Eine vorgefasste Meinung und nicht nur das, sondern auch ein vorgefasstes Ziel hat der User darüber, dessen Beitrag dir gefällt. Er will unseren Staat zerstören, genauso wie Bernd. Ich will nur unsere Demokratie schützen.
Ähm, bezog sich das auf mich? Also, ich bin eigentlich ein eher unpolitischer Mensch. Aus politischen Diskussionen halte ich mich meistens raus. Meine früheren Freunde waren alle links. Ich mochte sie menschlich, auch wenn ich mich mit ihren politischen Idealen nie identifizieren konnte. Wir hatten zusammen eine Band und das war für mich der Kern der Sache. Ich war schon immer mehr der spirituelle, künstlerische Typus. Tatsächlich war aber ein Grund, warum ich mich nicht für Politik interessierte, meine schon immer vorhandene Ansicht, dass sich in diesem Land politisch nichts verändern lässt. Ohne dass ich groß darüber nachgedacht oder gesprochen hätte, kam ich innerlich zu dem Schluss, dass nur ein Kataklysmus dieses Land und sogar die gesamte westliche Welt verändern könnte. Ich schloss mich deshalb damals im Geiste der Philosophie eines Thomas Bernhard oder auch eines Tyler Durden an, die nämlich ebenfalls davon ausgingen, dass nur eine Zerstörung der gegenwärtigen Welt eine neue, bessere Welt heraufbeschwören könnte. Natürlich ist eine solche Sichtweise immer mit einem Hauch von Wahnsinn angehaftet und ich weiß auch nicht, wie ernst es Thomas Bernhard wirklich damit war und Tyler Durden ist ja eine fiktive Figur. Vielleicht war das auch einfach nur mein persönlicher Stil der Rebellion, wobei ich zugeben muss, dass mich solche Gedanken an manchen Tagen auch heute noch einholen.
Dieses Denken geriet mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund und ich befasste mich fast nur noch mit spirituellen Inhalten. Die Außenwelt war mir ziemlich egal und ich beschäftigte mich mit dem Seelischen. Dann kam die Corona-Krise. Und die Außenwelt drängte sich wieder in den Fokus. Mein erster Gedanke war: Ist dies nun vielleicht der Kataklysmus, den ich mir früher herbeigesehnt hatte? Als dann die Lockdown-Maßnahmen kamen, wich dieser Gedanke aber schon nach ein paar Wochen einem anderen, nämlich:
Richten wir mit diesen Maßnahmen nicht mehr Schaden an, als das Virus anrichten würde, wenn wir einfach versuchen würden, damit zu leben, anstatt es zu bekriegen? Für mich ist diese Frage bis heute unbeantwortet und steht nach wie vor im Zentrum meiner Überlegungen zu diesem Thema. Ich fand es erschreckend, wie schnell das scheinbar alles ausgemacht und beschlossen wurde, wie schnell sich alle Politiker und Medien einig waren, dass nur und ausschließlich der Weg eines Lockdowns gewählt werden kann. Die alternativen Medien, die ich zuvor auch schon manchmal aufsuchte, stellten hier das einzige Gegengewicht dar und wurden daher für mich eine wichtige Quelle.
Als im letzten März die ersten Demos in Berlin stattfanden, damals noch kleine versprengte Häufchen, fiel mir gleich auf, dass dies jetzt vielleicht das eine große Thema sein könnte, dass die politischen Unterschiede derjenigen, die dieses System nicht mögen, beiseite wischen könnte. Dies war genau das, was ich zuvor mein ganzes Leben nicht für möglich gehalten hatte. Und als dann die Riesen-Demos im August kamen, hatte ich wirklich das Gefühl, dass diese Bewegung jetzt nicht mehr aufzuhalten wäre, doch dann kamen die Wintermonate und die Sache verlief sich wieder im Sande. Dennoch denke ich, dass wir auch dieses Jahr wieder viele große Demos sehen werden, am 24. Mai ist meines Wissens nach für Berlin wieder etwas geplant und ich bin mir sicher, dass die Veranstalter diesmal alles dafür tun werden, dass die Größe der Demo zweifelsfrei dokumentiert wird (wobei das ja meines Erachtens auch schon beim 29.8. der Fall war, aber das haben wir jetzt genug diskutiert).
Also der kurze Sinn dieser langen Rede ist dieser: Früher dachte ich tatsächlich, dass nur eine Zerstörung des Staates einen besseren Staat hervorbringen kann. Mittlerweile glaube ich das nicht mehr. Wenn genug Menschen sich zusammentun, im Internet und im realen Leben (mittlerweile ist beides gleich wichtig), dann kann etwas bewirkt werden. Also ich bin in diesem Punkt eigentlich vom Fatalisten zum Optimisten geworden.