• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Der Null-Gott-Glaube

F

frankie

Guest
Also, ich möchte hier einen Glauben vorstellen, der nach meiner Wahrnehmung stark missverstanden wird: nämlich der Glaube daran, dass die Anzahl der existierenden Götter 0 (in Worten: null) beträgt.

Dieser Glaube unterscheidet sich z.B. vom Hinduismus (in dem es meines Wissens viele Götter gibt), vom Judentum (in dem es für ein bestimmtes Volk genau 1 Gott gibt - unabhängig von den Göttern anderer Völker), vom Katholizismus (in dem es eine Gottesfamilie gibt), vom Islam (in dem es genau 1 Gott gibt) und vom Buddhismus (in dem es Gott nur in schwachen Ansätzen gibt): im Null-Gott-Glauben gibt eben gar keinen Gott.

Ansonsten ist dieser Glaube wie jeder andere Glaube auch. Es gibt darin Zweifel und trotzdem auch eine Festigkeit des Glaubens, es gibt darin Missionare (die die Andersgläubigen zu bekehren versuchen), es gibt darin Fanatiker (die "Ungläubige" zu Dummköpfen abstempeln), es gibt eine Geschichte dieses Glaubens, und dieser Glaube hat Vordenker.

Ach ja, es bedarf in diesem Glauben natürlich keiner Gestaltung einer Beziehung zu den Göttern oder zu Gott. Das macht ihn etwas einfacher in der alltäglichen Handhabung.

Aber: der Null-Gott-Glaube ist auch nur ein Glaube, von Wissen keine Spur. Nicht die geringste.

Ein gängiger Grund, sich diesem Glauben anzuschließen, ist der, dass man viel stärker an der Existenz von etwas Göttlichem zweifelt als an der eigenen.

Außerdem ist das "Glaubensbekenntnis" in diesem Glauben sehr kurz: die Anzahl der Götter ist null.

Alle anderen Fragen, die eine Religion üblicherweise beantwortet, überlässt dieser Glaube seinen Gläubigen. Wie auch immer jemand für sich die Frage nach seinem Sinn auf Erden beantwortet, die Frage nach woher und wohin, die Frage nach richtig und falsch, die Frage nach Leben und Tod, usw., er gehört auf jeden Fall zur Glaubensgemeinschaft dazu. Er muss nur glauben, dass die Anzahl der Götter null ist.

lg Frankie
 
Werbung:
AW: Der Null-Gott-Glaube

Ah, danke für die Frage!

Da ist natürlich gar kein Unterschied. Bloß, dass der Atheismus im allgemeinen als Gegenteil vom Glauben aufgefasst wird. Als etwas, was den Glauben überflüssig macht, ihn irgendwie überholt.

Aber genau darauf will ich ja hinaus: Atheismus ist bloß der Null-Gott-Glaube, ein Glaube wie jeder andere. Völlig überschätzt.

Und trotzdem ein interessanter Glaube, finde ich.

lg Frankie
 
AW: Der Null-Gott-Glaube

Hi frankie,

verstehe!


Ein gängiger Grund, sich diesem Glauben anzuschließen, ist der, dass man viel stärker an der Existenz von etwas Göttlichem zweifelt als an der eigenen.
Dein Grund?

lg,
fussel
 
AW: Der Null-Gott-Glaube

Das A- in Atheismus heißt, soweit ich weiß, "ohne" - und ohne ist gleich null, wenn man so sophisticated argumentieren will.

Null Gott zieht eine Reihe von anderen Null-Optionen nach sich - jedenfalls bei mir.
Null Leben nach dem Tod z.B.; fast hätte ich gesagt, gottlob :haare: keins - denn ich empfinde dieses Ewige Leben und noch mehr diese Re-inkarniererei geradezu als Drohung. Warum kann genug nicht genug sein?!
Weiter: null Verzeihung für Missetaten - außer ich selbst verzeihe mir, und da bin ich strenger als jeder Verzeih-Profi.
Null Belohnung für Gutes-Tun, außer hier auf Erden das anständige Gefühl, ein wenig zum besseren Zusammenleben der Menschen untereinander beigetragen zu haben.:heilig:
Null Anleitung zum Leben und für Richtig/Falsch - alle Moral muß ich mir selbst basteln (und ich bin härter als Religionen).
Und: Null Verständnis für so eine prosaische Lebenshaltung! Dauernd muß ich mir anhören, die Liebe, die Natur, das Universum - das seien doch alles nur andere Namen für Gott.
Nein! Die Liebe:kuss1: , die Natur:blume1: und das Universum sind genau das: die Liebe, die Natur und das Universum. Zwiefellos große Kräfte, aber null Gott.

Ich lebe ganz gut ohne Gott und mit selbstgestrickter Moral.
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Der Null-Gott-Glaube

Hi CaraMia,

Ich lebe ganz gut ohne Gott und mit selbstgestrickter Moral.
Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht. Worin siehst du den größten Unterschied zwischen deiner selbstgestrickter Moral und der "christlichen" Moral(Normen, Werte), natürlich abgesehen von Gott.

Findest du Morallosigkeit schlimm?

lg,
fussel
 
AW: Der Null-Gott-Glaube

Meine selbstgestrickte Moral unterscheidet sich nicht sehr von den Moralen (gibts die im Plural???) anderer, "gläubiger" Menschen:

Es geht darum, andere Menschen und die Welt friedlich/friedenstiftend und mit Respekt zu behandeln;
zumindest anderen nicht zu schaden, der Welt nicht zu schaden.
Es geht um Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Anstand - ich nehme mir übel, wenn ich nicht ehrlich, aufrichtig, anständig handle - das ist mein Maßstab für alles, von Schwarzfahren über Ladendiebstahl und Fremdgehen bis Kind prügeln und Mord.
Es geht um das Gucken über den Tellerrand: wem schadet all das langfristig (plattes Beispiel: Diebstahl treibt die Preise für alle auf Dauer hoch, man beklaut also auch die Allgemeinheit).

Es geht darum, bei sich selbst im Kleinen anzufangen mit dem, was ich anders haben will in der Welt und zwischen den Menschen.
Es geht darum, nie zu sagen: "Die anderen machen es ja auch / auch nicht..".
Es geht um Verantwortungsübernahme für mein Tun.
Ich glaube auch, dass mieses Leben sich noch zu Lebzeiten bestraft: wenn man seiner Seele schadet, badet man das auf irgendeine Art noch zu Lebzeiten wieder aus.
Es geht um das Gesicht, das mich aus dem Spiegel anguckt.
Ich will kein Schädling sein.

Ob ich Morallosigkeit schlimm finde? Wenn sie die Auswirkung hat, dass jemand sich schädigend verhält, weil es ihm zu viel Arbeit ist, sich ein Gerüst für sein Handeln zu bauen: ja.
Wenn jemand nur in seinem Kämmerchen ohne Moral lebt: seine Sache.
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Der Null-Gott-Glaube

Aha, da hat sich ja mit CaraMia offenbar schon eine Glaubens-Schwester gefunden.

Und, so weit ich das verstehe, muss sie sich gleich für ihren Glauben schämen und verantworten. Oder?

Nun, liebe Kathi! Woher glaubst denn du, dass deine Moralvorstellungen kommen?

Weißt du, die kommen zu einem sehr großen Teil aus dem Alten Ägypten, und dort aber nicht von den Ägyptischen Göttern, sondern aus der Gesellschaft und dem System, das hohe Ansprüche an den einzelnen stellte, eben auch extrem hohe moralische Ansprüche (siehe "Ma'at" von Jan Assman).

Moral ist nichts, was ein einzelner Glaube (z.B. der Ein-Gott-Glaube) für sich gepachtet oder erfunden hat. Moral gibt es in jedem Glauben.

Dafür kann besonders der Buddhismus Zeugnis ablegen: die Moralvorstellungen dort stehen denen der Christen in keiner Weise nach, obwohl der Buddhismus geradezu klinisch sauber von allen christlichen Ideen ist und noch dazu eher ein Null-Gott- als ein Ein-Gott-Glaube ist.

Die Unterstellung, dass sich andere Glaubensrichtungen ihre Moralvorstellungen von einem "überlegenen" Glauben (z.B. dem Christentum) abkupfern müssen, ist daher einfach falsch.

Es wird nicht nur der Null-Gott-Glaube stark überschätzt...

lg Frankie
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Werbung:
AW: Der Null-Gott-Glaube

Ich lebe ganz gut ohne Gott und mit selbstgestrickter Moral.

Das klingt aber - wenn Du gestattest - ziiiemlich wenn nicht arg selbstbewußt.
Ich für meinen Teil würde das so sicher nicht ausdrücken, denn wir leben doch nicht in einem Vakuum, wo es nur um uns selbst geht...
Selbst wenn wir auf Gott oder jegliche religiöse Ausrichtung pfeiffen, können wir uns unsere Moral zwar praktisch, nicht aber "moralisch" selbst entwerfen. Auch die nicht religiös motivierte Moral kann kaum dem Willen eines einzelnen entspringen, sondern dann einem Normengefüge, das aber nicht der einzelne entwirft, sondern eine Gesellschaft, vernünftigerweise einer Legislative im Rahmen eines demokratischen Staates mit Gewaltenteilung.

Gruß
Zwetsche
 
Zurück
Oben