AW: Wissenschaftlicher Fortschritt – ist er immer auch gesellschaftlicher Fortschrit
Es gibt keine homogene Gesellschaft, in der alle darin lebenden Individuen gleich von etwas profitieren, schon gar nicht, wenn du eine weltumspannende Gesellschaft der Menschen an sich meinst.
Es gibt da Gewinner, die von solchen Errungenschaften profitieren, und Verlierer, die darunter leiden. Das sind kaum jemals die selben Menschen.
Auch bei der Ethik geht es um nichts anderes.
Was ist Ethik?
Wer soll davon profitieren und wer nicht?
Ich kenne keine wissenschaftlichen Errungenschaften von denen NIEMAND profitiert.
Ist man unter den Profiteuren, dann ist es Fortschritt....
Hallo!
Deine Sichtweise ist erfrischend, denn man muss sehen, dass man mit moralischen Appellen nicht weiterkommt und kann inzwischen auch sehen, warum das so ist.
1. Z.B. indem man den Begriff "gesellschaftlicher Fortschritt" durch den Begriff
gesellschaftliche Evolution ersetzt. Evolution aber zielt nie auf ein höheres moralisches Ziel. Sie passiert einfach. IN der Regel wird im
Nachhinein normativ bewertet. Oder es werden moralische Intentionen unterstellt, die nie die waren. Die moralische Bewertung der Atombombe kann, wie du gezeigt hast, in zwei Richtungen erfolgen. Sie hat eine positive wie negative Seite. Es ist nur die Frage: Wer bezeichnet und warum?
2. Ethik ist nur eine weitere Art wie man Kommunikation codieren kann. Und auch dann kann man fragen: Wer profitiert von der "Moralisierung" und warum? Oder man kann paradox formulieren: Ist es in einem bestimmten Fall moralisch zu moralisieren?
Zum Thema verweise ich im Übrigen auf einen etwas älteren
Thread
Es gibt nun mal keinen objektiven Standpunkt, von dem man beurteilen kann, was fortschrittlich ist und was nicht.
Zum Beispiel das Handeln der Gewerkschaften: Die Einführung und der Ausbau von Gewerkschaften wurde lange diskussionslos (bis auf ein paar Reaktionäre) als Fortschritt gepriesen.
Jetzt sehen wir, dass in einer veränderten Weltlage und unter veränderten Beobachtungsbedingungen gewerkschaftliches Handeln als negativ beurteilt werden
kann. Was früher die Wahrnehmung von Arbeitnehmerrechten war, kann nun als Besitzstandssicherung und Bremse in der Eingliederung von Arbeitslosen gesehen werden.
UNd so kann es mit jedem jedem
Fortschritt passieren, ob wissenschaftlich oder nicht. Man sieht dann in der Gegenwart, dass in der Vergangenheit etwas passiert ist, das so und so bewertet wurde und heute eben anders bewertet wird. Man sieht dass die
Bewertung als
Fortschritt eine normative Momentaufnahme mit Verfallsdatum war.