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Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschritt?

AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschritt?

Schade Robin, dass du deine Logik als absolute Wahrheit betrachtest - andere Argumente als scheinobjektive Tatsache abtust.
Nun sei nicht gleich beleidigt, Miriam. Meine Einwände sind nicht absolut. Aber ich halte sie für eingehenswert.
Ich habe mir die Mühe gemacht, aufzulisten, welche deiner Tatsachen ich als scheinobjektiv betrachte. All das Geraune von irgendwelchen Gruppen, die nicht das beste für die Gesellschaft wollen. Und diese doch sehr allgemeine Annahme, dass alles immer problematischer wird usw.
Natürlich gibt es ein Spannungsfeld zwischen Politik und Wissenschaft. Aber weniger als die Frage, was für eine Ethik wir brauchen, ist doch die Frage, wer Ethik bestimmen soll und aufgrund welcher verschwommener Prinzipien? Welche Funktion soll Ethik haben, wenn nicht als Bestandteil irgendwelcher Appelle, deren Adressaten nur sehr verschwommen bestimmbar sind?

Ich fand meine Auslassung angesichts der Klopper, die hier manchmal so losgelassen werden, für recht harmlos, entschuldige mich aber dennoch für meine nicht zu leugnende Arroganz :blume1:
 
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AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschrit

Sie beruht auf Ausbeutung, ja, wenn man dieser etwas vereinfachten These von der "Verschiebung von Armut" denn folgen will. Aber ist "Ausbeutung" etwa etwas Technisches?
Ein Gutteil unseres Wohlstandes beruht durchaus auch auf inländische, extrem rationalsierte Produktionen. Das wiederum birgt andere Probleme - die wiedrum die Politik lösen muss.
Es kann doch nicht so schwer sein, zwischen Politik und Wissenschaft und anderen Gesellschaftfeldern zu trennen, ohne Wechselwirkungen zu negieren?!

Ausbeutung ist nichts Technisches, aber Technik generiert sich nicht aus dem luftleeren Raum.

Um eine Technik, wie gut und sinnvoll auch immer, überhaupt für uns nutzen zu können, müssen erst die Rohmaterialien dafür vorhanden sein.

Wissen allein ist nichts.

Du kannst ohne die geeigneten Rohmaterialien mit allem technischen Wissen nicht einmal eine einfache Glühbirne herstellen.

Die inländische Produktion ist gut und wertvoll, aber der Arbeiter, der sie schafft, muss sich sein gutes Leben mehrheitlich aus Gütern schaffen, die nicht hier produziert werden.

Wir können uns unsere eigenen Güter nicht leisten.

Es ist eine einfache Milchmädchenrechnung:

Ich kann mir meine Hühnereier nicht selber abkaufen und damit ein Geschäft machen, sondern muss mein Produkt teurer verkaufen als ich es hergestellt habe.

Die hier an der untersten Stelle in der Produktion stehen, erwerben mittels günstigen Importbedingungen (die ja gegenüber Drittweltländern einseitig sind - von "freiem Handel" keine Spur) Bedarfsgüter billig und leben so fast den selben Lebensstandard wie ihre besserverdienenden Landsleute.

Weite ich dieses Konstrukt aber aus, und gelten die selben Arbeits-und Verdienstverhältnisse auch in den jetzigen Billigländern, dann werden sie nicht mehr billig produzieren können, und das ganze System floppt.

Es ist eine Verschiebung, die man da gern in Kauf nimmt, weil man sich für tüchtiger und fleißiger hält als den Rest der Welt.
 
AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschritt?

Schon gut Robin, ich weis deine Worte sehr zu schätzen - lass uns morgen weiter diskutieren - von mir aus so kontrovers wie du es für richtig oder nötig hältst, aber ohne jede Arroganz.
Ach, war das schön mal zurückzuschlagen!


:sekt: bis morgen!

Miriam
 
AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschritt?

Auch das halte ich für eine etwas kurzsichtige Analyse.

Also eine "Analyse" wollte ich sowieso nicht abgeben, Robin. Meine Ansicht zur Schere zwischen arm und reich bezog sich auf die Welt insgesamt, nicht auf einige fortgeschrittene Länder wie Deutschland, die Schweiz u.ä.

Man kann genauso argumentieren, dass Technik gerade den Zugang zu allem möglichen auch für relativ unbegüterte Personenkreise ermöglicht hat.

Überall auf der Welt?
Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten ist es ein Anachronismus, dass immer noch Hunderte Millionen Menschen auf der Welt hungern, kein Trinkwasser haben, an Seuchen zugrunde gehen etc. Und statt den Menschen etwa in Afrika Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, verkauft man korrupten Machthabern Waffen.

Das heutige kapitalistische System, im Weltmassstab gesehen (Globalisierung), ist nicht darauf bedacht, Unterschiede abzubauen, sondern sie auszunutzen.

Fühlst du dich ausgebeutet, mit deinen schönen Urlauben in den Alpen?

Frag doch z.B. mal aus Osteuropa eingewanderte Leute aus dem Gaststättengewerbe, denen selbst in der reichen Schweiz nicht einmal der Mindestlohn gezahlt wird, ganz abgesehen von der Arbeitszeit!

Grüezi von
Hartmut
 
AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschritt?

Hallo Robin!

Was kannst du an meinen Beiträgen nicht verstehen?
Einmal „ich“ und einmal „wir“. Das liegt daran, dass ich dort, wo ich mich als Einzelwesen einbringen kann „ich“ sage, dass ich dann dort, wo ich mich als Teil der Gemeinschaft erlebe „wir“ sage. Ist das wirklich so unverständlich?

Das sind ja zwei verschiedene Verantwortungsbereiche. Das eine Mal kann ich ziemlich frei nach meinem individuellen Wertekatalog entscheiden, das andere Mal – z.B. in der Kommunalpolitik – versuche ich auch die Interessen einer Gruppe in meine Entscheidungen miteinzubeziehen.

Ein Idealbild, das unsere Entscheidungen beeinfluss, ist da. Bei jeder Wahl von Volksvertretern gibt es ein Programm mit Zielen, die die jeweilige Partei anstrebt. Die Wähler entscheiden, welche Ziele sie unterstützen wollen. Das sind für mich Idealbilder, die angestrebt werden sollen. Und über den Interessensgruppierungen gibt es auch noch eine Verfassung und die Menschenrechte, und und und……. Eine ganze Menge Idealbilder.

Ich frage mich nach wie vor, an wen "ihr" euch wendet, wenn ihr sagt "wir" müssen handeln, z.B. bei Gentechnik oder Atomkraft in ethisch verträglicher Weise. Es gibt keine Adressaten für diese Appelle und es gibt noch nicht mal einen Absender, weil es das "wir" nicht gibt.
Wir handeln nicht, wir reden nicht, wir urteilen nicht.
Sondern Individuen tun dies und soziale Systeme, "tun" dies.
Das „wir“ gibt es schon. Es ist nicht von vornherein da, aber es kann sich rasch entwickeln. Es gibt doch immer wieder Bürgerinitiativen, in denen sich eine gewisse Anzahl von einzelnen Menschen zusammenschließen, um ihrem gemeinsamen Anliegen ein größeres Gewicht zu verleihen. Es entsteht auch ein „wir“, wenn auch nur mehrere Menschen unabhängig voneinander ihre Meinung laut kundtun und es sich herausstellt, dass diesen Einzelmeinungen übereinstimmen. Das geschieht ja auch immer wieder. Es geschieht als aktive Initiativen für den Erhalt eines bestimmten Lebensbereiches z.B., oder es geschieht als Widerstand gegen ein geplantes Projekt.

M.E. kann man aber die Interessen einer Gemeinschaft sowieso nicht von den Interessen des Individuums getrennt betrachten. Wenn ich es z.B. als wichtig betrachte, dass ich pestizidfreie Lebensmittel zur Verfügung habe, dann setze ich mich auch dafür ein, dass Bedingungen vorliegen müssen, damit solche Lebensmittel auch produziert werden können. Ich muss mich allerdings als ICH dazu hergeben, um dieses WIR auch möglich zu machen.

Ich würde es schon als gesellschaftlichen Fortschritt betrachten, wenn die Menschenrechte auf er ganzen Welt in der Gesetzgebung mitberücksichtigt würden. Damit folgten wir einem Idealbild, das höchstwahrscheinlich nicht nur mein individuelles ist. So hoffe ich wenigstens.

:blume1:
 
AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschrit

hallo, forianer!

zu einem vorangegangenen beitrag hier: sklaven in der antike hatten es zum teil besser als hartz-iv-empfänger heute! gerade in griechenland war die gentilordnung noch nicht in ihr endstadium getreten wie in rom. sklaven wurden nicht misshandelt oder öffentlich gedemütigt. der griechische sklave in den aristokratenhäusern besaß bessere verhältnisse als die halbfreien tagelöhner in den attischen bergwerken!

nun zum eigentlichen thema:

es gibt gerade im bezug auf die neue wissenschaft der psychohistorik einige ernstzunehmende theorien, die sich mit dem fortschrittsbegriff und der beeinflussung von wissenschaft und gesellschaft befassen.

davon angeregt, habe ich mir eine mathematische definition des fortschritts gestellt: der fortschritt ist die erste ableitung der gesellschaftsstrukturendichtefunktion nach der zeit, also: dGsd/dt=F

sicher werden die meisten diese definiton verdammen, da sie die sozialen strukturen und geistigen gebilde, die geschichte gesamt angeblich "entmenschlicht" und in abstraktionen zusammenfasst. aber ich finde, es ist zeit, jetzt im dritten jahrtausend, die sozialwissenschaften zu vereinigen, genauso wie es die naturwissenschaftler mit ihrer GUT versuchen.

fortschritt seh ich als chronologische entwicklung menschlicher strukturen an, die verbreitung von idee, entdeckungen und institutionen, den so genannten "Memen"!
deshalb kann die fortschritt-zeit-funktion auch einen negativen anstieg besitzen.
 
AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschritt?

Ganz kurz und knapp:
Nein!

Meine Meinung:
Je mehr wir uns wissenschaftlich vorwärts bewegen, desto mehr entwickelt sich die Menschheit zurück.

Wie heißt es so schön "Wir zerstören uns selbst, weil wir einfach nie zufrieden sind"
Klingt dramatisch, weiß ich doch :) , aber im Grunde stimmt es doch.

Ich mag gar nicht so hochgreifend über Atombomben schreiben, ich meine damit eher die kleinen Dinge des Lebens von denen wir uns abhängig machen. Die sind für manche schon so selbstverständlich, dass oft nur "große" Dinge genannt werden. Wieso?

Meistens denke ich bei sowas an den medizinischen Bereich. Warum nur?
Weil er sowohl schadet als auch nutzt? Hm ist aber eigentlich mit allen Dingen möglich oder? Dennoch finde ich dort sind die meisten Beispiele zu finden, wo Fortschritt uns schadet und wo man sich ethische Gedanken machen sollte.

LG
Sal
 
AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschrit

Es ist eine einfache Milchmädchenrechnung:

Ich kann mir meine Hühnereier nicht selber abkaufen und damit ein Geschäft machen, sondern muss mein Produkt teurer verkaufen als ich es hergestellt habe.

Die hier an der untersten Stelle in der Produktion stehen, erwerben mittels günstigen Importbedingungen (die ja gegenüber Drittweltländern einseitig sind - von "freiem Handel" keine Spur) Bedarfsgüter billig und leben so fast den selben Lebensstandard wie ihre besserverdienenden Landsleute.

Weite ich dieses Konstrukt aber aus, und gelten die selben Arbeits-und Verdienstverhältnisse auch in den jetzigen Billigländern, dann werden sie nicht mehr billig produzieren können, und das ganze System floppt.
Ich streite die Ungerechtigkeiten im Handel mit der "dritten" Welt nicht ab. Ich fände es aber lohnenswert, diese Milchmädchenrechnung genauer unter die Lupe zu nehmen, was ich nicht kann. Ich vermute, dass der Anteil unseres Wohlstandes, der auf "Ausbeutung" beruht, geringer ist als gemeinhin angenommen. Ich vermute auch, dass die Ursachen für Armut in den Drittweltländern zu einem größeren Anteil an internen Strukturen dort liegen, als dies früher zugegeben wurde. Ich vermute also, dass es komplizierter ist, als nur zu sagen, wir leben auf Kosten von "denen", wenn auch sicher alles zusammenhängt.
Man kann auch nicht einfach Rechnungen aufstellen im Sinne von "was wäre wenn". Der Skandal der Armut, Hunger und Tod in der dritten Welt ist da - und was hat man nicht alles versucht :confused:

Es ist eine Verschiebung, die man da gern in Kauf nimmt, weil man sich für tüchtiger und fleißiger hält als den Rest der Welt.
Diese Haltung kenne ich und würde sie mir nicht anmaßen. EIn Einzelner sollte sich das nicht anmaßen. Aber vieles am westlichen System dennoch hochzuschätzen, das tue ich doch. Denn selbst wenn man deiner Rechnung folgt, so lassen sich die Erfolge von Wissenschaft, Rechtssystem, demokratischen Strukturen usw. nicht dadurch generell diskreditieren.
 
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AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschritt?

Meistens denke ich bei sowas an den medizinischen Bereich. Warum nur?
Weil er sowohl schadet als auch nutzt? Hm ist aber eigentlich mit allen Dingen möglich oder? Dennoch finde ich dort sind die meisten Beispiele zu finden, wo Fortschritt uns schadet und wo man sich ethische Gedanken machen sollte.

LG
Sal
Also gerade beim medizinischen Bereich verstehe ich das überhaupt nicht. Hier schreiben doch auch viele ältere Forianer, die mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor 100 Jahren kaum das Alter, geschweige denn in der Fitness erreicht hätten, um noch rege am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen? Grauenhafte Krankheiten hätten auch mich 40-jährigen schon gezeichnet. Ich hätte keine Zähne mehr, kaputte Knochen, Würmer, vernarbte Haut. Jede Grippe könnte mich mit hoher Wahrscheinlichkeit dahinraffen...:haare:
In den Gesundheitssysteme knirscht es, aber das kann man kaum medizinischer Forschung anlasten. Wer bestimmte medizinische Errungenschaften nicht nutzen will, der hat die Freiheit es zu lassen. Meine Generation wird angeblich im Schnitt 93 Jahre alt werden. Das finde ich problematisch. Für mich, für die Gesellschaft. Aber ist doch der Medizin nicht anzulasten, oder doch?
 
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