Shaping schrieb:
Das Problem, das ich sehe, liegt darin, dass diese Körperfunktionenregulationszentren
ja auch Bewusstsein bewirken, und zwar Gefühle wie Hunger, Durst, Pipibedürfnis,
Angst/Ärger (über den Blutdruck), etc.
Aber all diese Gefühle sind ausgeblendet,
weil die aufsteigenden Bahnen von diesen Zentren im Schlaf ausgeschaltet sind.
Wieso sollen sie dann nach deiner Theorie dennoch aktiv sein?
Ist das so ?
Und ist diese Blockade der aufsteigenden Bahnen total oder partiell ?
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ein Schlafengehen mit überfülltem Magen
eine unruhige Nacht mit teils recht wüsten Träumen nach sich zieht und eine
überfüllte Blase eine Neigung der Trauminhalte zum Thema Harnlassen auslöst,
wird man wohl nicht von einer lückenlosen Blockade ausgehen dürfen.
Hier scheint eine stärkere Differenzierung angebracht.
Das zweite Problem ist, dass ich nicht denke, dass ein derartiger Input
Bilder und Bedeutungen erzeugen soll, da er mit Körpergefühlen zu tun hat
(für den Fall, dass du das erste Problem irgendwie lösen solltest).
Dies wäre Synästhesie, und soviel ich weiß, tritt das nur bei sehr wenigen auf.
Dieses Problem resultiert daraus, dass eben gewisse Annahmen getroffen werden,
von denen fraglich ist, ob sie auch zutreffen.
Sind diese Annahmen abgesichert ? Wodurch ?
Haben wir denn nicht eine Fülle von wechselseitigen Einflussnahmen verschiedener
Funktionskomplexe ?
Die wechselseitigen Einflussnahmen erfolgen teilweise durch direkte Verbindungen
und teilweise auch über eine oder mehrere Zwischenstufen.
Warum sollte denn von Körperfunktionen kein Abruf von eingeprägten Bildern
angestossen werden können, wenn diese Bilder aufs engste mit den Körperfunktionen
verknüpft sind ?
Ein wenige Tage altes Baby kann praktisch nur Bilder abrufen, die ausschliesslich
von Körperfunktionen geprägt wurden. Beim Erwachsenen steht dann zwar eine grössere
Vielfalt an Bildern zur Verfügung, aber bei der Formung eines jeden Bildes waren
im Hintergrund auch die Körperfunktionen "mit von der Partie"
(weil so ganz nebenbei der Körper ja auch immer mitgelebt hat).
Und drittens kommt aus dem Hirnstamm, wo diese Inputs herkommen sollten, auch die
Steuerung des allgemeinen Aktivitätsniveau des Gehirns.
(Aus der formatio reticularis.)
Diese Aktivierung ist unspezifisch und führt zu keinen Traumbildern, wenn wir im
Wachzustand die Augen schließen,
was nach deiner Theorie jedenfalls zu erwarten wäre.
Aus der von mir skizzierten Modellvorstellung sollte diese Schlussfolgerung
nicht abzuleiten sein.
Was genau, hat zu dieser Schlussfolgerung verleitet ?
Und viertens treten Träume in den REM-Phasen auf.
Diese sind über den Schlaf verteilt und nicht nur vor dem Aufwachen.
Weckt man jemand aus einer REM-Phase, hat er meistens eine Traumerinnerung.
Nach deiner Theorie würde das heißen, dass die REM-Phasen Zwischenstufen
zum Aufwachen sind, was aber Nonsens ist, da man danach ja meist weiterschläft.
Meine Modellvorstellung erfordert nicht einen einmaligen vollständigen Übergang
vom Schlafzustand auf den Wachzustand.
Ein mehrmaliges Auf-und-Ab der Aktivitätsgrade ändert nichts am skizzierten
Wirkungsmechanismus, sondern zieht eben ein mehrmaliges Durchleben gleicher oder
verschiedener Traumformen nach sich.
Des weiteren frage ich mich, was du für ein Problem damit hast,
dass sich das Gehirn im Schlaf optimiert.
Logischerweise bietet sowas einen erheblichen Überlebensvorteil,
und es würde sehr gut zu den REM-Phasen passen, wo das EEG äußerst aktiv ist,
mit höheren Frequenzen als im Wachzustand.
Mir ist gar nicht bewusst, dass ich gegen das Konzept einer Optimierung schon
Einwände erhoben habe.
Wann und womit habe ich das ?
Abschliessend möchte ich nocheinmal betonen, dass meinen Vorstellungen generell
die Annahme einer sehr starken Verflechtung von Funktionskomplexen zugrundeliegt.
Das gilt auch für stark unterschiedliche Kategorien wie Steuerung von Basisfunktionen
(Körperfunktionen und Bewältigung der Interaktionen mit der Umwelt) mit höheren
Funktionen des ZNS (Gedächtnis, Bewusstsein, etc.).
Diese Annahme erscheint schon allein aus entwicklungsgeschichtlicher Perspektive
naheliegend, weil das ZNS ursprünglich ja ausschliesslich die Steuerung der
Basisfunktionen zu bewerkstelligen hatte. Erst im Laufe von mehreren hunderttausend
Jahren haben sich nach und nach höhere Funktionen an die Basisfunktionen angelagert.
Eine strikte und lückenlose Isolation zwischen diesen Funktionenkategorien wäre
entwicklungsgeschichtlich nur sehr schwer zu erklären.
Auch die vielfältigen wechselseitigen Beeinflussungen von Psyche und Soma lassen
die Annahme einer starken Verflechtung geraten erscheinen.
lg nase