AW: Besser ein Leben ohne Denken?
Guten Tag. Habe mich erst vor Kurzem angemeldet, begrüße alle recht herzlich.
Zu meiner Person? Gibt 's eigentlich nicht viel zu sagen. Interesse habe ich natürlich an Philospohie, Literatur, Kunst, Psychologie und blah blah halt...
Jedenfalls bin ich mir nicht sicher, ob ich diesen Beitrag und wo und wie ich ihn posten sollte.
Meine grundlegende Thematik, mein grundlegendes Problem: Ich habe die "Lebenslust" verloren durch grundlegendes Nachdenken über meine Existenz. Prinzipiell sehe ich keinen Sinn (wirklich rational) in meinem Leben, es spricht nichts für oder gegen das Weiterführen dieses Zustands. . Nun Ja... Ich frage mich in letzter Zeit, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich nie Nietzsche, Schopenhauer, Kant und wie die alten Männer alle heißen gelesen haette. Hinzu kommt bei mir persönlich auch wahrscheinlich, dass ich depressiv bin und mehr als einmal bereits versucht habe, mir das Leben zu nehmen... seit ich das Leben allerdings als objektiv sinnlos "entlarvt" habe, ist es wesentlich schlimmer.
Ich weiß nicht so recht, ob jmd. nach diesem kurzen Text wirklich nachvollziehen kann, was ich abtippte, allerdings wuerde mich interessiere, ob es Personen gibt, die Ähnliches aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Philosopohie machen bzw. gemacht haben?
mFg
Aaron
Hallo, Nora!
Das ist eine sehr ernste Thematik, die du da in deinem Beitrag ansprichst. Man merkt, dass dir diese Frage - "ob denn ein Leben ohne Denken wirklich besserr wäre..." - sehr am Herzen liegt und du dich in einer Sinnkrise befindest, aus der du keinen Ausweg zu sehen scheinst.
Ich weiß, dass ich nichts Anderes tun kann, als dir meine Sicht der Dinge zu schildern. Vielleicht gelingt es mir, dir die ein oder andere Möglichkeit aufzuzeigen, aus diesem Labyrinth, in das du dich verirrt zu haben scheinst, wieder herauszukommen. Allerdings bin ich mir durchaus dessen bewusst, dass ich dir mit meinen Aufmunterungen lediglich wie aus der Ferne zurufen kann, ohne je näher an dich herantreten und dich dort abholen zu können, wo man dich wirklich ergreifen könnte - im Herzen. Verzeih' mir, falls einige Behauptungen, die ich im weiteren aufstellen werde, wie dogmatische Festellungen daherkommen, ich will bloß versuchen, einigermaßen objektiv zu sein.
Ich habe die "Lebenslust" verloren durch grundlegendes Nachdenken über meine Existenz. Prinzipiell sehe ich keinen Sinn (wirklich rational) in meinem Leben, es spricht nichts für oder gegen das Weiterführen dieses Zustands.
Der Grund, weshalb das objektive, bis zu den letzten Gründen durchgeführte Nachdenken über die eigene Existenz diese als sinnlos erscheinen lässt, könnte darin zu finden sein, dass der menschliche Intellekt, sofern er sich rein objektiv und auffassend verhält, gar nicht in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Die Vernunft analysiert bloß und hält dem Willen Motive vor, die ihn dazu veranlassen, sich seiner Natur gemäß zu entscheiden. Du solltest dir vor Augen halten, dass der menschliche Intellekt großen Unvollkommenheiten unterworfen ist und wir mit seiner Hilfe nicht im Entferntesten die verborgenen Unendlichkeiten, die jenseits unserer Begriffe und Anschauungen liegen, erreichen können. Er ist seiner ursprünglichen Intention nach bloß für praktische Zwecke bestimmt. Überdies hängt es davon ab, welchen Aspekt des Lebens du bei denen Meditationen ins Auge fasst - richtest du deine Aufmerksamkeit auf die Leiden und die Nichtigkeit de Lebens (die Schopenhauer als einziger abendländischer Philosoph konsequenterweise erkannt hat), so zieht sich dein Herz zusammen und möchte zerbersten, konzentrierst du dich hingegen darauf, dass es hinter unserem Dasein noch etwas Anderes gibt - oder geben könnte - welches über unser menschliches Vorstellungsvermögen hinausgeht, so bleibt dir zumindest ein Weg zur Erlösung auf, welchen Trost du allein in der Religion finden kannst.
Hinzukommend bin ich der Meinung, dass ich als Mensch sowieso keine Entscheidungsfreiheit (starker Determinismus) besitze und damit sowieso alles relativ obsolet ist.
Ich stimme deiner deterministischen Überzeugung von der Notwendigkeit alles Geschehenden bei, aber die Schlussfolgerung, die du daraus ziehst, ist falsch. Die Erkenntnis, dass alles, was geschieht, mit Notwendigkeit geschieht, ist kein Grund zur Resignation. Denn wenn du auch erst nach langen Kämpfen und heftigem Widerstreben deine Entschlüsse in die Tat umsetzest, so geschieht dies mit gleicher Notwendigkeit, wie wenn du ob der Erkenntnis des Fatalismus deinen Lebenswillen aufgibst. Denke darüber nach.
Nun Ja... Ich frage mich in letzter Zeit, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich nie Nietzsche, Schopenhauer, Kant und wie die alten Männer alle heißen gelesen haette
Das frage ich mich auch manchmal. Mir scheint, dass vor allem der düstere Pessimismus Schopenhauers dich in diese missliche Lage gebracht hat, aber vergiss nicht, dass er auch Auswege aus dem Leiden aufzeigt hat, die sich vor allem im Buddhismus finden lassen.
Ich weiß nicht so recht, ob jmd. nach diesem kurzen Text wirklich nachvollziehen kann, was ich abtippte, allerdings wuerde mich interessiere, ob es Personen gibt, die Ähnliches aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Philosopohie machen bzw. gemacht haben?
An dieser Stelle möchte dir ein sehr gutes Buch ans Herz legen, nämlich "Meine Beichte" von Leo Tolstoi. In diesem bewegendsten seiner Werke schildert Tolstoi seine dunkelste Zeit. Nach Abfassung der großen Romane befällt den Weltliteraturen ein lähmender Zweifel am Sinn seiner Existenz und zwingt ihn zur Niederschrift dieses herzergreifenden Seelenprotokolls. Auf der Suche nach Sinn und Halt wendet er sich an die verschiedensten Instanzen: an Philosophie, Wissenschaft, an Tradition und Brauchtum der einfachen Leute. Doch erst in der Religion findet der Dichter Halt - in einem "neuen Glauben", der sich von der naiven Frömmigkeit seiner Jugendzeit elementar unterscheidet.
Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.
Beste Grüße,
Andronikus