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Der Geist, der stets verneint

das Leben abzuwarten, Entwicklungen zu erkennen und je nach Entwicklung entsprechend zu reagieren und die Lage zu nutzen.

*** So versuche ich auch zu leben und ich verstehe langsam, warum du immer von den unterschiedlichen Lebensformen sprichst, die ich nicht sehen konnte (weil ich ja anders lebe).

Der Geist, der stets verneint gehört zu denen, die alles, was das Leben schenken will ablehnen und nur das annehmen wollen, was sie als gut ansehen, was ihnen angenehm erscheint. Der Geist, der stets verneint will nicht so wie das Leben, sondern das Leben soll so wollen, wie er. Der Widerspruchsgeist mischt sich in alles ein und will allen seine Meinung überstülpen. Er kann nicht die Lage erkennen und sich flexibel darauf einstellen, auch ist es ihm unmöglich seine Meinung zu ändern oder von ihr abweichend zu handeln, weil er nicht erkennen kann, was die Situation erforderlich macht.

Da gibt es ein Bestreben, dass alles nach dem eigenen Sinn laufen soll und wenn dem nicht so ist, scheitert derjenige am Leben wegen mangelnder Anpassungsbereitschaft. Nicht diejenigen, die ihr Leben lang an unumstößlichen Prinzipien festhalten, sich an Regeln klammern und alle verurteilen, die das nicht tun, erleben Glück und Freude, sondern diejenigen, die offen bleiben für die Unterschiede und in Akzeptanz gegenüber dem Leben unvoreingenommen alles annehmen und so sein lassen können, wie es ist.

Ich komme in all meinen Versuchen des Verstehens immer wieder an diesen Punkt, wo es darauf ankommt, seinen eigenen Willen aufzugeben und dem Leben zu vertrauen. Manchmal sind das Kleinigkeiten, z.B. wenn mein Sohn etwas tut, was ich nicht gutheißen kann. Dann kann ich streiten und ihm meinen Willen aufzwingen und mich gegen ihn stellen. Ich kann aber auch meine Gedanken sagen und ihm zugleich das Glück einer selbstgemachten Erfahrung wünschen vertrauend auf eine höhere Macht, die alles zum Guten wendet. Es ist für mich immer dieselbe Frage: Bestehe ich auf meinen eigenen Willen und meinen eigenen Verstand oder lege ich mein Leben in die Hände Gottes. Mich dem Leben vollkommen ausliefern hat für mich nichts mit Passivität oder Bequemlichkeit zu tun, sondern damit, ob ich in Demut anerkennen kann wo ich stehe und wer ich bin. Es ist dann auch nicht so zu verstehen, dass ich gar nicht mehr handeln würde, doch reduziert sich der Drang, sich in alles einmischen zu müssen deutlich und Handlungen werden ausgewählter und bedeutungsvoller, da sie auch nicht mehr dem egozentrischen Ursprung entstammen.

Die Hexe: Die hohe Kraft, der Wissenschaft, der ganzen Welt verborgen! Und wer nicht denkt, dem wird sie geschenkt, er hat sie ohne Sorgen.

Weisheit kann man nicht lernen und alles Menschenwissen kommt ihr niemals gleich. Wer aus Weisheit handelt, ist frei von Urteilen und bisweilen unlogisch. Die Weisheit hat ihre eigenen Regeln, die zu überschauen der Mensch nicht vermag.

Zum Gretchen später (muss erstmal den Alltag bewältigen).

Liebe Grüße!
 
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louiz30 schrieb:
Auch der Buddhismus geht von dieser Gesamtheit aus und Menschen sehen gute und schlechte Dinge im wesentlichen als Teil des Lebens an. So ist auch Ying und Yang ein Ausdruck dieser Einheit, des Grundprinzipes, dass Gut und Böse genau so wie weiblich und männlich letztlich wieder einen Kreis und damit ein Ganzes bilden.

Die eher drastische Abgrenzung von Gut und Böse findet eher in Europa und den USA statt. Dies sollte man hinterfragen, denn es hat auch etwas mit den Grundsätzen der Religion und den philosophischen Traditionen zu tun. So wirst du auch Japaner nicht so sehr bei der Abgrenzung von gut und böse ertappen, genau so wenig, wie dies Chinesen tun. Hier herrscht eher der Gedanke vor, das Leben abzuwarten, Entwicklungen zu erkennen und je nach Entwicklung entsprechend zu reagieren und die Lage zu nutzen.
Mir scheint, dass die westliche Welt ein Problem hat mit der Polarität, in der wir nun einmal leben.
Wie du so schön sagst, Louiz, gehen andere Religionen und Kulturen von einer Gesamtheit aus, von der Einheit. Wir im Westen sehen nur die einzelnen Pole und scheinen stets bemüht zu sein, jenen Pol, den wir als negativ empfinden, weil wir eben nur seinen negativen Teil sehen, zu leugnen, zu verdrängen und zu bekämpfen. Das erscheint mir in mehrfacher Hinsicht problematisch. Erstens geht die Gesamtheit, Ganzheitlichkeit verloren, zweitens braucht der Kampf gegen das "Böse", "Negative" sehr viel Kraft, und außerdem ist der Kampf ohnehin aussichtslos (vgl.: Alles was du bekämpfst, bleibt dein Leben lang dein Feind).

niemand schrieb:
Mich dem Leben vollkommen ausliefern hat für mich nichts mit Passivität oder Bequemlichkeit zu tun, sondern damit, ob ich in Demut anerkennen kann wo ich stehe und wer ich bin. Es ist dann auch nicht so zu verstehen, dass ich gar nicht mehr handeln würde, doch reduziert sich der Drang, sich in alles einmischen zu müssen deutlich und Handlungen werden ausgewählter und bedeutungsvoller, da sie auch nicht mehr dem egozentrischen Ursprung entstammen.
Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung! Ähnlich treffend wird dieser Gedanke auch im Gelassenheitsspruch ausgedrückt:

"Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."

Dieser Spruch ist auch nützlich für jene, die nicht an Gott glauben. :D

"Sich dem Leben ausliefern" hat meiner Meinung nach auch mit Vertrauen zu tun, Vertrauen, dass alles einen Sinn hat, dass alles gut wird, Vertrauen in das Leben, eine Vorsehung, das Schicksal, zu Gott. Vielleicht ist es auch dieses Vertrauen, das uns Gelassenheit gibt und die Fähigkeit, "in unserer Mitte" zu sein.

LG
Jane
 
Margarete...die Unschuld in Person über die Mephistopheles keine Macht hat, die aber von Faust begehrt wird. Das Gretchen wäre keine Frau, würde sie den Schmuck, den Mephistopheles auf Faust's Bitte hin ihr schenkte, nicht begehren. Der Mann will Sex, die Frau Diamanten (diamonds are the girls best friend). Daran ändern wohl auch ein paar Jahrhunderte nichts.

Gretchen fragt Faust, ob er an Gott glaubt.

Faust: Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen dafür! Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch.

Eine wunderbare Stelle. Gott muss man erleben, ihm keine Namen geben. Wie nah ist Faust durch seine Liebe zu Gretchen der göttlichen Natur. Es sind nicht die Gelehrten, die alles wissen, sondern die Liebenden.
 
"Mir scheint, dass die westliche Welt ein Problem hat mit der Polarität, in der wir nun einmal leben."

Jane, sie hat ein Problem und wird es mit der derzeitigen Denkweise auch nicht lösen. Viele können sich gar nicht vorstellen, wie groß die Unterschiede in der Denkweise und im Verständnis der Welt sind.
 
louiz30 schrieb:
"Mir scheint, dass die westliche Welt ein Problem hat mit der Polarität, in der wir nun einmal leben."

Jane, sie hat ein Problem und wird es mit der derzeitigen Denkweise auch nicht lösen. Viele können sich gar nicht vorstellen, wie groß die Unterschiede in der Denkweise und im Verständnis der Welt sind.
Da stimme ich dir völlig zu! Meine Hoffnung ist, dass jene Menschen im Westen, die einen Blick hinter die Fassade der Konsum- und anderen Süchte werfen, mehr werden und einander in ihrer Sichtweise bekräftigen. Und ich hoffe, dass sie Änderungen herbeiführen können, bevor alles "den Bach runtergeht".

LG
Jane
 
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Gretchen fragt Faust, ob er an Gott glaubt.

Faust: Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen dafür! Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch.

Eine wunderbare Stelle. Gott muss man erleben, ihm keine Namen geben. Wie nah ist Faust durch seine Liebe zu Gretchen der göttlichen Natur. Es sind nicht die Gelehrten, die alles wissen, sondern die Liebenden.

Ich bin ganz Deiner Meinung.

suche
 
Die Antwort auf die berühmte Gretchenfrage ist m.e. nach nur die (faule) Ausrede von Faust, um Gretchen nicht zu sagen: "Ich glaube nicht an Gott!" „Wer darf ihn nennen und wer bekennen ......“, denn Faust zweifelt ja nicht nur an Gott, sondern auch an der Natur und ihren Kräften und möcht erkennen, was die Welt.....
 
AW: Der Geist, der stets verneint

Der Geist, der stets verneint...
Mir graut inzwischen mehr vor dem Geist, der stets bejaht!

Aber um auf die Fragen zurückzukommen:
Wer ist er, der Mephistopheles?
--> An anderer Stelle legt Goethe Dem Herrn in den Mund:
Von allen Geistern, die verneinen,
ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
... und das sagt meiner Meinung nach alles, insbesondere zusammen mit dem gegebenen Zitat
Ich bin ein Teil von jener Kraft,
die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
Steht er stellvertretend für den Menschen?
Meiner Meinung nach nicht: Er wird in beiden Zitaten als "Teil" bezeichnet, einmal wörtlich und einmal sozusagen als einer von vielen. Bestenfalls ist er etwas wie eine personifizierte menschliche Eigenschaft - aber so weit ich Goethes Biographie kenne verstehe ich Mephistopheles einfach als ein weiteres bewusstes Wesen mit eigenem Willen, ein Schalk, ein Teufelchen eben. Warum nicht?
Welches Weltbild verbirgt sich hier?
Vielleicht ist die Antwort ganz einfach (das Ganze war ja noch vor Freud) :-):
Ein Weltbild, in dem Gott/Götter und Teufel, Menschen und Tiere als real gesehen werden. Ein Weltbild, in dem auch Gott und der Teufel menschliche Schwächen haben und darum in unserer allgegenwärtigen Seifenoper mitspielen (müssen). Sie wetten miteinander usw.
Darüberhinaus sehe ich im Konflikt zwischen "Licht" (dem Licht Gottes) und "Dunkel" und Mephistopheles' Hoffnung, "So, hoff' ich, ... mit den Körpern wird's (das Licht) zugrunde gehen" einerseits eine parallele zur Wette aus dem Prolog im Himmel, und gleichzeitig einen Kontrast dazu: Der Herr hofft nicht - das hat Er nicht nötig. Doch sowohl für Mephistopheles als auch für Den Herrn ist der Ausgang des Dramas ungewiss. Wozu sonst wetten?

Also: Im Prinzip eine Naturreligion: Götter und Teufel haben menschliche Schwächen und bekämpfen sich, wenn auch sozusagen im sportlichen Wettstreit.

Das Bild des Universums ist wörtlich: Zunächst war die Finsternis, die das Licht gebar. Die Finsternis stellt sich heute als Teil dar, und sie war ursprünglich alles. Wenn man Finsternis und Unwissenheit gleichsetzt und noch ein wenig von Fausts erstem Auftritt mit hineinrührt ("Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, ...") kann man den Wunsch hineinlesen, in die Unwissenheit zurückzukehren. Ich dachte das wäre irgendwo expliziter, aber die Stelle kann ich gerade nicht mehr finden.

Hoffentlich war diese Antwort der Frage würdig!

Magister Ludi
 
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AW: Der Geist, der stets verneint

ich meine um für goethes seiner mephistofigur eine verständnis zu entwickeln ist eine betrachtung seiner hintergründe und quellen fast unumgänglich.

so möchte ich auf goethe seiner freimaurischer umgebung hinweisen mit ihrer u.a. häterischen und manichäischen gedankengut inhalten.
(vergl. freimaurer, söhne der witwe, manni, zarathustra, pers. religion)

es gibt über die alte pers. religion schriften dlesen sich das genauso wie das besagte einganszitat dieses threads.
es ist dort die rede von einer göttlicheinheit welche sich in zwei teile spaltete
- ahriman <> ahura mazda
ahriman : der bewahrende gott der materie
ahura mazda(oder später auch luzifer) : der zerstörende und neuschaffende gott des lichtes

der erstere, ahriman zuständig für erhaltung und einordnung in eine struktur
der zweite, luzifer zuständig für ausbruch aus dieser und auflösung von strukturen sowies der anlegung von neuen.
es ist wichtig das diese beiden elementaren urprinzipien immer ausbalanciert nebeneinander koexistieren - sonst ist kein leben möglich !

wenn ich jetzt noch mal eine kurze def für gut vs böse darstelle wird dann auch die herkunft vom kern des pudels schnell sichtbar....:

gut: alles was die struktur eines herrschenden (soz.) systems verstärkt
böse: alles was die struktur eines herrschenden systems destabilisiert
also "gut"= ahriman "böse"=luzifer

was kann es denn nun für eine kraft sein die unerlässlich böses will(sprich auflösung von strukturen) und gutes schafft (neue strukturen) ?

von daher ist der beginn von goethes faustepos nichts anderes als eine kurze darstellung der philosophie zarathustras - dem begründer der persischen religion.

desweiteren ist auch der weg von faust eine beschreibung seiner geistigen entwicklung aus der "göttlichen" vorgegebenen struktur - eingebunden im system von triebhaftigkeit und moral und soz struktur - in die freie, losgelöste geistige eigenverantwortung. bzw eine beschreibung des individuations prozesses eines jeglichen menschen.

dies ist übrigends auch der ball welcher von nietzsche ergriffen wurde um ihm weiterzuspielen um für sich ein herauskommen aus schopenhauers pessimismus zu erreichen.... würde hier jetzt aber zu weit führen :-)


lg
EarlGrey
 
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