In ihrem Buch "Abbruch der Schweigemauer" beschreibt die Schweizer Psychoanalytikerin Alice Miller die systematische Tabuisierung von Kindesmißhandlungen in der Psychotherapie.
Hier in Auszügen verfügbar:
http://www.utopie1.de/miller/abbruch0.htm
Einige, im Hinblick auf einen anderen Thread ausgewählte Zitate:
Ich habe das Buch selbst noch nicht gelesen ...
Hier in Auszügen verfügbar:
http://www.utopie1.de/miller/abbruch0.htm
Einige, im Hinblick auf einen anderen Thread ausgewählte Zitate:
Was würde passieren, wenn Nietzsche heute lebte? Ebenfalls nichts Wirksames, um ihm zu helfen.
Vermutlich würden ihm die Psychiater eine Dosis der neuesten Psychopharmaka verschreiben, um sicherzugehen, daß der Patient seinen fünfundvierzig Jahre alten Schmerz, der sich in der Krankheit meldete, tief genug herunterschluckt. Solche Ärzte haben schon mit anderen Genies ihre Erfahrungen gemacht: zum Beispiel mit Hölderlin, Munch, van Gogh. Auch dort ist es ihnen in jedem Fall gelungen, die Schmerzen und die Wahrheit zu töten.
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Sollten auch Psychotherapeuten um eine Behandlung gebeten werden, kann das alte Spiel mit leeren Worten von neuem beginnen. Eine ganze Palette von Theorien werden sie anbieten können, um die Krankheit zu erklären: Archetypen, kollektives Unbewußtes, Mandala, das grausame Neugeborene, Ödipuskomplex, Kastrationsangst usw. usw., alles mit absoluter Überzeugung und natürlich ebenfalls mit großem Nachdruck.
Sie brauchen alle diese Theorien, um sich zu versichern, daß das im Patienten eingesperrte Kind nicht zu reden beginnt, nicht wagt, seine Geschichte zu erzählen. Sollte der Patient schreien, aus Verzweiflung und Protest gegen soviel Unsinn, wird er als psychotisch deklariert; das heißt mit anderen Worten, unfähig, sich dem zu unterwerfen, was sie Psychotherapie nennen. Nur Medikamente kommen dann für ihn noch in Frage.
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Von Freud, Jung, Adler und ihren zahlreichen Nachfolgern wurden auch Psychotherapeuten zur Unterdrückung der Wahrheit ermutigt.
Diese Lehrer mußten ihre Kindheit verdrängen, wie wir alle, aber sie gaben sich nicht wie Nietzsche mit intellektuellen Spielen zufrieden, auch nicht mit der Verwirrung von Lesern und ihrer Selbstverwirrung. Sie taten mehr, sie gründeten Schulen, in denen sie künftige Therapeuten verwirrten. In diesen Schulen und Institutionen boten sie ihren Schülern ihre Theorien an, als wären diese medizinisch-wissenschaftliche Entdeckungen. Auf diese Weise verkauften die Meister ihr Versagungsprodukt - die abstrusesten Theorien, die ihnen geholfen hatten, die Wahrheit zu verleugnen -, als ob es ein Erfolgsprodukt wäre, als ob die Theorien die Wahrheit enthielten.
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Sie haben nicht gezögert, Insulin und Elektroschocks zu verabreichen und damit den Organismus der Patienten zu zerstören, nur um deren Geschichte zu töten.
Wie hätten sie unter diesen Bedingungen lernen können, was am Ursprung des menschlichen Elends steht?
Natürlich, die Schlüssel waren für sie in ihren Kliniken verfügbar, wenn sie nur gewagt hatten,
diese zu berühren, aber sie fürchteten diese Schlüssel mehr als den Teufel.
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Kindesmißhandlungen sind das schmutzigste, das gemeinste Verbrechen der Menschheit gegen die Menschheit, weil sie die nachfolgenden Generationen charakterlich schädigen, unbemerkt bleiben und geleugnet werden, sobald jemand sie erwähnt. ,Sie wollen doch nicht etwa Eltern beschuldigen', wird man dann in drohendem Tonfall gefragt.
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Wenn ihr, Psychologen und Psychiater, aufhören würdet, der Tatsache von Kindesmißhandlungen und deren Folgen in psychischen Krankheiten auszuweichen,
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"Unsere Untersuchungsergebnisse deuten daraufhin, daß es besser ist, manche Formen von Traumen zu Unterdrücken. Es ist besser, sie zu vergessen, statt ihnen jahrelang in einer Therapie ausgesetzt zu werden."
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Bis 1988 bekam ich noch Falldarstellungen zugeschickt, die die Ausbildungs_kandidaten dem Unterrichtsausschuß vorgelegt hatten, um Mitglieder der Psychoanalytischen Gesellschaft zu werden.
In all diesen Darstellungen ließ sich nachweisen, daß und in welcher Weise die Patienten daran gehindert wurden, zu sehen, was ihnen in ihrer Kindheit angetan worden war, obwohl sich dies aus dem Material überdeutlich zu erkennen gab. Solche Behandlungen, Analysen genannt, sind sinnlos und nicht selten schädlich.
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"Haben wir als Kinder nicht alle mal einen Klaps gekriegt, weil wir unsere armen Eltern zur Verzweiflung trieben? War das nicht völlig normal? Und wie soll denn ein Kind anders lernen als durch Erziehung? Man soll doch nicht ganz normale Dinge dramatisieren und ständig darüber schreiben. Ohne Schläge wären wir niemals so erfolgreich geworden, wie wir jetzt sind."
Daß die meisten Menschen so reden, ist bekannt. Aber ich war erstaunt, als ich solche Äußerungen auch von Analytikern hörte, sobald ich das Thema Kindes_mißhandlungen in der herkömmlichen Erziehung ansprach. Sie wirkten wirklich ahnungslos. Ich dachte, sie müßten es doch besser wissen als Menschen in anderen Berufen, weil sie acht Stunden am Tag Opfern von Kindes_mißhandlungen zuhörten.
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Als Freuds Lieblingsschüler, Sandor Ferenczi, es in den dreißiger Jahren wagte, auf einem Kongreß über Kindesmißhandlungen zu berichten, wandte Freud sich von ihm ab, seine „Freunde" verließen ihn, und die hohen Funktionäre der Psychoanalytischen Vereinigung wie Ernest Jones und andere schreckten nicht davor zurück, ihn noch über seinen Tod hinaus zu verleumden. Er wurde einfach für psychotisch erklärt, obwohl Michael Balint bezeugen konnte, daß er es nicht war.
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Die Eliminierung des Themas "Kindesmißhandlung" aus der Psychoanalyse hat eine lange Geschichte, die 1897 mit Freuds Verrat an der Wahrheit begann.
Ich habe das Buch selbst noch nicht gelesen ...