@Annike
Liebe Anike, hier etwas zur Begriffsklärung meinerseits:
Ein Beispiel: Jemand kann sagen: "Dieses Bild habe
ich gemalt!", und er kann auch sagen: "Dieses Bild habe ich
selbst gemalt!" -
Man sieht: Im zweiten Satz wird das "Selbst" betont, in beiden Sätzen aber ist das
Ich der Hauptbezug.
Wenn ich von mir
selbst spreche, dann deute ich damit auf den Wesenspunkt meiner Individualität. Das Objekt ist dabei mein
Ich, das Subjekt ist das
Selbst.
Somit kann das Selbst keinen un-mittelbaren Bezug zu
mir, zu meinem
Ich
haben. Das Selbst bezeichnet
nicht das Ich, es ist sozusagen nur der "Richtungsgeber" zu dessen Zentrum.
Demgemäß - da das Ich der innere Leucht- und Leitstern des wachen denkfähigen
Bewusstseins ist - verfügt das Selbst
nicht über dasselbe. Das Selbst ist un-persönlich, nicht individuell, es bezeichnet
irgend ein Individuum unter vielen. Das Ich aber ist höchst-persönlich, höchst individuell: Von einem anderen kann man sagen: "Du
selbst hast dieses Bild gemalt!", gleich wie ich von mir sagen kann: "Ich
selbst habe dieses Bild gemalt!". Niemals aber kann man zu einem anderen Ich "Ich" sagen; dass kann man nur zu sich selbst, denn wenn ich "ich" sage, dann spreche ich einzig und allein von mir, von meiner eigenen Individualität, dann bin ich in diesem Moment des "Ich-Sagens" meiner
selbst voll bewusst. Zu einem anderen kann ich niemals "Ich" sagen und von
mir sprechen, hierzu gebrauche ich das "Du", mit dem ich gezielt auf den
anderen, auf
dessen individuelles Ich hinweise. Damit wird auch deutlich, dass mir das
Bewusstsein dieses anderen
nicht selbst bewusst ist, da es vollkommen
außerhalb und
jenseits meines eigenen Bewusstseinsradius liegt.
Von diesen Fakten ausgehend kann nun auch erkannt und beurteilt werden,
inwieweit die klassische Psychologie tatsächlich fähig ist, das Wesen des menschlichen Geistes und dessen Konstitution zumindest grundlegend zu verstehen: Denn indem sie "Ich" und "Selbst" nicht wirklich unterscheidet und differenziert, entblößt sie ihre mangelnde Unkenntnis vom
Wesen des Menschen - und mithin ihr halb-bewusstes zielloses Umhertasten im Labyrinth der menschlichen Seele... -
Selbst-Losigkeit richtet Intentionen und Motive nicht ego-, sondern
ex-zentrisch
aus; dabei bleibt das Ich das Bewusstseinszentrum, von welchem aus es die Ziele eigen-mächtig und selbst-ständig bestimmt. Der Selbst-Lose ist also kein Jemand", der zugunsten
anderer agiert, sondern ein freies, eigenständiges Ich, das momentan nicht
sich selbst, sein
eigenes Ich fokussiert, sondern sich ganz
bewusst dem
Du, dem
anderen Ich zuwendet.
Schönen Sonntag!
Janus