Hier nun meine Sicht:
Woher kommt euer (Nicht-)Glaube?
Sunnyboy schrieb:
Hallo an alle.
Mich würde interessieren ob ihr eine Religion habt, wenn ja warum, wenn nein warum nicht?
Mfg,
Sunnyboy
"Religion? Das ist eine schwierige Frage-ich habe mich noch nicht entschieden. Aber ich bin vorbereitet, jeden Augenblick erstaunt zu sein."
(Sir Peter Ustinov)
Hallo Sunnyboy.
Dein Zitat von Peter Ustinov, sagt sehr deutlich, dass der Mensch nicht blind einem Guru folgen darf, sondern allzeit bereit sein soll den Geist Gottes zu empfangen, denn dieser weht wo er will und nicht unbedingt dort, wo man damit Mitmenschen unterdrückt.
Deine Fragestellung zeigt mir, dass Du ein suchender Mensch bist und das ist gut, denn nur wer sucht wird fündig, wer aber glaubt, dass er die Rätsel der Welt bereits gelöst hat, befindet sich im Irrglauben.
Auch ich habe in jungen Jahren die Scheuklappen, welche mir von meinem Religionslehrer verpasst wurden beiseite geworfen um zu suchen. Als ich erkannte in welchem Käfig ich saß, bog ich die geistigen Stäbe auseinander um mich daraus zu befreien. Das alles ist ein Prozeß der nie endet, zumal auch Paulus an einer Stelle sinngemäß sagt: „Prüfet alles und das Gute bewahret.“
Also, wie gesagt, diese Suche ist ein Weg, den ich vor vielen Jahren begann und in dem ich immer versucht habe zu erfahren, was lehren die verschiedenen Denker und Religionen und ich kann Dir versichern, dass ich der Weisheit letzten Schloß noch nicht erkennen kann.
Doch habe ich erfahren, je weiter der Fortschritt und je umfassender die Sicht, umso klarer die Erkenntnis, daß eine Quelle alle Religionen speist.
Nur die Ausformungen der einzelnen Lehren sind verschieden, aber trotzdem kann man sagen, Religion heißt in einem gewissem Sinne: Einheit, denn Wahrheiten finden sich in allen heiligen Schriften der bestehenden Religionen. Wir sehen dort, daß alles religiöse Streben sowie das Licht, das den Wahrheitssuchenden leitet, ein und dasselbe für alle Religionen ist.
Ob wir Hindus, Buddhisten, Juden, Christen, Moslime oder Anhänger irgendeiner anderen Religionsgemeinschaft sind, wir sind alle Pilger auf dem gleichen Pfade, ja, mehr noch, wir müssen alle gewisse Entwicklungsstadien des Bewußtseins durchschreiten, welchem Glauben wir auch angehören mögen.
Nicht nur das Ziel – Gott – sondern auch der Weg – die Wallfahrt zu Gott – haben alle religiösen Lehren gemeinsam.
Williges Jäger schreibt: „Wir brauchen die Vielfalt der Religionen, um möglichst viele Facetten des Göttlichen in Bildern und Worten zu erfassen. Darin liegt die Bedeutung der Religionen, die Menschen immer wieder auf die Wirklichkeit zu verweisen, die hinter den Bildern und Konzepten liegt“.
So lehne ich dogmatisches Denken ab, da Dogmas einengen und nicht im Sinne des universellen Geistes, den die Kirche „Heiliger Geist“ nennt, sein kann.
Die zentralen Fragen im Leben eines jeden Menschen sollten lauten: „Woher komme ich, wohin gehe ich und welches ist die Bestimmung meines Lebens hier auf Erden?“
Da diese Fragen aber unbequem sind, werden sie von den meisten Menschen nicht nur als lästig, sondern noch viel schlimmer sogar als überflüssig empfunden und somit verdrängt.
Wenn wir eines Tages von der Weltbühne abtreten, um zu neuen Ufern aufzubrechen, wird es unwichtig sein zu wissen, wie Schalke 04, wann, wo und wie gewonnen oder verloren hat; oder was für einen Hut Queen Mam von GB an welchem Geburtstag getragen hat.
Von Bedeutung wird eher sein, wie habe ich mein Leben gestaltet und bin ich auf meiner Pilgerreise zurück zu meinem Ursprung, zu Gott, weiter vorangekommen?
Das Wissen um diese zentralen Fragen ist im tiefsten Inneren eines jeden Menschen vorhanden, denn vor Gott ist jeder Mensch eine gleiche, von ihm ins Leben gerufene Seele; und wenn uns die inkarnierten Seelen so unterschiedlich erscheinen, dann liegt das an der ganz persönlichen Entwicklung des einzelnen Menschen.
Der Mensch hat sich von jeher seine Götter selbst geschaffen. Bei den Urvölkern wurden die Naturkräfte wie Blitz und Donner als Ausdruck göttlicher Eigenschaften gefürchtet und verehrt. In der griechischen Mythologie war der Olymp bevölkert mit vielen Gottheiten, die alle möglichen menschlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen widerspiegelten.
Heute sind es für viele die Idole des Fernsehens, des Fußballs und des Konsums, die als Götterersatz verehrt werden, denn der Mensch sehnt sich nach Verehrung, sowohl nach eigener als auch fremder. Da in der modernen Gesellschaft viele nicht mehr an einen herkömmlichen Gott glauben, werden ihnen die neuen Götter über die Werbung und andere moderne Wege vorgegaukelt und nahe gebracht.
Schon in den frühesten Zeugnissen menschlichen Lebens finden wir Hinweise auf kultisches Tun, auf die Verehrung von Geistern und Mächten, vor denen der Mensch Angst hat.
Aus Angst vor ihrem Zorn schuf sich der Mensch Verhaltensregeln, denn er wußte in seinem tiefsten Innern, wir nennen dieses Wissen „Gewissen“, daß er durch sein Fehlverhalten gegen göttliche Gesetze verstieß; die er seinerzeit vielleicht noch nicht ausformuliert hatte, aber heute nennen wir diese Gesetze ganz schlicht die 10 Gebote.
Uns wurde überliefert, daß Moses diese als Gesetzestafeln am Berge Sinai von Gott erhalten habe, aber ich bin davon überzeugt, daß diese Gebote zu diesem Zeitpunkt längst religiöses Gedankengut der damaligen Kulturen war, und diese Darstellung nur zur Untermauerung des Glaubens so fixiert wurde.
Bereits im alten Ägypten war all das, was in den 10 Geboten gesagt wird, in dem Begriff von Ma’at Allgemeingut der Religion.
Da solches Wissen, wie bereits gesagt, im tiefsten Inneren des Menschen vorhanden ist, hat der Mensch in den verschiedensten alten Kulturen dieses Wissen mündlich als Mythen an eingeweihte Personen weitergegeben. Ursprünglich waren dies die Schamanen und später entstanden daraus die Priesterkasten.
Vor ca. 350 Jahren schrieb Johann Amos Comenius (1592-1670) in seiner Schrift: „Vorläufer der Pansophie“ (Prodomus pansophiae):
„Wir wollen, daß man bei der Abfassung eines pansophischen (also gesamt-wissenschaftlichen) Werkes alle, die über Frömmigkeit, Sitten, Wissenschaften und Künste erklärend geschrieben haben, ohne Rücksicht darauf, ob einer Christ oder Mohammedaner, Jude oder Heide sei und welcher Religion er auch immer angehört habe, ob er Pythagoräer, Akademiker, Peripatetiker, Stoiker, Essäer, Grieche, Römer, alt oder modern, Doktor oder Rabbi gewesen sei, jede Kirche, Synode und Vereinigung - daß man, sage ich, alle gleichermaßen zuläßt und anhört, was sie Gutes bringen.
Dieses raten wir, weil das, was wir erarbeiten, eine Schatzkammer der gesamten Weisheit aller Menschen ist, und die das Menschengeschlecht gemeinsam besitzen soll.
Es ist also recht und billig, daß alle begabten Köpfe, alle Völker, Religionen und Zeitalter ihren Beitrag zu leisten haben. Wir sitzen hier alle, die wir in die Welt geschickt worden sind, im gemeinsamen Amphitheater der Weisheit Gottes, und uns Christen leuchtet in gleicher Weise das uns geschenkte Licht der göttlichen Offenbarung.
Warum also sollte es nicht jedem, auch dem Geringsten, erlaubt sein, mit bescheiden ausgestreckter Hand und maßvoller Stimme die übrigen an all das Bemerkenswerte zu erinnern, das er zu sehen glaubt?
Es ist doch nicht wahrscheinlich, daß nur einem oder einigen wenigen in dem einen oder anderen Jahrhundert etwas zu sehen beschieden sei, allen übrigen aber nichts, sondern daß der Große Meister so, wie kein Land alles allein hervorbringt, aber doch jedes Land etwas, und zwar auch zu verschiedenen Zeiten, den Geistern verschiedene Funken seines Lichtes in verschiedenen Völkern, Religionen und Zeitaltern zukommen läßt.“ (Zitatende)
Diese Aussage ist auch heute noch weitgehend Zukunftsmusik, obwohl ca. 40 Jahren der bisher wohl letzte gute Versuch mit dem „2. Vatikanischen Konzil“ von Papst Johannes XXIII. in die Wege geleitet und von Paul VI. in dessen Sinne beendet wurde.
Johannes XXIII war ein weiser und fortschrittlicher Geist, leider ist er zu früh gestorben, so daß sich die bewahrenden konservativen Kräfte wieder durchsetzten und nun diesen begonnenen Entwicklungsprozeß hemmen.
Bei dem genannten Konzil sollten nicht, wie bisher, fremde Lehren abgewehrt und verurteilt werden, auch sollten keine unfehlbaren Wahrheiten formuliert und als Dogma verkündet werden.
Zu keiner Zeit der Menschheitsgeschichte war der Zugang zu religiösen Quellentexten und „Heiligen Schriften“ so einfach und direkt möglich wie heute. Koran, Bibel, Tao Te King, Indianische Weisheitslehren, Konfuzianischer Kodex und viele andere Lehren waren vor noch nicht allzu langer Zeit – wenn überhaupt – ausschließlich den Menschen des jeweiligen Kulturkreises zugänglich. Während des 20. Jhdts. hat sich diese Situation völlig verändert.
„Esoterisch, also verborgen“, „geheim“, „mündlich überliefert“ im Sinne von „nicht zugänglich“ gibt es nicht mehr.
Obwohl wir uns heute ein nahezu lückenloses Wissen über alle geistlichen und geistigen Strömungen aller Kulturen verschaffen können und als die informierteste Gesellschaft gelten, sind wir gleichzeitig die ahnungsloseste Gesellschaft, die je existiert hat.
Inwieweit diese totale Zugänglichkeit der Quellen, aus denen die Denker und Lehrer aller Religionen geschöpft haben, die Menschheitsentwicklung weiterbringt, bleibt ungewiß und ist sicherlich nur individuell zu beantworten.
Die Menschen lassen sich solange am besten manipulieren, solange sie wenig wissen. Damit nun diese Bestrebung verschleiert wird, aber trotzdem der subjektive Eindruck der bestmöglichen Information entsteht, sind die Ablenkungstaktiken so geschickt angelegt, daß sie nicht ohne weiteres erkannt werden sollen. Diese Aussage möchte ich nicht nur auf die Religion beziehen.
Andererseits ist die Fülle der Quellen so verwirrend und unüberschaubar, daß die meisten Suchenden letztendlich im guten Glauben an die „wahre Lehre ihres Gurus“, diesem blind folgen müssen und werden.
1999 war in Deutschland eine totale Sonnenfinsternis zu beobachten. Ein solches Naturschauspiel wurde gleichnishaft von Williges Jäger in seinem Buch „Geh den inneren Weg“ folgendermaßen beschrieben:
„Religion ist mit dem Mond zu vergleichen, der die Erde beleuchtet, aber seine Kraft von der Sonne bekommt. Er hat aus sich heraus keine Kraft. Sein Leuchten ist nur der Widerschein der Sonne. Wenn der Mond sich zwischen Sonne und Erde schiebt, gibt es eine Sonnenfinsternis, und es wird dunkel auf der Erde.
Das Göttliche ist mit der Sonne zu vergleichen. Es strahlt die Religion an, damit sie dem Menschen leuchtet und ihn im Dunkel seines Suchens begleitet. Wenn die Religion sich aber zu wichtig nimmt und sich zwischen Gott und Mensch schiebt, verdunkelt sie Gott. Es gibt eine Gottesfinsternis. Das gilt für alle Religionen.“
Im gleichen Buch gibt er noch ein weiteres anschauliches Bild.
Ich zitiere: „Die Religionen sind mit Glasfenstern vergleichbar. Sie bleiben dunkel, wenn sie nicht von der hinteren Seite durch das Licht erhellt werden. Dieses Urlicht ist dem Verstand und den Sinnen nicht greifbar. Im Glasfenster aber bekommt es Struktur und wird für den Menschen erkennbar. Wir sollten jedoch nie vergessen, daß nicht das Glasfenster das Letzte ist, sondern das Licht, das dahinter leuchtet. Religion hat oft die Tendenz, ihre Anhänger auf die Strukturen des Fensters festzulegen.
Nur wenige sagen ganz offen, daß heilige Schriften, Symbole und Riten nur die Finger sind, die auf den Mond zeigen, aber nicht der Mond (die Wahrheit) selbst. .... Es bleibt daher für die Religionen wichtig, ihre Begriffe, Symbole und Bilder durchsichtig zu halten, damit sie das, was sie offenbaren wollen, nicht verdecken. Das gilt für die vielfältigen Gruppierungen im Buddhismus genau so wie für die theistischen Religionen.
Ohne Religionsfrieden wird es keinen Weltfrieden geben, sagt Hans Küng und ein jeder sollte dem großen Ziel zum Frieden für alle Menschen - wie er jedes Jahr zur Weihnachtszeit beschworen wird – beitragen!
Mein Wunsch ist, daß sich die Menschheit besinnt und diese große Vision, die sowohl bei J.A. Comenius, als auch bei Johannes XXIII., aber auch bei vielen anderen zum Ausdruck kommt, verwirklicht wird.
Mit Recht sagt einer der besten Kenner der Kirchengeschichte, Ignaz Döllinger: „In fast unabsehbarem Umfang ist von den Herrschenden wie von der Masse, von den Lehrern wie von den Zöglingen, von Wissenden und Unwissenden, dieses höchste Gebot nicht verstanden, sogar ignoriert und übertreten worden.“
Ignaz Döllinger bezieht sich mit dieser Aussage m. E. vor allem auf die christl. Lehre, deshalb möchte ich hinzufügen, daß dies so ist hat seine Ursache darin, daß das Christentum nicht esoterisch, sondern exoterisch gelehrt wird.
Wir streben zur Zeit das vereinte Europa an, und täglich kann man von irgendwelchen Anfeindungen der Menschen untereinander lesen, sehen oder hören.
Deshalb sind alle Menschen, die guten Willens sind, aufgefordert, die Religion des anderen zu achten, wie es bereits Lessing in seinem literarischen Werk: „Nathan der Weise“ ausdrückte und mit der Ringparabel zur religiösen Toleranz aufforderte.
Dies wurde mir vor Jahren in Toledo in Spanien bewußt. Dort sah ich im Schaufenster eines Juweliers ein wunderschönes Schmuckstück, das an die Zeiten erinnerte, als die Mauren in Spanien herrschten und die Anhänger der verschiedensten Religionen friedlich zusammenlebten.
Es waren die Symbole der drei mosaischen Weltreligionen vereinigt, nämlich das christliche Kreuz, der jüdische Davidsstern und der islamische Halbmond.
In China steht ein Denkmal, das aus dem 7. Jhdt. stammt, es heißt der Stein von Hsi-an-fu.
Die Embleme der drei Religionen Chinas, die Drachen des Konfuzianismus, die Wolken des Taoismus, die Perle und der Lotuskranz des Buddhismus umschließen das christliche Kreuz zum Zeichen dafür, daß alle diese Religionen ihre Erfüllung in dem finden, der in der Bergpredigt von sich gesagt hat: „Glaubt nicht ich sei gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen“ (Matth. 5,17).
Wie ein Orchester durch die Vielzahl der unterschiedlichen Instrumente eine harmonische Musik spielt, die Laute erst durch die verschiedenen Saiten eine Melodie ermöglicht; so ist die Vielfalt der Religionen in den mannigfaltigen Ausprägungen und Gottesverehrungen, das, was Jesus mit dem Wort: „In meines Vaters Haus gibt es viele Zimmer“ ausgesprochen hat.
Zusammenfassend möchte ich zum Schluß das „Religiöse“ an dem Bilde des uns allen bekannten Rades eines Ackerwagens aufzeigen.
Der äußere Reifen sind alle Menschen in ihren verschiedensten Religionen.
Die Speichen stellen die einzelnen Religionen und Lehren, mit ihren Propheten und Heiligen, also den Weg, dar.
Die Nabe ist die Verdichtung dessen, was alle gemeinsam lehren, nur eben in unterschiedlichen Interpretationen. Und die Achse ist Gott, um den sich alles dreht.
Unser aller Weg geht vom äußeren Reifen über die Speichen zur Nabe, um in die unmittelbare Nähe Gottes zu kommen.
Möge ein jeder Mensch, auf seinem ihm eigenen Weg, nicht nur seinem Ziel näher kommen, sondern dieses Ziel irgendwann erreichen, um seine ewige Heimat zu finden.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Amos