Original geschrieben von walter
Das ist genau die Frage die mich interessiert: ist das unsere Natur (oder zumindest die Natur der meisten) oder gesellschaftliche Prägung?
Hallo walter,
ich denke daß Monogamie eine Sache der gesellschaftlichen Prägung ist. Die bereits mehrmals hier genannte Eifersucht (oder von mir aus der Wunsch nach Ausschließlichkeit) hat mit dem Konstrukt "Monogamie" bzw. "Einehe" weniger zu tun. Ich glaube, der Vergleich mit möglichst vielen anderen Kulturen läßt doch einige Rückschlüsse auf Sinn oder Unsinn von bestimmten Konstellationen zu. Wenn man guckt, dann ist (soviel ich das bisher mitbekommen habe) gerade mal eine Gesellschaftsform bekannt, in der eine Frau mehrere Ehemänner haben kann (allerdings eher als deren "Eigentum" und unter der Voraussetzung, daß die Ehemänner derselben Familie angehören). Häufiger gab/gibt es die Variante, daß Männer mehrere Ehefrauen/Nebenfrauen/Geliebte haben, für die und deren Kinder zu sorgen sie innerhalb ihrer Gesellschaft verpflichtet waren/sind. Monogamie ist m.W. die verbreitetste Variante, stellt sich die Frage: warum?
Ich denke mal, daß spätestestens mit dem Wissen, daß die Zeugung von Nachwuchs mit dem Geschlechtsakt zusammenhängt bzw. dem Wissen um "Vaterschaft" sich diese Konstellationen entwickelt haben. Männer können sich nie sicher sein, ob der Nachwuchs von ihnen stammt - Frauen schon. Ergo scheint es nur "natürlich", daß Monogamie vor allem den Zweck hatte, die Abstammung der Nachkommen möglichst eindeutig bestimmbar zu machen.
So betrachtet scheint mir das Bedürfnis vor allem von Männern, "fremdzugehen" bzw. möglichst viele Sexpartnerinnen zu haben, einigermaßen logisch - ebenso, daß Frauen eher zögerlich mehrere Liebhaber (und selten gleichzeitig) haben - aus "fortpflanzungs-logischer Sicht" betrachtet werden Frauen nicht sehr häufig schwanger und müssen zusehen, daß der / die Erzeuger ihres Nachwuchses das bestmögliche "Exemplar" für diese Aufgabe (incl. Versorgung während der Zeit, in der der Nachwuchs und damit die Mutter auf Hilfe angewiesen sind).
All das spielt immer weniger eine Rolle. In sehr kurzer Zeit hat sich sehr vieles verändert: Frauen haben ähnlich wie Männer Anspruch (und zunehmend auch das Selbstverständnis) für sich selbst aufzukommen, sie arbeiten, es gibt Kindergärten/Schulen/Hortplätze (wie ausreichend, mag mal dahingestellt bleiben). Mag man sich nur mal anschauen, was alleine durch die Erfindung der Pille (war's 1963 oder 1964?) sich geändert hat: noch in den 60ern/70ern war's skandalös, wenn eine Frau mehrere Liebhaber hatte (meine Mutter wurde als Hure bezeichnet, weil sie uns Kinder von verschiedenen Vätern hatte), ich erinnere mich noch, daß in meiner Kindheit von "geschiedenen Frauen" nur verächtlich und hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde. Heute regt sich darüber kaum noch jemand auf, nicht? Die "wilden Ehen" sind heute gang und gäbe - Vermieter interessiert's wenig, ob ein Paar, das ihre Wohnung mieten möchte, verheiratet ist oder nicht - und wenn Kinder unehelich auf die Welt kommen ist das kein gesellschaftlicher Makel mehr. All das dadurch, daß wir uns heute aussuchen können, ob wir überhaupt Nachwuchs wollen oder nicht - es ist eine rein gesellschaftliche Entwicklung.
Inzwischen ist's auch nahezu zweifelsfrei möglich, die Vaterschaft eines Mannes per DNA-Untersuchung zu bestimmen - kein großer Act mehr. Und man staune: nun gibt's schon Talkshows mit dem Thema "Bist Du Vater oder nicht" (oder so) - das ist noch ziemlich neu. Ich wage trotzdem mal die Prognose: in 10 - 20 Jahren wird Monogamie kein so großes Thema mehr sein wie jetzt noch - einfach weil die primäre "Notwendigkeit" dafür nicht mehr da ist.
Ich glaube nicht, daß es je eine Zeit gegeben hat, in der solche "natürlichen" Familienstrukturen (die ja immer vor allem politisch/gesellschaftlichen Hintergrund haben) so stark auseinandergefallen und hinterfragbar waren wie heute.
Und nun zum Schluß: wäre ich eifersüchtig, wenn mein Freund andere Geliebte für den Sex hätte? Ja, ganz ohne Zweifel. Wäre er eifersüchtig, wenn ich andere Männer hätte? Nein - er würde sich von mir trennen (verletzt vermutlich, aber ohne Groll)
Halte ich es für denkbar, daß wir im Lauf unserer Beziehung (jetzt ist sie noch zu neu) andere SexpartnerInnen haben werden? Ja.
LG, wirrlicht