Deine Einleitung macht mir Mut, aber auch Bauchweh; auf jeden Fall danke!
Jérôme schrieb:
M.E.n. ist es für den 'Kampf' gegen den Terror schon eh zu spät.
so fatalistisch möchteich es nicht sehen, vor allem weil ich eines wesentlich unteterscheiden will, das ist "der Mensch" und "dessen Tat" (als Abstraktum), wie sie uns beide im Terrorismus entgegen treten.
Es hat sich doch in der geschichtlichen Erfahrung gezeigt, dass die physische Eliminierung der Täter das erneute Geschehen deren Taten in ihrer Häufigkeit absolut nicht reduziert, geschweige denn verhindert. Es ist somit gerechtfertigt, beides getrennt zu betrachten, was wohl die "Sache" um einiges komplizierter macht. Aber die religiös-fundamentalistische Denkgleichung: "Wenn der der letzte Mörder ausgerottet ist, gibt es keinen Mord mehr!", ist offensichtlich grundlegend falsch. Aber ebenso grundfalsch ist es zu meinen, wenn der letzte Terrorist ausgerottet wäre, gebe es keinen Terrorismus mehr! Der militaristische Kampf gegen Terroristen kann daher das Problem keinesfalls lösen, und, wie es im Moment aussieht, nicht einmal mindern! Es wäre ein eigenes, darüber zu spekulieren, warum im Moment moderne Gesellschaften (und bei weitem nicht allein die US-amerikanische) in "ihrer Breite" weltweit derart leicht für solche Denkfehler anfällig sind und warum sie in ihren Spitzen sich so gerne dieser "Denkfehler" bedienen.
Jérôme schrieb:
Bin Laden vor dem 11.09.01 zu fassen,...
wäre nicht der entscheidende Schlag gegen Al-Qaida gewesen. Ich muss Dich daran erinnern, dass es der GRUNDLEGEND entscheidende Schlag gegen Al-Qaida gewesen wäre, Bin Laden nicht zum Guerilla im Kampf gegen das UdSSR freungliche Regime in Afghanistan auszubilden und einzusetzen! Seit den Endphasen des 2. WK gelangen den USA derartige "entscheidende Schläge" am laufenden Band, beginnend mit der Zusammenarbeit mit der italienischen Mafia um material- und personalschonend die nationalsozialistischen Truppen umgehen zu können (*). Diese Reihe ist lang! Die grundlegende Ansicht: "Alles was unserem Feind schadet, nützt uns!" ist wohl grundfalsch! Was uns ja in die beinharte Realität des Irakkrieges wieder zurück bringt. Das Problem des Bürgerkrieges lässt sich in einem Irak in dieser geographischen und ethnischen Form sicher nicht vermeiden. aber das habe ich schon einmal betrachtet.
Bezüglich der "eschatologischen" Sinnlosigkeit dieses Krieges, ganz gleich aus welcher Perspektive man ihn betrachtet, stimme ich Dir vollständig zu! Nur, die USA werden neuer Kriege bedürfen, um den Irakkrieg vergessen zu machen! Hier liegt die Verantwortlichkeit der europäischen Staaten, vorallem aber auch durch die Erfahrung mit dem nachtitoistischem Jugoslawien. Hier wird wohl ganz klar zu kommunizieren sein: "Wenn ihr Bürgerkrieg wollt, macht ihn, aber ohne unsere Hilfe! Jede friedliche Lösung unterstützen wir!" Nach dem US-amerikanischen Desaster, denke ich, stehen die Chancen nicht schlecht, besonders, wenn Europa darauf verzichten kann, einen vordergründigen Vorteil zu lukrieren. Ich bin davon überzeugt, dass die "durchschnittliche" europäische Bevölkerung, immer noch in Erinnerung an den 2.WK, dieses gerne mittragen würde. Nur, viel Zeit der Entscheidung haben wir nicht! Leider gibt es auch gegenteilige Interessen.
Jérôme schrieb:
Heute warten schätzungsweise 3500 Militante in ca. 100 Ländern auf ihren Einsatz. ...
Wir haben uns daran gewöhnt, "einäugig" zu schauen, wie Polyphem! Aber frag Dich einmal durch, wieviele "Abendländer" ebenfalls für eine militärische Auseinandersetzung zu haben sind (natürlich nicht alle unbedingt auf ihre eigenen Kosten), Du kommst mindestens auf ebenso viele. Die "Islamisten" haben uns an Gewaltbereitschaft da nichts voraus. Und das zweite, das unsere Einäugigkeit suggeriert, ist doch, dass es "immer schon" so war! Aber, ich kann mich an Zeiten erinnern, und die sind noch gar nicht so lange her, da war islamistischer Terror einfach inexistent, da beherrschte das Problem des "christlichen Terrors" das Denken.
Was das Buch von J. Stern betrifft, ist es ein "amerikanisches" Buch. Dass diese "religiösen Terroristen" letztlich ganz so normale Menschen sind, wie Du, wie ich, ist wohl schwer anzunehmen, vor allem für US-amerikanisch Denkende. Wir hatten und haben in Europa sowie im Mittelmeeraum die verschiedensten Arten des politischen Terrors: Abwehrkämpfe, Partisanenkämpfe, Befreiungskämpfe. Letztlich entscheidet der Sieger, wer kriminalisiert wird. Oder wie würdest Du das in Nordirland sehen? Allerdings, sie vermittelt, wohl sehr aufrichtig das US-amerikanische Problem: "We've got a problem - let's solve it" anstatt zu meinen: "We've made some problems - how can we omit them in the futur".
Da religiöse Menschen nicht immer und überall morden, ist doch zu fragen, was veranlasst letztlich diese dazu überzugehen? Egal ob Bush oder Bin Laden, oder irgend was dazwischen. Religiöse Menschen müssen jedes Handeln, dass ihrer Religion prinzipiell widerspricht, durch einen ausdrücklichen "Wunsch Gottes" rechtfertigen, für etwas weniger religiöse Menschen reicht es auch, "abendländische Werte" zu verteidigen. Aber wo ist da der logische Unterschied. Es geht in beiden Fällen um "Werturteile", die das Handeln auslösen.
Dass Europa durch sein ständiges taktisches Lavieren jeden Sinn für Mut verloren hat, ist wohl ebenso wahr. Wir müssen, was den Terror betrifft, 2 strategische Ziele verfolgen. Das erste ist, Täter (aber soweit es nur irgendwie geht, NICHT physisch) außer Verkehr zu ziehen, und eben jene Bedingungen weltweit schaffen, die diese Täter nich multiplikativ nachzüchtet! Letzteres aber wird von Tag zu Tag schwerer.
lg diethelm
(*) Aus kurzfristiger und egoistischer Sicht hatten die amerikanischen Militärs ganz gewiss recht! Die Probleme mit der verstäkten italienischen Mafia im eigenen Land mussten dann ja andere Bundesdienststellen ausbaden und wurden nicht ihnen angelastet (beinharte Externalisierung der "Kosten" als Frühform des Neoliberalismus?).