genannten Brief das erschütternde Schicksal eines „Halbjuden“, ein sportlicher, ja militärischer Typ, der im WK II begeistert Offizier werden wollte, aber nicht durfte. Er wurde aus dem regulären Militärdienst entlassen Nach vielen Mühen gelang es ihm endlich, wenigstens in ein Strafkompanie aufgenommen zu werden, in der er dann in Russland „wahrscheinlich überglücklich für das Vaterland sterben durfte“, das Land, das ihn verschmähte.
Viele deutsche Juden waren bereit, in Hitlers Krieg auf deutscher Seite zu kämpfen. – Sie daran zu hindern, sie stattdessen zu ermorden, war nicht nur ein furchtbares Verbrechen, sondern – so möchte man den zynischen Talleyrand zitieren – „schlimmer, ein Fehler“.
Ziesemann
NS für scilla Ich halte meine Behauptung aufrecht, dass es "Irrende und Verirrte" überall auf der Welt gibt, so auch in jedem Forum. - Und mindestens zu den Irrenden (nicht Irren) hat wohl jeder von uns schon mal gehört. - Was an dieser Feststellung "unwürdig" sein soll, hätte ich gern gewusst. Menschenverachtend ist es allerdings, jüdische Siedler als "reif für die Klapsmühle" zu bezeichnen.