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Barriere Schuld

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AW: Barriere Schuld

Und welche Möglichkeit gibt es für den fragenden/denkenden Menschen, das "verlorene Paradies" wieder zu gewinnen...:dontknow:
Welche Rolle spielt in diesem Kontext das Phänomen der Zeit - und das Bewusstsein der eigenen Endlich-/Sterblichkeit :dontknow:

Gruß, moebius

Feine Fragen. :)
Was die erste anbelangt, verweise ich einfach mal auf Kleists 'Über das Marionettentheater'. Er kommt darin zu dem Schluss, dass es nur einen Weg zum Paradies 'zurück' geben kann - den des wachsenden Bewusstseins. Ein echtes Zurück kann es nicht geben, nur ein immer Weitergehen, um so den (entwicklungspsychologischen) Erdball zu umrunden und anderen Eingang zu finden.

Schließt sich die Frage an, was es mit diesem Bewusstsein und seinem Zuwachs auf sich hat. Die kann, denke ich, jeder nur individuell für sich beantworten. Ich beantworte sie für mich so: Unter der Prämisse, dass Glücklichsein mein eigentliches Lebensziel ist, wuchere ich mit allen meinen Pfründen.

Daraus ergibt sich für mich die Antwort auf Deine zweite Frage: Aus der Erkenntnis meiner Sterblichkeit erwächst mir nicht mehr Herausforderung als die, unter Berücksichtigung der von mir als richtig anerkannten Prämisse in jedem Moment meines Daseins zu wuchern.

Einen schönen Samstag wünsche ich Dir, werter moebius! :)
 
AW: Barriere Schuld

Ein bisschen klingt das allerdings nach Managementseminar, so unter dem Motto "Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt".
Wenn Adam sich damals nicht verschämt im Gebüsch versteckt hätte, als Gott abends durch das Paradies lustwandelte, wäre der Sündenfall womöglich nie aufgeflogen?
Ich vermute allerdings, dass wir gar nicht anders können, als uns zu genieren, wenn wir uns unser selbst bewusst werden und daraus erwächst die Bereitschaft zu Schuldgefühlen.

Mit Vertrauen in die Weisheit der Natur ist es möglich, in der rückblickenden Reflexion sein Tun nicht an seinen Antrieben zu messen, sondern sie im Kontext des sozialen Gefüges zu sehen, in dem wir stehen, und dann ist es absolut not-wendig, dass wir unseren omnipotenten Allmachtsphantasien, die uns einmal veranlassten, klüger zu werden, gerade nicht 1:1 entsprochen haben, statt in der Scham zu verweilen.

Nicht die "Schuld", uns verrechnet zu haben, sondern das Verweigern dieser Einsicht hält die Isolation voneinander aufrecht und setzt sich fort in der Kain-und-Abel Tragödie, um schließlich in einer wahnhaften Fortschrittsideologie zu münden, mit der wir unserer Zukunft hinterherhechten und jede Gegenwart nur als Mangel erleben können.
 
AW: Barriere Schuld

1. Ein bisschen klingt das allerdings nach Managementseminar, so unter dem Motto "Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt".
2. Wenn Adam sich damals nicht verschämt im Gebüsch versteckt hätte, als Gott abends durch das Paradies lustwandelte, wäre der Sündenfall womöglich nie aufgeflogen?
3. Ich vermute allerdings, dass wir gar nicht anders können, als uns zu genieren, wenn wir uns unser selbst bewusst werden und daraus erwächst die Bereitschaft zu Schuldgefühlen.

ad 1: Nun, das Leben mag zwar ein für uns unüberschaubares Gefüge sein, dennoch ist es wohl kein endloses. Da wir in Sachen Erklärungsversuche außerdem auf unsere begrenzte Wahrnehmung angewiesen sind, bleibt einfach nicht aus, dass sich immer wieder gewisse Überschneidungen in der Interpretationsfülle ergeben.

ad 2: Falscher Ansatz. Insofern, als Du die Geschichte wie einen Tatsachenbericht behandelst. Tatsächlich ist sie jedoch ein menschlich und kulturell geprägter Interpretationsversuch jenes Lebens, das die Verfasser und ihre Leser kannten und zu verstehen trachteten.

ad 3:
Ja. Es entspricht menschlicher Eigenart, auf essentielle Entdeckungen, die Gewohnheitsdenken in Frage stellen, verunsichert zu reagieren. Ob sich diese Verunsicherung dann in Schuldgefühle flüchtet oder andere Verhaltensmuster auf den Plan bringt, obliegt wohl jeweiligem Einzelfall.

Auch Dir einen frohen Wochenendgruß, lieber erichs. :daisy:
 
AW: Barriere Schuld

Verstehen statt (Ver)urteilen
(Mit)teilen statt Überzeugen
Entscheiden statt Erwarten!

LG Kaawi
Ist sicher eine hohe Moral, Kaawi, nur müsste man damit bereits im Kindesalter und global beginnen; Menschen, die andere zum Selbstmord anstiften, wo möglicherweise auch noch andere Menschen zu Schaden kommen, bewusst aus eigenem Antrieb mordende, Kindesmissbraucher, stehlende, erspresserische Menschen samt deren Anstiftern gehören isoliert und damit vor der Gesellschaft geschützt. Dazu braucht man eine Handhabe und da ist noch immer nichts besseres als ein Urteil von ausgebildeten und ausgesuchten Leuten erfunden worden.

Unschuldsvermutung und Recht auf (bei Bedarf vom Staat) bezahlte Verteidigung sollten dabei selbstverständlich sein bzw. werden.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Barriere Schuld

Ist sicher eine hohe Moral, Kaawi, nur müsste man damit bereits im Kindesalter und global beginnen; Menschen, die andere zum Selbstmord anstiften, wo möglicherweise auch noch andere Menschen zu Schaden kommen, bewusst aus eigenem Antrieb mordende, Kindesmissbraucher, stehlende, erspresserische Menschen samt deren Anstiftern gehören isoliert und damit vor der Gesellschaft geschützt. Dazu braucht man eine Handhabe und da ist noch immer nichts besseres als ein Urteil von ausgebildeten und ausgesuchten Leuten erfunden worden.

Unschuldsvermutung und Recht auf (bei Bedarf vom Staat) bezahlte Verteidigung sollten dabei selbstverständlich sein bzw. werden.

Liebe Grüße

Zeili

Aber, lieber Zeili, warum muss ich mein natürliches Bedürfnis nach Schutz vor Gewalt mit einer moralischenVerurteilung von Menschen, deren Geschichte ich nicht kenne, legitimieren? Ich behaupte, damit wir keine Mitverantwortung, und sei sie auch noch so gering, an den Zuständen, die diese Verbrechen nach sich ziehen, übernehmen müssen.

LG Kaawi
 
AW: Barriere Schuld

Hallo Freyfrau !

1. Moral ist mMn die Fähigkeit - bei toleranter Sicht auch der Wille - eines Menschen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.
.....

2. Moral ist immer auch ein persönliches Thema, weil in einer funktionierenden Demokratie die Gesetzgebung nur dann sinnvoll sein kann, wenn sie die Moralvorstellung von möglichst vielen Menschen unter einen Hut bringen kann.

3. Wenn ich jemandem meine Hilfe anbietet, dem es offensichtlich besser geht als mir selbst, bin ich dumm. Biete ich einem offensichtlich Ärmeren keine Hilfe an und könnte aber helfen, bin ich schlecht. Wir haben alle unsere guten und schlechten Seiten und auch unsere guten und schlechten Momente. Die Grundlage, mich zu verbessern, kann für mich nur sein, dass ich glaube, eben schlecht bzw. nicht gut genug zu sein.
.....

4. Ich glaube, eine ganz große Mehrheit fühlt sich nicht gerne schuldig.
.....

5. ... die Freiheit ist aber nicht der einzige ideelle Wert; daneben gibt es auch noch die Gesundheit, die Geborgenheit, das Bewusstsein, wenigstens von Gott geliebt zu werden und - was oft vergessen wird - die Zeit, die uns gegeben wird.


ad 1: Nein. Diese Fähigkeit wird gemeinhin Bewusstsein genannt. Moral ist die Konsequenz, welche aus dem jeweiligen Bewusstsein abgeleitet wird.

ad 2: Moral ist nicht auch, sondern grundsätzlich ein persönliches Thema. Selbst wenn sie prägend in ein allgemeines Gesetz einfließt, weil viele bzw. gesetzentscheidende Personen eine ähnliche Moral teilen, geht sie vom Einzelnen aus und kehrt auch zu diesem wieder zurück. Vor und nach allem anderen entscheidet der Einzelne, was er persönlich für richtig befindet.

ad 3: Die von Dir beschriebene Unterscheidung in Gut und Schlecht mag für Dich in Deinem Leben sinnvoll sein, in meinem dagegen spielt sie nur eine sehr begrenzte Rolle. Nämlich dahingehend, dass ich mich entweder gut oder schlecht fühlen kann - nicht moralisch gesehen, sondern als empfundener Gefühlszustand.

ad 4: Trotzdem hält eine Mehrheit daran fest, sich schuldig zu fühlen. Meines Erachtens eine Schizophrenie, die sich nur durch plotins Einwand erklären lässt: "Gemeint ist, "Schuld ob des schuldigsein willens", sprich, der Lust am leiden....."

ad 5: Frei ist derjenige, der es immer und überall ist, weil er für sich erkannt hat, dass er es immer und überall ist.

Schönes Wochenende Dir, Zeili. :blume1:
 
AW: Barriere Schuld

Aber, lieber Zeili, warum muss ich mein natürliches Bedürfnis nach Schutz vor Gewalt mit einer moralischenVerurteilung von Menschen, deren Geschichte ich nicht kenne, legitimieren? Ich behaupte, damit wir keine Mitverantwortung, und sei sie auch noch so gering, an den Zuständen, die diese Verbrechen nach sich ziehen, übernehmen müssen.

LG Kaawi
Da hast Du schon recht, Kaawi; vielleicht sehe ich das Thema auch zu persönlich, weil ein Freund von mir totgeschlagen wurde; ein unangenehmes Gefühl, sage ich Dir, auch noch Jahre danach, wenn ich daran denke und obwohl ich zum Zeitpunkt der Tat gar nicht wusste, wo er war und er kilometerweit weg war. Das ungute Gefühl kommt auch wieder, wenn ich seinem Vater begegne.

Liebe Grüße

Zeili
 
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Zeilinger schrieb:
Ich glaube, eine ganz große Mehrheit fühlt sich nicht gerne schuldig.
Freyfrau schrieb:
ad 4: Trotzdem hält eine Mehrheit daran fest, sich schuldig zu fühlen. Meines Erachtens eine Schizophrenie, die sich nur durch plotins Einwand erklären lässt: "Gemeint ist, "Schuld ob des schuldigsein willens", sprich, der Lust am leiden....."
Ich glaube nicht, das die Mehrheit sich schuldig , ob des schuldigsein willens fühlt, sondern weil es der Preis für unmoraliches Verhalten ist. Man will tun und lassen was man will und keinen Preis dafür zahlen. So funktioniert die Natur aber nicht. Wer zu viel isst wird fett. Wer seine Frau betrügt wird verlassen. Wer klaut wird erwischt. Wer lügt verliert das Vertrauen des anderen. usw.

Meine These lautet je moralischer ein Mensch lebt, umso besser kann er mit Schuld umgehen.
 
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