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die islamistische Gefahr

Hallo Gaius!
Du hast recht, ich bin wirklich ein Dummserl. Scheinbar kann ich nicht rüberbringen was ich meine. Ich versuch's noch einmal.

Mit "Gewalt bringt keinen Frieden" meinte ich wenn Länder angegriffen, besiegt und von einer fremden Herrschaft regiert werden, da kenne ich kein Beispiel, wo in so einem Land dann Frieden gewesen wäre.
Der 2. Weltkrieg ist, glaube ich etwas anderes. Die Länder wurden von einem Terrorregime sondergleichen befreit und in die eigene Souverinität entlassen. Was wäre gewesen, wenn die Besatzungsmächte alle da geblieben wären. Hätten wir dann auch noch immer Frieden?
Was die EU anbelangt hast du vollkommen recht. Ich nehme gerne die wirtschaftlichen Einbußen in Kauf, weil ich glaube (hoffe), daß auf Basis einer wirtschaftlichen Verflechtung vielleicht doch dauerhafter Friede gesichert ist.

Ich meinte nicht nur die USA sondern generell alle, die bestimmen wollen was Gut und Böse ist.
Wenn die USA das recht hat strategisch die Weltlage zu verändern, dann hätten's doch die Islamisten auch, oder?
Aber soll ich Dir was sagen, keiner sollte das Recht haben, die Weltlage zu seinem Vorteil verändern zu wollen. Weder strategisch noch durch Terror.
Darin sind wir uns doch hoffentlich einig.

Ich weiß um die verschiedenen Glaubensrichtungen in der Türkei recht gut Bescheid. Aber eines haben alle gemeinsam. Einen tiefen Glauben an Allah.

Der Vergleich stammte nicht von mir, aber nach allem was mir erzählt wurde ist er nicht so weit hergeholt.

Eine Frage zum Schluß. Ist russ.orthodox keine christliche Regligion?

Lg. Käuzchen
 
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Salut!

Jérôme schrieb:
Pardon! Der Zusatz 'aus eigenem Gewaltexzess konstituiert...' wäre möglicherweise noch angebracht und ein freundlichererer Umgangston der Sache nicht abträglich.
Falls mein Umgangston nicht freundlich genug ist: her mit dem :attacke: - Smiley! Gegen ein kumpelhaftes "Du Depp" habe ich keine Einwände.

Aber zum Thema.

Daß Deutschland jenen Exzeß begonnen hat, hatte ich für so selbstverständlich gehalten, daß ich es nicht eigens erwähnt habe. Aber, wenn ich einmal sophistisch werden darf, wird oft auch berechtigte Verteidigung als Anwendung von Gewalt bezeichnet; dann stimmt meine Formulierung wiederum zur Gänze.

@Guka62: Ich meinte insbesondere den II. Weltkrieg. Aber das Argument, daß den Deutschen wenigstens in der Trizone das demokratische Staats- und Rechtssystem gewissermassen aufgezwungen wurde, kennst Du sicher auch. Also - sophistisch gesehen - hat sich die Gewalt im unmittelbaren Vorfeld der bundesrepublikanischen Staatsgründung in veränderter Form fortgesetzt.

Auch deswegen das Wörtchen "beispiellos", oder weiß jemand ein ähnliches Beispiel? - obwohl in diesem "beispiellos" sicher wieder ein Körnchen Überschätzung deutscher Wichtigkeit steckt *rofl*.

Aus dem "Gerechte Gewalt" - thread, um das Gespräch hier fortzusetzen, wo es hingehört:

Gaius schrieb:
Und heute strahlt nicht nur Al-Dschasira, sondern auch das palästinensische Fernsehen genußvoll Hinrichtungen irgendwelcher amerikanischer Geiseln aus, deren Namen wohl kaum in deutschen öffentlichen Medien genannt werden. Die Henker sind gesellschaftlich hochgeachtet, Helden geradezu.

Jérôme schrieb:
Dass Grauen und Gewalt den Menschen faszinieren, hast Du auch hier feststellen können, dafür müssen wir das Programm 'Al-Dschasiras' nicht kennen. Dass du den Sender als Irak-Krieg-Befürworter erwähnst, überrascht mich dagegen weniger.
Daß Gegner des Irak-Kriegs den Sender nie oder kaum erwähnen, überrascht Dich hingegen nicht? Man muß also offensichtlich entschieden pro-amerikanisch oder pro-israelisch sein, um bestimmte Gegebenheiten des realen Alltags arabischer oder palästinensischer Meinungsmache überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, oder wie darf ich Dich verstehen?

Es gäbe leider mit ziemlicher Sicherheit auch bei uns Menschenansammlungen, die Hinrichtungen mit wohligem Schaudern in der Magengegend beiwohnen würden, bzw. die Quoten der Sender würden in die Höhe schnellen.
Das wiederum bezweifle ich. Zwar würden die Quoten zunächst in die Höhe schnellen, weil alle das sehen wollen - aber auf dem Fuße folgte ein Aufschrei der Empörung und Entrüstung darüber, was man da zu sehen bekommt: was Menschen einander antun. Vielleicht sollte man das, was Al-Dschasira zeigt, wirklich mal in voller Länge im deutschen Fernsehen bringen. Placet experiri.

Aber:
In diesem Lande bevorzugt man es, sich über amerikanische Folterer aufzuregen. Wenn Araber foltern, gilt das meist nur als "eine gerechtfertigte Gegenreaktion", da fühlt man sich schlau und fragt nicht weiter.

Deine Äusserung, Henker seien heute hochgeachtet, kann ich nicht widerlegen, aber doch anzweifeln. Das Eine ist, die Hinrichtung zu befürworten, das Andere, den Henker für seine Leistung zu schätzen. Aber Du hast sicher gute Gründe, bzw. umfassende Informationen, um es hier zu behaupten.
Ja, ich war zuletzt Montagabend auf einer Gesprächsveranstaltung der deutsch-israelischen Gesellschaft, wo einige Bekannte von mir, die sich sowohl in Israel wie in arabischen Ländern häufig aufhalten, ihre jüngsten Erlebnisse mitteilten. Daher habe ich das.

Übrigens zahlt die Palästinensiche Autonomiebehörde den Hinterbliebenen von Selbstmordattentätern neuerdings Geld, dafür ist eigens ein Gesetz erlassen worden:
http://www.hagalil.com/archiv/2005/12/maertyrer.htm
Nur mal so, falls ihr euch fragt, wo eure Steuergelder so bleiben.

Schöne Grüße, Gaius
 
eine gute Website, Gaius!

ich wußte schon von dieser Unterstützung, auch daß die EU ganz üble antisemitische palästinensische Schulbücher finanziert.
traurig, traurig!

traurige Grüße von Claus
 
Gaius schrieb:
her mit dem :attacke: - Smiley! Gegen ein kumpelhaftes "Du Depp" habe ich keine Einwände.


...Wie nun die Hirten die Könige sahn,
und die Engel sprachen zu beiden,
wollten auch Bären und Löwen sich nahn
und mit Ziegen und Schafen weiden.

Da lag alles Land, als ob Frieden wär,
und die Engel hörte man singen,
und ein Hirte trug Zimbal und Dudelsack her
und liess Böcklein und Rehkälblein springen...

(Quelle unbekannt)


Ich Depp! :pcwut: Der Hinweis auf Dich war sicher deplatziert, unzulässig die Bemerkung in ihrer Form. Pardon! Lösen wir also -hoffentlich- das Ganze rhetorisch auf:
Ein Befürworter erwähnt den Sender Al-Dschasira negativ besetzt, ein Gegner eher den Sender Al-Hurra, was ich aber absichtlich als Gegner des Krieges nicht tat, weil ich 1) beruflich vorbelastet bin und 2) gerne die Infos der arabischen und amerikanischen Berichterstattung vergleiche und mir daraus einen eigenen Strick drehe.
Du wirst sicher zugeben, dass Al-Dschasira selbst in der islamischen Welt häufig kritisiert wurde - für seine westlich-objektive Sicht. Nicht vergessen: es waren BBC-Mitarbeiter, die den Sender mit dem Geld des reformfreudigen Emirs von Katar gründeten. Und es waren u.a. hauptsächlich amerikanische Journalisten, die darin den Pendant zu CNN sahen. Die Vielfalt der Themen und Gesprächspartner (Fundamentalismus, Menschenrechte und ihre Verletzungen, Opposition etc.) sowie die Meinungsfreiheit: beispiellos.
Bis 2001 Al-Dschasira Osama bin Ladens Video mit der 'Kriegserklärung' ausstrahlte und auch Bilder ziviler Opfer des Krieges in der ganzen Grausamkeit zeigte, über ihre Schicksale berichtete. Seitdem gilt der Sender als anti-amerikanisch und -israelisch. Vergessen, dass zuvor auch die Israelis und ihre Politiker bei Al-Dschasira Sendezeit hatten. Vergessen, dass auch das israelische öffentlich-rechtliche Fernsehen ausgiebig über palästinensische Selbstmordattentäter mit Bildern des Grauens aufwartet, während die israelischen Angriffe kaum bebildert gezeigt werden. Aber auch die gerade von Dir erwähnte palästinensische Autonomiebehörde verlangte Zensur. Bagdad wünschte sich gutgläubigere Berichterstatter, verhängte Lizenzentzüge, internierte Journalisten, verwies sie des Landes.
Stimmen von westlichen Journalisten, die fragten, ob Interviews mit Saddam Hussein in CNN zulässig und solche mit Osama bin Laden in Al-Dschasira nicht, wurden ignoriert.
Der Sender finanzierte sich bald selbst -auch das beispiellos- allein durch den Verkauf von Bildern (und des Videos natürlich) in den Westen.
CNN musste sich der behördlichen Anweisung fügen, keine Berichte und Bilder über/von tote/-n Zivilisten von Al-Dschasira zu übernehmen und zu senden. Sie störten das Image des sauberen Krieges. Man könnte sich natürlich wieder darüber unterhalten, ob wir tatsächlich alles sehen wollen und auch über journalistische Ethik, aber hier geht es primär mal um die Medienfreiheit und auch darum, dass nicht jeder Massenmord gleich gewichtet wird, nicht unmittelbar...
Abu Ghraib und Guantánamo sind auch nicht die Orte, die beweisen, dass in Irak ein Krieg in Namen der Menschenrechte geführt wird. Gaius, es ist kaum, was Du denkst, das
In diesem Lande bevorzugt man es, sich über amerikanische Folterer aufzuregen. Wenn Araber foltern, gilt das meist nur als "eine gerechtfertigte Gegenreaktion", da fühlt man sich schlau und fragt nicht weiter.
, sondern viel mehr die Begründung des Krieges und das Runterleiern der 'heiligen' Werte. Die Greueltaten der Araber würde wohl niemand als gerechtfertig bezeichnen.
Gut, dass sich Präsident Bush wenigstens dafür entschuldigte, fraglich jedoch wenn sich gleich hinterher sein Aussenminister Powell an der Optik störte: 'Welch ein negativer Eindruck von den USA vermitteln die Bilder der Welt!', und die Opfer? Die waren ihm keines Kommentars wert. Es lässt sich natürlich gar nicht alles zuverlässig verifizieren, aber gerade deshalb sollten wir nicht zulassen, dass 'alles' zu Prapaganda-Akte umgedeutet werden kann. Partaiische Berichterstattung gibt es nicht nur in autoritären Regimes und auch nicht nur durch staatliche Zensur, die interessengeleitete Berichterstattung dürfen wir nie vergessen. Verbrecher, Terrorist, Märtyrer, Friedenskämpfer? Wer entscheidet darüber? Wir? Oft doch nur die Grenzen oder/und die Ideologien, und die sind manchmal verdammt nochmals -grins so unstabil.
Aber ich wollte über die Sender schreiben ;)
Was meinst Du, Gaius, war das Zufall, dass die Büros von Al-Dschasira in einer Wohngegend von Bagdad im Frühling 03 ausgebombt wurden? Der Nachrichtensprecher -gerade auf Sendung- wurde getötet, sein Kameramann verletzt. Unmittelbar danach zogen die Mitarbeiter in ein Hotel, in dem schon ausländische Medienleute von den Behörden einquartiert waren. Wieder Zufall, dass eine einsame US-Panzergranate ins Hotel einschlug und mehrere Medienleute (u.a. von Reuters) getötet, bzw. verletzt hatte?
Und ist das eine neue Verschwörungstheorie, wonach G. Bush dem Premier Blair gegenüber erwog, die Zentrale des Senders in Katar zu bombardieren? Jedenfalls wurde Daily Mirror angehalten, diese Infos unter Androhung rechtlichen Konsequenzen (Verletzung des Schutzes von Staatsgeheimnissen) nicht zu veröffentlichen. Von beiden Seiten in dieser Sache: 'No comment!'

Ausgewogen, umfassend und genau sollen die Infos sein, Meinungsfreiheit und Demokratie fördern und demonstrieren, sagen wir in der westlichen Welt, und die USA betreibt aus diesem Grunde neben dem Radiosender Sawa und dem Iraq Media Network seit 2 Jahren noch Al-Hurra. Finanziert ebenfalls aus öffentl. US-Mitteln, rund um Uhr auf Sendung für über 20 arabische Staaten in arabischer Sprache. Als beliebt und glaubwürdig gilt der Sender im Empfangsgebiet nicht gerade. Eher als US-Hegemonie über die Welt in allen Fragen befördernd: religiös, politisch, sozial, wirtschaftlich. Das Misstrauen ist gross, es bleibt eine Frage der Grenzen und Ideologien auch in der Medienschlacht.
Möglicherweise werden die Reformen von innen gerade durch die Medienpräsenz von aussen -der Hauptsitz des Al-Hurra-Senders ist in den USA!- verzögert. Sehr schwierig zu sagen, ich spekuliere nicht besonders gerne.

Vielleicht aber noch eine kurze Bemerkung wie der Krieg doch noch positiv werden könnte, obwohl ich nach wie vor ein Kriegsgegner bin:
Zwischen dem Ende des 11. und Anfang des 15.Jh. schenkten sich die Kreuzritter und die Muslime wahrlich nichts. Dass die Christen verloren, bedeutete schliesslich auch Verlust der Kirchenmacht und öffnete uns später alle Möglichkeiten. War ein langer Weg, erwarten wir also von den Muslims nicht zu viel und nicht zu schnell.

Vielleicht ist der Stern heute nicht mehr am Ort
und es trauern die Schwarzen und Weissen -
doch seht nur die Engel, sie gingen nicht fort,
und die Hirten und Könige hören das Wort:
uns sei Friede und Freude verheissen!


:autsch:

(Pardon!
Gisbert, ich wollte Dir eine kleine Freude machen, falls Du Dir meinen langen Beitrag 'angetan' hast. Es ist bald Weihnachten und wir brauchen Gesprächsstoff für unser Heiligabend-Besäufnis, sollte ich wegen meinem ungebührlichen Verhalten zu Hause ausgesperrt werden. ;))
 
Zuletzt bearbeitet:
Jérôme schrieb:
[(Pardon!
Gisbert, ich wollte Dir eine kleine Freude machen, falls Du Dir meinen langen Beitrag 'angetan' hast. Es ist bald Weihnachten und wir brauchen Gesprächsstoff für unser Heiligabend-Besäufnis, sollte ich wegen meinem ungebührlichen Verhalten zu Hause ausgesperrt werden. ;))
Ja, du konntest dich mal wieder nicht bremsen... :D Aber der Beitrag hat mir natürlich gefallen. Ob ich am Heiligen Abend hier vor dem PC sitze, das weiß ich noch nicht. Vielleicht auch in einer der Kneipen hier zum "Wein achten" :teufel: Schau´n mer mal...

Gysi
 
um mal wieder zum thema zurückzukommen:

http://www.welt.de/data/2004/11/18/362018.html

"Nach der islamischen Religion steht auf das, was ich gemacht habe, die Todesstrafe", sagt er. Sein Verbrechen: Vor acht Jahren ist er Christ geworden. Zuerst wurde Nassim aus der Familie ausgeschlossen, er wurde beschimpft und geschlagen. "Man hat zwei Wochen Zeit, um sich wieder zum Islam zurückzubekehren. Das habe ich nicht gemacht. Dann kam ein islamischer Gelehrter zu uns nach Hause und hat das Todesurteil ausgesprochen.......

Eine Christenverfolgung mitten in Europa, mitten in Deutschland? Die moslemischen Verbände in Deutschland betonen, der Islam sei eine tolerante und friedliche Religion. Also müßte der Islam ja auch die Religionsfreiheit kennen. "Der Islam kennt nur eine Religionsfreiheit - aus seiner Perspektive", so die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher. "Alle Menschen sind frei, sich zum Islam zu bekehren. Einen umgekehrten Weg gibt es nicht." .....
 
Hi Claus, auch mir ist eine Dame bekannt, Perserin, die vom Islam zum Christentum konvertiert ist; sie mußte die Konversion vor ihrer Familie geheimhalten. Einmal war ich sogar mit auf einer Feier ihrer Familie. Das ist für sie eine ausgesprochen heikle Angelegenheit - es darf halt niemand aus der Familie erfahren, daß sie Christin ist, obwohl diese Familie schon sehr gemässigt und assimiliert ist.

Dennoch ist absolutes Mißtrauen ein schlechter Berater, es bleibt ambivalent:
Für Nassim sind die friedlichen Töne von Islamvertretern nur Lippenbekenntnisse. "Nach dem 11. September 2001 hat der Zentralrat der Muslime in Deutschland eine Erklärung abgegeben, daß der Islam eine friedliche Religion sei und Gewalt verurteile. Ich habe mit einem Freund gemeinsam dort angerufen. Da wir arabisch sprachen, dachte man, wir seien auch Muslime. Wir sagten: ,Hey Leute, was ihr da schreibt, entspricht doch gar nicht dem Koran."" Die Antwort sei gewesen: "Das ist ja nur für deutsche Ohren bestimmt. Wir sagen ihnen, was sie hören wollen."
Dieser Tage sind es nun gerade Vertreter von Muslimverbänden, die zu Mahnwachen für die im Irak entführte Susanne Osthoff aufrufen. Will man denen jetzt unterstellen, sie hätten bloß nasse Füsse, und wenn es soweit ist, treten sie doch dem internationalen Djihad bei?

Noch ein paar Worte zu Al-Dschasira.
Jérôme, Du zeigst in aller gebotenen Kürze auf, was man zum "Fall" Al-Dschasira einigermassen zuverlässig sagen bzw. auch aus den hiesigen Medien in Erfahrung bringen konnte, wobei Du auch die Grenzen zur blossen Behauptung zeigst. Dennoch dürfte die politische Bedeutung von Al-Dschasira - "Propaganda" hin oder her - noch wesentlich komplexer sein, nicht nur aufgrund einer prekären Lage der Medienfreiheit. Es ist ja unsere große Schwierigkeit, daß wir uns @Nahost-Konflikt fast stets darauf verlassen müssen, was andere über andere sagen - ob das nun Medienberichte oder Erzählungen von Reisenden oder Augenzeugen sind - oder kann einer von uns hinreichend arabisch, um wenigstens zu verstehen, was da im Fernsehen wirklich geredet wird, wie der Auftritt etwa eines israelischen Politikers kommentiert wird? Das Bild wird nie vollständig sein - und das ist gerade die Chance propagandistischer Medien hüben wie drüben. Und Al-Hurra bekommt bald Konkurrenz. Mal sehen, was daraus wird.

Übrigens strahlte Al-Dschasira jüngst Gerhard Schröders Appell an die Osthoff-Entführer aus. Vielleicht kommt dadurch auch da etwas Bewegung in die Sache.

Und heute soll im Irak nun das ordentliche Parlament für die nächsten vier Jahre gewählt werden.
Jérôme, wenn ich einmal spekulieren darf: Worüber würden wir wohl heute diskutieren, wenn es diesen Krieg nicht gegeben hätte? :kugel:
Saddam Hussein wäre wahrscheinlich in alter Frische im Amt, und würde, ebenfalls von Putin gestützt, den militärischen Schulterschluß mit dem iranischen Präsidenten erproben. Wie sähe die Welt dann wohl aus.

Beste Grüße, Gaius
 
Gaius schrieb:
Jérôme, wenn ich einmal spekulieren darf: Worüber würden wir wohl heute diskutieren, wenn es diesen Krieg nicht gegeben hätte? :kugel:
Saddam Hussein wäre wahrscheinlich in alter Frische im Amt, und würde, ebenfalls von Putin gestützt, den militärischen Schulterschluß mit dem iranischen Präsidenten erproben. Wie sähe die Welt dann wohl aus.

Du darfst selbstverständlich. Aber wie gesagt, Gaius, ich spekuliere nicht gerne, ein Hasardeur bin ich schon gar nicht. Ich versuche mich trotzdem: Vergessen wir die Chronologie nicht: WANN die Kriegserklärung erfolgte und wie lange der Krieg dauerte. Vergessen wir auch die jetzige Situation nicht, denn Frieden kann man es nicht nennen.
Hätte sich ohne den Krieg Mahmud Ahmadi-Nejad gegen den moderateren Haschemi-Rafsandschani vor einem halben Jahr, oder auch nur schon in der Kommunalpolitik überhaupt behaupten können?
Hätte der Wächterrat die Reformisten aus dem Parlament und später von den Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen? Wie sähe die Welt unter Berücksichtigung dieser Spekulation aus? Wozu also noch über die Rolle von Saddam Hussein darin zu debattieren? Es ist ein Spiel mit zuviel Unbekannten. ;)
Wir müssen ohne das Soll mit dem Haben und Muss auskommen und leben.
Die Frage ist, wie stark ist die Opposition noch. Die Möglichkeit, Ahmadi-Nejad erledigt sich selbst, besteht ebenfalls. Er hat absolut keine Lösungen und Perspektiven, um den Hunger, die Armut und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, obwohl er gerade die Ärmsten und Armen mit Lösungen köderte. Das Land steht isoliert da und er demonstriert nur Stärke - wenig gegen den Hunger, hoffe ich wenigstens für das Land und auch uns.

Pardon Gaius, aber zu mehr Spekulation bin ich nicht bereit. Habe nämlich auch Bushs pathetische Rede (März 2003 sowie die vorhergehenden seit ca. Februar 02) über Massenvernichtungswaffen, den Antiamerikanismus der Iraker, das Ungehorsam der Weltengemeinschaft etc. nicht vergessen, auch die Legitimation des Krieges durch die inexistente UN-Resolution über den Regimewechsel nicht und auch nicht die Rolle von Aussenminister Powell und der damaligen Sicherheitsberaterin Rice nicht und die der Inspektoren nicht.
Und weil wir schon über Propaganda 'sprachen': auch das Repräsentantenhaus und 'Freedom Fries' sind mir noch in sehr guten Erinnerung -grins.

Jetzt muss ich aber etwas tun, sonst habe ich das Wochenende nicht verdient. Dir und allen hier wünsche ich ebenfalls ein schönes.
 
Jérôme schrieb:
Wir müssen ohne das Soll mit dem Haben und Muss auskommen und leben.
Dieses Wort mag uns immerhin helfen, nicht allzu tief bei Klartext in Kreide zu geraten. Die Situation durch die Brille irgendwelcher idealistischen Wunschvorstellungen zu betrachten, macht den iranischen Kaviar auch für niemand erschwinglicher.

Ob der "Patriarch" Rafsandschani angesichts der Probleme des Landes nun so viele weitere Lösungen anzubieten hat, als wie bisher jegliche Reformen zu blockieren, sei dahingestellt. Es kann jedoch sein, daß seine Macht im Hintergrunde - als Vorsitzender des Schlichtungsrates - größer ist als die des iranischen Staatspräsidenten; und daß er aus genau diesem Grunde dieses Amt auch nicht innehat. Machmud Achmadinedschad gehört als altgedienter Revolutionsgardist zwar selbst zur Nomenklatura, er ist durch den Wächterrat durch kluge Abwägung der dank der hungernden und bildungsfernen Bevölkerungsanteile zu erwartenden Mehrheitsverhältnisse im Wahlkampf systematisch aufgebaut worden - seine tatsächliche Macht im Inneren dürfte jedoch mit der eines Präsidenten einer Demokratie nicht zu vergleichen sein.

Den im Iran Herrschenden kann an einer Verbesserung der Lebenssituation weiter Teile der Bevölkerung gar nicht gelegen sein - das ist alles.

Sicher, Jérôme, nichts von dem, was Du @Irak erwähnst, ist vergessen - auch nicht, daß die strategischen Pläne zu diesem Krieg bereits spätestens 1998 praktisch gebrauchsfähig vorlagen, auch nicht, daß der damalige deutsche Bundeskanzler zwar vollmundig gegen deutsche Kriegsbeteiligung tönte, um dann doch alle Überflugrechte und Versorgungsleistungen amerikanischer Militärstützpunkte zu gewährleisten (was ich ihm natürlich nicht verüble). Die Achse "Paris - Berlin - Moskau" werde ich allerdings auch nicht vergessen, wenn ich mal zur Abwechslung an die hehren Machenschaften der Herren Putin&Co denke.

Aber was: der regime change ist ja soweit gelungen, im Irak wurde gestern mit vergleichsweise sehr geringen Unregelmäßigkeiten ein demokratisches Parlament gewählt, das immerhin die Chance hat, die Bevölkerung tatsächlich zu repräsentieren.
Mit S. Hussein ist ein wichtiger Finanzier des internationalen Terrors ausgeschaltet worden, der Krieg hat gesellschaftliche Kräfte freigesetzt (freilich auch gewalttätige), die sich jetzt produktiv aneinander abarbeiten können - ganz wie Du schon sagtest: erwarten wir also nicht zu viel und nicht zu schnell.

Ich wünsche Dir und allen ebenfalls ein schönes Wochenende und einen friedlichen, geruhsamen 4. Advent.
 
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Gaius, der ganze Beitrag findet meine völlige Zustimmung.

Gaius schrieb:
Ob der "Patriarch" Rafsandschani angesichts der Probleme des Landes nun so viele weitere Lösungen anzubieten hat, als wie bisher jegliche Reformen zu blockieren, sei dahingestellt. Es kann jedoch sein, daß seine Macht im Hintergrunde - als Vorsitzender des Schlichtungsrates - größer ist als die des iranischen Staatspräsidenten; und daß er aus genau diesem Grunde dieses Amt auch nicht innehat.

Ohne Zweifel! Auch unter Khatami war es mit den Reformen relativ bald weitgehend vorbei, obwohl das vom Revolutionsführer anders gesehen und proklamiert wird. Die Bremse war der Wächterrat, der gar Gesetze ausser Kraft setzen konnte. Durch die neuen Machtbefugnisse des Schlichtungsrates ändern sich die Positionen. Rafsandschani als Vorsitzender wird mächtiger als der Präsident. Aber wieviel Macht besitzt er wirklich?, lautet die Frage für mich. Vom Schlichtungsrat wird nun praktisch alles kontrolliert, ihm alles unterstellt. Der Wächterrat hat sich den politischen Vorschriften des SR zu beugen, und die Regierung die politischen Direktiven zu übernehmen. Das Majless und die Verfassung verlieren so ihre Bedeutung. Denkst Du, Ayatollah Khamenei gab wirklich die Fäden aus der Hand? Er wird sie alle nur besser kontrollieren und beherrschen, denke ich. Warum sonst hätte er auch Khatami und Rohani einberufen?

Gaius schrieb:
Den im Iran Herrschenden kann an einer Verbesserung der Lebenssituation weiter Teile der Bevölkerung gar nicht gelegen sein - das ist alles.

Denke ich ebenfalls. Im Wahlkampf ist eben alles erlaubt, was Stimmen mobilisiert. Darin unterscheiden sich diese Politiker nicht von unseren. Mal spricht man die Frauen an, mal die Armen, die Arbeitslosen, die Jugendlichen, die Studenten etc. Auch Wahlbetrug ist da nicht besonders neu.
Aber seien wir ehrlich, Gaius, es spielt doch keine Rolle, ob wir jetzt die USA, Paris-Berlin-Moskau meinen oder gar einzelne Namen nennen (ich hätte sie aufzählen müssen, es passte aber nicht in mein Konzept -grins), sie alle wollen sich nicht die Position um die Kontrolle der Energieressourcen durch die Lappen gehen lassen. Wenn jedoch Präsident Bush die Wahl als undemokratisch bezeichnet, hat das einen schalen Beigeschmack.

Was ich aber meinte, war gerade das Verhältnis zu den USA. Es ist zwar auch eine Spekulation, aber keine vollkommen unbegründete. Unter Rafsandschani -Präsident/aussenpolitisch Repräsentant des Landes- hätte sich das Verhältnis entspannen können.
Von Ahmadi-Nedjad wusste man, dass er ein Hardliner ist und die Atomverhandlungen sofort zum Erliegen kommen. Auch seine strengste Koran-Auslegung war bekannt.
Innenpolitisch spielt das m.M.n. vermutlich keine wesentliche Rolle, mit den enormen westlichen Investitionen wuchs die politische Krise, durch die Isolation wird sie evtl. gar noch schneller wachsen.
Das Paradoxe -oder gerade Logische- und Wesentliche daran ist doch, dass hinter den Herrschern wie auch hinter den Reformislamisten jeweils das westliche Kapital steht.
Auch in Iran könnte man natürlich das Regime von aussen wechseln, sinnvoller in jeder Beziehung und immer scheint mir aber, wenn sich die Opposition innen vereint und formiert, um auch wirklich eine politische Kraft zu bilden.

Gaius schrieb:
Aber was: der regime change ist ja soweit gelungen, im Irak wurde gestern mit vergleichsweise sehr geringen Unregelmäßigkeiten ein demokratisches Parlament gewählt, das immerhin die Chance hat, die Bevölkerung tatsächlich zu repräsentieren.

...demokratisch, unter Berücksichtigung der Ethnien
...Dank der Grenz- und Strassensperren mit verhältnismässig wenigen Opfern
...und Susanne Osthoff wurde freigelassen.

Muss man natürlich unter diesen Umständen als Erfolg sehen.


Gaius schrieb:
...der Krieg hat gesellschaftliche Kräfte freigesetzt (freilich auch gewalttätige), die sich jetzt produktiv aneinander abarbeiten können -
uns bleibt, die Regierungsbildung abzuwarten, und zu hoffen, dass die Verfassung nicht noch im letzten Moment geändert wird.

Schöne Festtage Dir und auch allen, die hier vielleicht noch mitlesen.
 
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