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Darf man Falsches lehren?

Ekkehard Friebe

New Member
Registriert
2. Oktober 2005
Beiträge
4
Hallo alle zusammen!

Ich möchte zur Diskussion in diesem Forum auf einen wichtigen Vortrag von Professor Dr. Gerhard VOLLMER aufmerksam machen, der auf einer Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), Fachverband „Didaktik der Physik“ gehalten wurde und der 1989 in der Zeitschrift: „Naturwissenschaften“ veröffentlicht wurde.

In dem vorstehend genannten Vortrag heißt es:
VOLLMER, G.: "Darf man Falsches lehren?" [aus: Naturwissenschaften 76, 185 - 193 (1989)]

"Dass jemand bewusst Falsches lehrt, scheint sowohl die Ethik der Wissenschaft als auch die Pflichten des verantwortungsvollen Erziehers zu verletzen. Gleichwohl lehren wir regelmäßig Falsches, etwa Galileis Fallgesetze oder überhaupt klassische Mechanik. Und unter genau angebbaren Bedingungen dürfen wir das auch. Insbesondere muss die als falsch erkannte Theorie in anderen Hinsichten ausreichend brauchbar sein.

Eine Gewissensfrage?

Die Frage, ob man auch Falsches lehren dürfe, wird zunächst und spontan ein entschiedenes Nein hervorrufen. Es schiene sowohl der Wahrheitssuche der Wissenschaft als auch dem pädagogischen Auftrag des Lehrenden zu widersprechen. Allerdings werden auch sofort einige Bedenken und Einwände auftauchen, Einwände freilich, die eher den Sinn und die Berechtigung der Frage als die verneinende Antwort betreffen. Sie sollten deshalb vorweg bedacht werden.

Erstens wissen wir, dass wir - auch als Lehrer - nicht gegen Irrtum gefeit sind. Da wir fehlbar sind und da unser Wissen immer vorläufig bleibt, kann im Prinzip jedes Element unseres Lehrstoffs auch falsch sein. Wer Wissen vermittelt, der läuft damit auch Gefahr, Irrtümer weiterzugeben. Und wer, um dieses Risiko zu vermeiden, nur als sicher Erkanntes lehren wollte, der dürfte überhaupt nichts mehr lehren.

Das Verbot oder die Weigerung, Falsches zu lehren, kann sich also nur auf bekannt Falsches beziehen. Und die Frage lautet eben genauer: Darf man bewusst Falsches lehren? Darf man etwas lehren, von dem man bereits weiß, dass es falsch ist? Die spontane Antwort auf diese präzisierte Frage wird dann allerdings ein ebenso entschiedenes Nein sein.

Zweitens könnte man kritisch nachfragen, ob man denn wissen könne, dass eine Hypothese, eine Theorie oder ein Verfahren falsch ist. Wenn all unser Wissen fehlbar ist, wie kritische Rationalisten und hypothetische Realisten behaupten, ist dann nicht auch unser Wissen um das Falsche und um die Fehlbarkeit unseres Wissens fehlbar? Wenn wir nichts sicher wissen, dann doch auch nicht, dass etwas falsch ist. Kommen wir dann überhaupt jemals in die Verlegenheit, gewusst Falsches zu lehren?

Die Einsicht in die Fehlbarkeit unseres Wissens bedeutet nicht, dass wir nichts wissen und nichts wissen können. Sie zeigt nur, dass wir Sicherheit nicht als Merkmal eines angemessenen Wissensbegriffs ansehen sollten. Fordert man nämlich, dass Wissen sicher sein müsse (so dass „sicheres Wissen“ ein Pleonasmus, „fehlbares“ oder „Vermutungswissen“ dagegen ein Selbstwiderspruch wäre), dann schließt die These von der Fehlbarkeit menschlichen Wissens ein, dass wir überhaupt nichts wissen, und dies würde unserer Intuition doch allzu sehr widersprechen. Nicht einmal in der Wissenschaft gäbe es dann Wissen; wenn aber hier nicht, wo sonst?

Akzeptieren wir jedoch einen Wissensbegriff, der Fehlbarkeit zulässt, dann können wir uns natürlich nicht nur darüber irren, was wahr, sondern auch darüber, was falsch ist. Und wir können dann auch wissen, dass etwas falsch ist, ohne dessen auch sicher sein zu müssen. In diesem Sinne also stellen wir die Frage, ob man etwas lehren - und damit als wahr hinstellen - darf, von dem man weiß, besser: zu wissen glaubt oder vermutet, dass es falsch ist. Und auch in diesem noch einmal präzisierten Sinne wird man die Frage wieder mit einem spontanen Nein beantworten. Schiene es doch das wissenschaftliche Ethos zu verletzen, wenn man „„wider besseres Wissen“ Falsches lehren wollte.“ (Zitatende)

Lesen Sie weiter unter:

***** Link entfernt - bitte endlich an die Forumsregeln halten *****
VOLLMER, G. (1989): „Darf man Falsches lehren?"
Eine wissenschaftsdidaktische Überlegung,
aus „Naturwissenschaften“ 76 (1989) S. 185 - 193
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Beste Grüße Ekkehard Friebe
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Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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Darf man falsche Theorien benützen?

Hallo zusammen,

Ich möchte einen anderen Textauszug aus der zur Diskussion gestellten Abhandlung von Prof. Vollmer hier betonen, weil er mir auch von großer Bedeutung erscheint:

Prof. Dr. Gehrhard Vollmer schrieb:
Darf man falsche Theorien benützen?

Dies ist offenbar eine ganz andere Frage als die ursprünglich gestellte. Hier geht es nicht um die Wahrheit, sondern um die Brauchbarkeit einer Theorie. Dabei kommen also hauptsächlich praktische Interessen ins Spiel, und deshalb werden hier auch pragmatische Kriterien eher greifen. Trotzdem begeben wir uns auch in dieser Frage nicht auf den Standpunkt des Pragmatisten. Er hatte ja ,wahr' als ,brauchbar' und somit ,falsch' als ,unbrauchbar' definiert. Warum sollte man eine unbrauchbare Theorie benützen? Unsere Frage liefe also darauf hinaus, ob eine unbrauchbare Theorie brauchbar ist, ein augenfälliger Widerspruch, der die Frage in den Augen des Pragmatisten zu Recht disqualifiziert.

Für den Realisten dagegen sind Wahrheit und Brauchbarkeit unabhängig voneinander definiert und deshalb auch unabhängig voneinander abfragbar: Eine wahre Theorie könnte unbrauchbar (zum Beispiel zu kompliziert), eine falsche dagegen durchaus nützlich sein (wofür wir ja gerade besonders viele Beispiele kennengelernt haben). Grundsätzlich kommt es auf die gewünschte bzw. auf die erreichbare Genauigkeit an. Ein Beispiel wird das wieder am besten verdeutlichen.
[…]
Die tiefere Theorie kann also nicht nur die Erfolge und Mißerfolge einer anderen, weniger tiefen erklären, sondern auch deren Gebrauch in Fällen, in denen es auf letzterreichbare Genauigkeit nicht ankommt, rechtfertigen. Und die Tatsache, dass die Verwendung einfacher, aber falscher Theorien gerechtfertigt sein kann, ist natürlich ein weiteres, und zwar durchaus seriöses Motiv, solche Theorien auch zu vermitteln.

Bleibt also alles beim alten? Liefern unsere wissen¬schaftstheoretischen Überlegungen nichts weiter als eine Rechtfertigung dessen, was wir schon immer tun? Nicht ganz. Wir haben zwar erklärt, warum wir Falsches lehren, und gezeigt, warum wir das auch dürfen. Wir haben aber auch die Bedingungen angege¬ben, unter denen allein Falsches gelehrt werden darf. Nimmt man diese Bedingungen ernst, so könnten, nein, so sollten sie doch dazu anregen, den Unterricht in mancher Hinsicht bewusster zu gestalten und damit ein besseres - nämlich richtigeres und hilfreicheres - Bild von Wissenschaft zu vermitteln.
[…]


Weiter lesen unter:
http://www.ekkehard-friebe.de/Falsches.html

Liebe Grüße
Jocelyne Lopez
 
ich möchte mich nur zum reißerischen Titel
'Darf man Falsches lehren?'
äußern

es gibt kein Gesetz dagegen.
in der Politik ist es üblich, auf die Argumente des politischen Gegners NICHT einzugehen
und statt dessen nach irgendwelchem Schwachsinn zu suchen,
der auf den ersten Blick als Gegenargument zu passen scheint

auch hier im Forum gibt es bewusste Quatschfragen und Quatschantworten
 
Darf man Falsches lehren? ist eine idiotische Frage.


Wer unwissentlich Falsches lehrt, macht sich moralisch nicht schuldig.Als Wissenschaftler gibt er sich höchstens der Lächerlichkeit preis, wenn er vorangegangene wissenschaftlich bewiesene und beweisbare Fakten nicht mit in seine Lehre einbezieht.
Wer wissentlich Falsches lehrt ( z.B. nach der Kopernikanischen Wende ) und dass trotzdem tut, ist ein Utilitarist, wenn er das zu seinem Vorteil tut.Er ist ein Narr, wenn er das als Mittel zu einem vermeintlichen höheren Zweck ( um der Ehre Gottes willen z.B. ) tut.


Ich weiß zwar nicht, was Wahrheit ist, behaupte aber mir meinem ollen Daddy:Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch an die Sonnen.


Goethe verfremdend sage ich ( Tochter ihres Daddys ):

Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen. Doch zum Streben, gehört eben die Auseinandersetzung mit dem Leben.
Goethe, verzeih mir, bitte.


Marianne
 
Lehren im Sinne von "Nichtwissenden etwas beibringen", nicht im akademischen Sinne von "vertreten":

Man muss manchmal sogar Falsches lehren. Lehren heißt, zeit- und situationsgerecht Fähigkeiten zu vermitteln, die später oder in anderen Situationen angewendet werden können.

Denkt an die Erziehung eines Menschen vom Kleinkind bis zum Erwachsenen. Man geht hierbei an unzähligen "Fronten" vor. Einem System, dass Schritt für Schritt wächst, tut es nicht gut den Parameter a kuzerhand von 0 auf 100 zu setzen, während andere zurückfallen. (Abgesehen von der m. E. unzulässig verkürzten Bipolarität Richtig und Falsch). Dem Kleinkind lehrt man zu Beginn eine "falsche" vereinfachte Grammatik, wenn es um begriffliches geht. Wenn es den Unterschied zwischen Haus und Baum erstmals begreift, wird man es loben, auch wenn es vll. einen falschen Artikel benutzt, oder?

"Höheres" Beispiel: Schulphysik arbeitet mit Modellen, die im beruflichen Alltag der allermeisten zufriedenstellend angewendet werden können. Könnten diese Modelle quantentheoretisch betrachtet nicht falsch sein?

Allgemein und salopp:

Lieber das Falsche lehren als Nichts, denn von Nichts kommt nichts. Aus ethischen Gründen sollte man IMMER mitlehren, dass Fehlerhaftigkeit möglich ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Harka schrieb:
Lieber das Falsche lehren als Nichts, denn von Nichts kommt nichts. Aus ethischen Gründen sollte man IMMER mitlehren, dass Fehlerhaftigkeit möglich ist.

Denn das Ziel ist ja, selbst Urteile bilden zu können. Wichtig dabei, auch historische Entwicklungen mitaufzuzeigen. Denn Erkenntnis ist Evolution.
 
Bitte, Ihr beiden - lehrt mich flugs etwas Falsches, damit Ihr mich auf die Schiene der Erkenntnis bringt.:doof: :ironie:



Harka: abgesehen davon, dass ich - und die meisten" Eltern mit Köpfchen " mit ihren Kindern von Beginn an grammatisch richtig sprechen - das lehrt auch die Entwicklungspsychologie -
abgesehen davon, dass im Unterricht Sachverhalte vereinfachend dargestellt werden müssen, um dem intellektuellen Entwicklungsstand des Lernenden angepasst zu sein

Robin: abgesehen davon, dass ich immer bisher dachte, dass wir uns unser Urteil aus Vorgegebenem., das richtig und falsch sein kann, aber uns zunächst nur als Angebot vorliegt


abgesehen davon


h a b t I h r b e i d e RECHT
denn
Männer haben immer Recht *teuflisch grins*


Marianne
 
Lehre der falschen Lehre wäre ein Paradox.
Die Lehre der richtigen Lehre ist ein verdecktes Paradox, da man Richtiges nur als Differenzierung vom Falschen erkennt.
Ich plädiere sowieso, die Differenz wahr/falsch durch konsistent/inkonsistent zu erstetzen.

Aber um jetzt mal was Handfestes zu "lehren":
Ich glaube an Zufälle (oder: die Möglichkeit von Zufällen) auch in Bezug auf Lehren, die einem begegnen. In welchem Lebensalter, -zustand begegnet einem welche Lehre? Stößt man eventuell nie auf das Modell, das zu einem passen würde? Ist man durch ein scheinbar konsistentes, zu einem auch passendes Modell schon zu vorgeprägt und borniert? Warum bekämpft man mit allem Elan in einer bestimmten Lebensphase ein Modell und verteidigt mit aller Macht ein anderes? Ist die Wahrheit nicht sowieso zu unbestimmt, als sie es wert währe, dafür oder dagegen zu kämpfen?
 
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Die Wahrheit war ne Plumpsgeburt
auf die Welt geworfen in einer
lauen Herbstnacht von einer
sozial schwachen Mutter die sich
noch nicht mal eine Meinung leisten konnte.
Der Vater, Alkoholiker, missbrauchte früh
seinen Spross, war er nicht betrunken
kümmerte er sich nicht weiter.

Die Wahrheit bekam nur eine
schlechte Ausbildung, mehr als Lesen
und Schreiben war kaum drin.
Rechnen konnte sie schon von Geburt
an, doch das merkten die Lehrer
nicht und hielten sie für
einen hoffnungslosen Fall.

Typisch Gesellschaft: hatte die Wahrheit
Jahre vernachlässigt, doch als die
dann straffällig wurde da
schrieen alle auf, die Medien, die Leute
von der Straße, die Nachbarn hatten es
schon immer gewusst und die eigene
Mutter sagte sich von ihr los in der
Bildzeitung.

Der Verteidiger plädierte auf Strafminderung
wegen der schwierigen familiären
Verhältnisse, doch das war Pech
für die Wahrheit: Das war gerade
aus der Mode gekommen, wegen der
harten Zeiten und der Richter meinte denn auch
sie könne sich auf nichts berufen außer
auf sich selbst und die Wahrheit sagte:
Genau das tue ich doch!
Und wurde doch schuldig gesprochen.
 
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