Giacomo_S
Well-Known Member
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Das kann man dem Brexit und Corona"in die Schuhe" schieben. Die gleichen Probleme gibts im bedeutend größeren Wirtschaftsraum der EU.
Das ist sicher richtig, auch Corona hat daran sicherlich seinen Anteil, wenn nicht möglicherweise den maßgeblichen. Nur dürfte es sicher auch so sein, dass die nun auftretenden wirtschaftlichen Folgen für GB besser zu verkraften wären, wenn sie noch Teil der EU wären.
Ich will da nicht zu sehr in der Geschichte kramen -
- aber ich will da mal in der Geschichte kramen, und zwar in unserer eigenen:
Vor Jahren las ich einmal ein wissenschaftliches Buch eines deutschen Ernährungsexperten - aus dem Jahr 1927.
Der Experte beschreibt darin eine während des 1. Weltkrieges ausgelöste und in den Folgejahren grassierende Hungerkatastrophe, an der damals geschätzt min. 800.000 Deutsche gestorben sind. Damals gab es natürlich keine EU, wohl aber bereits einen europa- und weltweiten Handel.
Der Experte zeichnete nach dem damaligen Erkenntnisstand die Folgen einer nationalen Isolation des Marktes, hervorgerufen hauptsächlich durch die britische Seeblockade, aber auch anderen, kriegsbedingten Versorgungsproblemen - sowie rigorosen und vor allem falschen Maßnahmen der Reaktion darauf. Das Deutsche Reich war damals von ausländischen Waren abhängig, vor allem Dünger (Salpeter aus Chile, Guano) und ausländischen Fetten.
Als Erstes brach der Ackerbau zusammen, aufgrund des fehlenden Düngers. In der Folge litt darunter die Schweinefleischprduktion, denn es fehlten vor allem die Futtermittel. Man schlachtete die Schweine ab, um die Bevölkerung mit den fehlenden Fetten zu versorgen. Aus demselben Gründen schlachtete man den Milchviehbestand ab und folgerichtig brach schließlich die Milchproduktion ab. Selbst das Brot musste gestreckt werden, am Ende mit derartig wertlosen und belastenden Füllstoffen, dass selbst in der Krise das Brot von den Konsumenten zurück gewiesen wurde.
Was will uns der Autor damit sagen?
Ich möchte keineswegs den Teufel an die Wand malen und sicher wird man Versorgungsprobleme heutzutage besser und klüger lösen können, als vor über 100 Jahren.
Das Beispiel zeigt aber, wie ein komplexes System wie die Landwirtschaft katastrophal reagieren kann, wenn es zu einer - im o.g. Fall totalen - nationalen Isolation kommt. Die einzelnen Teilbereiche sind nicht voneinander unabhängig, sie greifen ineinander und der eine Teil ist die Basis eines anderen. Die Bereiche sind aufeinander fein abgestimmt durch die Strukturen, in denen sie lange Jahre vorher waren. Radikale Veränderungen am System als solchen bringen erst einzelne Bereiche zu Fall, und möglicherweise in einer Art Kaskade eine Reihe von anderen Bereichen, die von ihnen abhängig sind. Auch andere historische Hungerkatastrophen wurden durch - u.a. ideologisch geprägte - radikale Änderungen am System Landwirtschaft ausgelöst, an denen viele Millionen Menschen gestorben sind (Sowjetunion, China).
Die Versorgung mit Lebensmitteln ist die Grundlage jeder Volkswirtschaft. Wenn sie nicht sicher gewährleistet wird, dann bricht als nächstes der Rest der Wirtschaft zusammen.
Der Vorläufer der EU, die EWG, wurde ursprünglich aus diesem Grund gegründet: Um eine Versorgung der Mitglieder mit Lebensmitteln zu sichern.
GB erzeugt nur 60% seiner benötigten Nahrungsmittel im eigenen Land. Es ist daher von ausländischen Nahrungsmittellieferungen abhängig, woher die auch immer kommen mögen.
Kommt es zu Handelshemmnissen, aus welchen Gründen auch immer, Corona, der Brexit, der steigende Ölpreis oder auch nur fehlende LKW-Fahrer, dann wird es die Briten ungleich härter treffen, als die Länder der EU. Zumal aus den genannten Gründen auch bei uns die Lebensmittelpreise gestiegen sind, wie wir alle in unseren Supermärkten bereits feststellen können.
Wenn dann aber auch noch die eigene, britische Lebensmittelproduktion ins Wanken kommt - Stichwort Schwein - dann wird's gefährlich.