AW: Alles determiniert oder nicht?
Guten Morgen, liebe unfreie freie Mitmenschen!
Als ich heute früh wach wurde, überprüfte ich erst einmal, wie sich mein Körper anfühlte. Ich bin seit fast zwei Wochen immer wieder krank und wollte überlegen, ob ich mir heute schon so manche Aktivität zumuten kann. Ich entschloss mich, meinen Wunsch, endlich mit der Seilbahn auf die Rax zu fahren um oben eine kleine, gar nicht anstrengende Wanderung zu machen, doch noch nicht umzusetzen, weil ich mich körperlich noch ziemlich schlapp fühle.
Es ist also schon mein Körper, von dem ich abhängig bin. Ich kann mich noch so frei entscheiden, es geht einfach nicht, wenn die körperlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Ich könnte ein Programm daraus machen, meine Kraft zu verbessern und auch Ausdauertraining zu machen (was ich auch mache), aber hier ist es noch deutlicher, wie abhängig ich bin. Wenn ich meinen Körper nicht pfleglich behandle, dann wird er das alles nicht tun können, was ich ihm abverlangen möchte.
Ist ja eigentlich ganz deutlich sichtbar, und wir alle erleben es täglich. Warum beziehen wir das gar nicht ein in unsere Überlegungen vom "freien Willen"? Zählt das aus irgendeinem - für mich vielleicht nicht erkennbaren - Grund nicht?
Wir bestehen ja nicht nur aus Geist!
Denken "dürfen" wir, was wir wollen, aber auch danach handeln, da sind wir nicht wirklich frei.
Zu
Miriams Antwort auf meinen Beitrag - Ich dachte dabei nicht an die Chaostheorie, obwohl damit auch eine Gesetzmäßigkeit angesprochen wird, die lange Zeit nicht als solche gesehen wurde. (Weil die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit dafür zu klein ist).
Ich dachte da in erster Linie an uns Menschen als soziale Wesen. Kinder sterben, wenn sie ohne menschliche Bezugsperson bleiben, obwohl ihr Körper alles das bekommt, was ihn theoretisch am Leben erhalten könnte. Und wie unsere Abhängigkeiten heutzutage aussehen, darüber müssen wir ja nun nicht lang diskutieren. Wir würden ohne einander verhungern, erfrieren, verwahrlosen, überschnappen, erkranken. Wir leben in einer sozialen Gemeinschaft, wo wir einander brauchen. Das ist für uns so wichtig, dass wir im Normalfall nur solchen Entscheidungen treffen, die innerhalb der Gemeinschaft akzeptiert werden. Wo ist da der freie Wille?
Es ist mMn gar nicht nötig, in hochgeistige Denkmodelle zu steigen, um nach dem freien Willen zu forschen. Gerade die Verbundenheit mit allem lässt sich doch so leicht empirisch erforschen. Sag deinem Partner mal in der Früh, er ist ein egoistischer Trottel, so ganz aus heiterem Himmel und weil dir grad danach ist. Und dann schau genau hin, was du damit ausgelöst hast. Da können Welten zusammenbrechen, obwohl du nur Worte benützt hast. Und dann probier das mal aus mit etwas, das Freude bereitet. Ein Wort der Wertschätzung, oder eine liebevolle Berührung. Auch das zieht Kreise und wirkt sich in Dimensionen aus, die wir gar nicht abschätzen können. Das sind mMn nach die kreativen, impulsgebenden Möglichkeiten, die wir durch unser TUN auch umsetzen können. Klein aber fein.
Miriam, ich weiß, du wirst mir verzeihen. Ich kann mit den diversen Kategorien und -ismen nichts anfangen. Ich beschränke mich bei meinen Erforschungen hauptsächlich auf das, was ich selbst beobachte.
Was die Vorhersagbarkeit betrifft, die
Frankie anspricht, so habe ich dazu folgende Meinung: Es ist schon sehr schwierig, allein die sachlichen Konsequenzen mancher Handlungen richtig einzuschätzen, weil die Menge der dazugehörigen Details oft unüberschaubar groß ist. Es wäre theoretisch möglich, alles zu erfassen, aber der menschliche Denkapparat ist nicht groß und aufnahmefähig genug, die Masse an Informationen auch zu überschauen um die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Dazu kommt, dass noch unvorhersagbare Umstände eintreten können, dass in Situationen, wo auch Menschen miteinander zu tun haben, auch Gefühle und Vorstellungen jedes einzelnen mitspielen, was sehr oft in keinem noch so gut durchdachten Plan berücksichtigt wird, und was auch die Berechnungen der Computer, die mit den erfassten Daten sehr gut umgehen können, oft ad absurdum führt. Also sogar schon die bekannten Fakten sind für uns oft so unüberschaubar, dass wir gar kein Gesamtbild mehr haben, wofür wir uns überhaupt entscheiden. Wir können ja dann nicht einmal die Konsequenzen in ihrer Gesamtheit erkennen, obwohl sie bekannt wären.
Wer kennt das nicht, dass er rückblickend einen gescheiterten Plan analysiert und plötzlich sieht, wo er etwas übersehen hat, wo er etwas nicht gleich so wichtig genommen hat oder gar, wo er sehenden Auges drüber weggegangen ist, weil er gehofft hat, das würde schon nicht so tragisch sein.
In diesem Licht erscheint mir die Frage nach dem freien Willen eine sehr sehr theoretische.
Allerdings enthebt das keinen von der Verantwortung, die Konsequenzen seines Handelns zu tragen. Die Rechtsprechung nimmt ja auch darauf Rücksicht. Der Raster der freien Entscheidungsmöglichkeiten gegen die Spielregeln der Sozialgemeinschaft ist ja ziemlich grob angelegt, die Feinheiten werden dann eher in individuellen Prozessen herausgefiltert. D.h. es gibt auch Freisprüche, obwohl ein Verbrechen begangen wurde. Der Täter hat dann zwar gehandelt, ist aber durch seine persönlichen Lebensumstände nicht zur Verantwortung zu ziehen. Also wird hier auch zugestanden, dass Abhängigkeiten vorliegen können.