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Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

Servus Arthur :-)
Es gibt so eine Instanz in uns, die darauf aufmerksam macht, dass die Verhältnisse nicht so sind, wie sie sein sollten.
Sein sollen die Verhältnisse, wie sich diese Instanz das aus einer Mischung von Überlebenstrieb, Schamvermeidung, Erfahrungen, etc... zusammengedacht hat.

Mir persönlich fällt dies beim körperlichen Training auf: Die Muskeln führen ihre koordinierten Bewegungen aus und diese Instanz jammert dahin, dass alles so anstrengend ist und wie lange das noch dauert, usw., obwohl sie überhaupt nichts zu den Bewegungen beiträgt, ja nicht einmal eine Ahnung hat, wie man die Muskeln koordiniert.

Das ist auch die Instanz, der gesagt sei: "Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen!".

Jedenfalls sollte man diese Instanz nicht allzu ernst nehmen und zum Schweigen kann man sie bringen indem man ihr Gejammere künstlerisch verwertet; ich nehme an, das haben Camus und Cioran getan, oder eben durch körperliche Übungen, bei denen man ihrer Natur bewusst wird, etc...

Übrigens sind deine Texte sehr schwer zu lesen, weil du anscheinend einen Editor benutzt, der bei 80(?) Zeichen einen Zeilenumbruch durchführt, oder postest du von einem Unix-System?
 
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AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

Hallo oktoberwind,

oktoberwind:
Schopenhauer, Nietzsche in seiner Nachfolge noch deutlicher und auch Camus wussten sehr wohl, warum sie nicht aus dem nächstbesten Fenster sprangen. Bei aller Mühe des Daseins - der Mensch kann im Sinn verleihen durch seine Kreativität.
Und Cioran hat noch eine andere (m.E. geniale) Lösung gefunden: Man verleihe dem Leben zuviel Gewicht, wenn man es mit einem Suicid kröne... (genaue Textstelle kann ich bei Bedarf heraussuchen).

Von Nietzsches Werken halte ich sowieso nicht viel. Einige Erkenntnisse die
er erlangte, gehen gerade noch. Aber ich halte ihn nicht fuer einen grossen
Philosophen, sondern mehr fuer einen Poet, deshalb braucht mir niemand mit
diesem Lebensbejaher und "Selbstueberwinder" daherkommen. Allenfalls war
er ein Hanswurst.

Ich spreche ja nicht vom Freitod als Loesung. Ich werde auch der letzte sein,
der anderen diese Handlung als solches ans Herz legt. Aber ich weiss wirklich
nicht, warum sich den Fortflanzungstrieben erliegt, warum weiteres Leben in
die Hoelle (oder war das jetzt potentielles Paradies?) geworfen wird. Das und
nichts anderes ist doppel, ja sogar dreifach absurd. Cioran schrieb: "Alle Ver-
brechen begangen haben, bis auf jenes, Vater zu sein." Ein anderer Aphoris-
mus lautet: "Es lohnt nicht die Muehe sich zu toeten, denn man toetet sich
immer zu spaet." Ds duerfte als doch wohl als angemessene Lebensweise aus-
reichen ... und auch Du wirst darin sicherlich zustimmen.

Weit entfernt, Verneinung des Willens zu sein, ist dieser [der Selbstmord] ein
Phaenomen starker Bejahung des Willens. Denn die Verneinung hat ihr Wesen
nicht darin, dass man die Leiden, sondern dass man die Genuesse des Lebens
verabscheut.Der Selbstmoerder will das Leben und ist bloss mit den Beding-
ungen unzufrieden, unter denen es ihm geworden. Daher gibt er keineswegs
den Willen zum Leben auf, sondern bloss das Leben, indem er die einzelne Er-
scheinung zerstoert.
(Arthur Schopenhauer)

Dem Absurden ins Auge sehen
Ich kann jetzt den Begriff des Selbstmordes zu fassen suchen. Man hat
schon gemerkt, welche Erklärung ihm möglicherweise gegeben werden
kann. Hier liegt das Problem gerade umgekehrt. Vorher handelte es sich
darum zu wissen, ob das Leben, um gelebt zu werden, einen Sinn haben
müsse. Hier dagegen hat es den Anschein, daß es um so besser gelebt
werden wird, je weniger sinnvoll es ist. Eine Erfahrung, ein Schicksal leben
heißt: es ganz und gar auf sich nehmen. Nun wird man aber dieses Schick-
sal, von dem man weiß, daß es absurd ist, nicht leben, wenn man nicht alles
tut, um vor sich selbst am Absurden, das das Bewußtsein zutage gefördert
hat, festzuhalten. Auch nur eine Seite des Gegensatzes, von dem es lebt,
aufgeben heißt: dem Problem ausweichen. Das Motiv der permanenten
Revolution überträgt sich so auf die individuelle Erfahrung. Leben heißt:
das Absurde leben lassen. Das Absurde leben lassen heißt: ihm ins Auge
sehen. Im Gegensatz zu Eurydike stirbt das Absurde nur, wenn man sich
von ihm abwendet. Eine der wenigen philosophisch stichhaltigen Positio-
nen ist demnach die Auflehnung. Sie ist eine ständige Konfrontation des
Menschen mit seiner eigenen Dunkelheit. Sie ist der Anspruch auf eine
unmögliche Transparenz. Sie stellt die Welt in jeder Sekunde in Frage. Wie
die Gefahr dem Menschen die unersetzliche Gelegenheit verschafft, sich
des Bewußtseins zu bemächtigen, so breitet die metaphysische Aufleh-
nung des Bewußtseins sich über die ganze Erfahrung aus. Sie ist die
ständige Anwesenheit des Menschen bei sich selbst. Sie ist kein Sehnen,
sie ist ohne Hoffnung. Diese Auflehnung ist die Gewißheit eines nieder-
werfenden Schicksals, nicht so sehr die Resignation, die sie begleiten sollte.
Hier sehen wir, wie weit die absurde Erfahrung sich vom Selbstmord
entfernt. Man könnte meinen, der Selbstmord sei eine Folge der Aufleh-
nung. Aber zu Unrecht. Denn er stellt nicht deren logischen Abschluß dar.

Er ist dank der Zustimmung, die ihm zugrunde liegt, genau ihr Gegenteil.
Der Selbstmord ist, wie der Sprung, die Anerkennung ihrer Grenzen. Da
alles verloren ist, kehrt der Mensch zu seinem wesentlichen Anliegen
zurück. Er erkennt seine Zukunft, seine einzige und furchtbare Zukunft,
und stürzt sich in sie hinein. Der Selbstmord hebt das Absurde auf seine
Art auf. Er zieht es mit in den gleichen Tod. Ich weiß aber, daß das Ab-
surde, um sich zu behaupten, sich nicht auflösen darf. Es entgeht dem
Selbstmord in dem Maße, wie es gleichzeitig Bewußtsein und Ablehnung
des Todes ist. Es ist in der äußersten Spannung des Gedankens dessen, der
zum Tode verurteilt ist, jenes Schuhband, das er trotz allem ein paar Meter
entfernt liegen sieht, selbst am Rande seines schwindelnden Sturzes. Das
genaue Gegenstück zum Selbstmörder ist der zum Tode Verurteilte.
Revolte

Die Auflehnung gibt dem Leben seinen Wert. Erstreckt sie sich über die
ganze Dauer einer Existenz, so verleiht sie ihr ihre Größe. Für einen
Menschen ohne Scheuklappen gibt es kein schöneres Schauspiel als die
Intelligenz im Kampf mit einer ihr überlegenen Wirklichkeit. Das Schau-
spiel des menschlichen Stolzes ist unvergleichlich. Alle Erwartungen
können ihm nichts anhaben. Diese Zucht, die der Geist sich selber vor-
schreibt, dieser gehörig gehämmerte Wille, dieses Aug-in-Auge haben
etwas Einzigartiges. Diese Wirklichkeit, deren Unmenschlichkeit die
Größe des Menschen ausmacht, entleeren heißt: gleichzeitig sich selber
entleeren. lch verstehe also, warum die Doktrinen, die mir alles erklären,
mich gleichzeitig schwächen. Sie befreien mich von dem Gewicht meines
eigenen Lebens, und ich muß es dennoch allein ertragen. An dieser
Wegbiegung kann ich nicht begreifen, daß eine skeptische Metaphysik sich
mit einer Moral des Verzichts verbinden kann.

Bewußtsein und Auflehnung — diese abschlägigen Antworten sind das
Gegenteil von Verzicht. Allen Eigensinn und alle Leidenschaft, deren ein
menschliches Herz fähig ist, beleben sie mit ihrem Leben. Es geht darum,
unversöhnt und nicht aus freiem Willen zu sterben. Der Selbstmord ist ein
Verkennen. Der absurde Mensch kann nur alles ausschöpfen und sich
selber erschöpfen. Das Absurde ist seine äußerste Anspannung, an der er
beständig mit einer unerhörten Anstrengung festhält; denn er weiß: in
diesem Bewußtsein und in dieser Auflehnung bezeugt er Tag fiir Tag seine
einzige Wahrheit, die Herausforderung. Das ist eine erste Schlußfolgerung.
Wahrhaft absurd.
(Albert Camus)

Das Absurde kann ausgeblendet werden und fuer Triebe Platz schaffen. Oder
man wurde vom Absurden noch nicht angesprungen, stand vielleicht an der
falschen Strassenseite ... dann werden eben noch mehr "Reibeflaechen" ge-
schaffen. Wahrhaft absurd.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Hallo erichs,

erichs:
Jedenfalls sollte man diese Instanz nicht allzu ernst nehmen und zum Schweigen kann man sie bringen indem man ihr Gejammere künstlerisch verwertet
Du willst doch nicht etwa behaupten, dass ich hier jammere? Nein, ich be-
schreibe nur die Tatsachen des Seins. Ganz rational. Unverschoent. Unge-
schminkt. Ohne rosarote Brille, offen und ehrlich zu mir selbst und zu ande-
ren. So wie das Optimisten auch machen, nur mit zu viel unsachlicher
Euphorie. Nur, ich gehe eine andere Richtung. Wenn ich jammern wuerde,
dann wuerde ich mich beklagen, aber dank Klarsichtigkeit gebe ich nur die
vorteilhaften Vorstellungen an: die "Menschenleere", ein "Mond im Mond-
eslicht", "befriedeter Planet". Ueber Ueberlebenstrieben hinweg den "Gatt-
ungssuizid", andere Tierarten gleich mit zu erloesen. Das kann auch aest-
hetisch sein.

erichs:
Übrigens sind deine Texte sehr schwer zu lesen, weil du anscheinend einen Editor benutzt, der bei 80(?) Zeichen einen Zeilenumbruch durchführt, oder postest du von einem Unix-System?
Das ist Gewohnheitssache. Meinerseits. Solange sie vom Inhalt her verstaend-
lich sind.

Gruesse,
Arthur Jules
 
AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

"Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen." So heißt der Schlusssatz bei Camus richtig.
Ich weiß nicht, ob die ganze Diskussion hier hinfällig ist, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen. Kurz vorher erläutert Camus das ja auch:
"Nur lehrt Sisyphos uns die größere Treue, die die Götter leugnet und die Steine wälzt. ... Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.

Ich kann A. CAMUS bezüglich seiner Sisyphos-Interpretation übrigens zustimmen...:D
Und mit Hilfe von EIN- und WITTGEN-stein lassen sich auch große Steine ("Brocken") bewegen/wälzen ...:jump1:
Der blaue moebius
 
AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

Hallo oktoberwind,



Von Nietzsches Werken halte ich sowieso nicht viel. Einige Erkenntnisse die
er erlangte, gehen gerade noch. Aber ich halte ihn nicht fuer einen grossen
Philosophen, sondern mehr fuer einen Poet, deshalb braucht mir niemand mit
diesem Lebensbejaher und "Selbstueberwinder" daherkommen. Allenfalls war
er ein Hanswurst.




Gruesse,
Arthur Jules

... dann erübrigt sich ja jede Diskussion. Wer hier aber dann der Hanswurst ist, lasse ich mal dahingestellt. Jedenfalls hat Nietzsche Bedeutenderes geleistet / geschrieben als viele, die ihn immer wieder zu attackieren versuchen. Was kümmert es den Baum, wenn ein Schwein sich an ihm kratzt?
 
AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

Wieso ist ... der Kampf gegen den Gipfel ? :wut3:

Sisyphos ist betrogen worden; siehe seine Geschichte!

Der Berg wird nicht kleiner durch Wiederaufschichten!
:autsch:
 
AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

..... Jedenfalls hat Nietzsche Bedeutenderes geleistet / geschrieben als viele, die ihn immer wieder zu attackieren versuchen. Was kümmert es den Baum, wenn ein Schwein sich an ihm kratzt?

Volle Zustimmung ! :jump1:
Also sprach moeb....ääääähhhh....Zarathustra...;)
 
AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

Hallo arthur jules,

Du willst doch nicht etwa behaupten, dass ich hier jammere? Nein, ich beschreibe nur die Tatsachen des Seins. Ganz rational. Unverschoent. Unge-
schminkt. Ohne rosarote Brille, offen und ehrlich zu mir selbst und zu ande-
ren. So wie das Optimisten auch machen, nur mit zu viel unsachlicher
Euphorie. Nur, ich gehe eine andere Richtung. Wenn ich jammern wuerde,
dann wuerde ich mich beklagen, aber dank Klarsichtigkeit gebe ich nur die
vorteilhaften Vorstellungen an: die "Menschenleere", ein "Mond im Mond-
eslicht", "befriedeter Planet". Ueber Ueberlebenstrieben hinweg den "Gatt-
ungssuizid", andere Tierarten gleich mit zu erloesen. Das kann auch aest-
hetisch sein.
Da verstehe ich dich nicht so ganz. Müsste eine ganz rationale und unverschoente Ansicht nicht eine GLEICHgültigkeit zwischen Leben und Tod hervorbringen, aber du scheinst die Nichtexistenz zu bevorzugen.
Der Pessimist schaut auch durch eine rosarote Brille, um das zu sehen, was er sehen will, oder?

lg,
fusselhirn
 
AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

Hallo erichs,

zur Kontingenz und zur Kompension des Gejammers eine Textstelle von
Horstmann: Geschichte bedeutet, wie Theodor Lessing formulierte, Sinn-
gebung des Sinnlosen, sie ist ein Kunstprodukt, das Ergebnis unserer
Faehigkeit, uns über das Unheil und das Unvorstellbare des Vergangenen
hinwegzutroesten.

Waere es nicht noetig, muesste es auch nicht durchgefuehrt werden, doch
es wird durchgefuehrt: die Sinngebung des Sinnlosen und die Verwandlung
des Gejammers in Kreativitaet. So ist das, der menschliche Geist schafft sich
etwas, verliert es wieder, und fuellt die Luecke erneut aus ... damit das Ver-
lorengegangene z. B. wenn der Sinngehalt zur Sinnlosigkeit wird, ggf. durch
Kreativitaet und Kunst eingetauscht werden kann.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Hallo oktoberwind,

das ist meine Meinung und wenn Du gegen die was hast, naja ... kann ich
das nicht aendern.

Wie gesagt, Nietzsche schrieb mir zu poetisch. Er waere besser Dichter ge-
worden. Allerdings sagte ich nicht, dass er darin schlecht oder der schlecht-
este gewesen waere. Er war halt nicht der beste, das ist alles. Im Vergleich
zu anderen, konkreteren Philosophen war er eben auch zu optimistisch, wie
ebenfalls Cioran bemerkte und in einem Aphorismus anmerkte: Ich antwortete
ihm [dem fragenden Studenten], daß ich seit langem den Umgang mit ihm
[Nietzsche] aufgegeben haette. [...] Weil ich ihn zu naiv finde. Ich werfe ihm
seine Hingerissenheit vor und sogar seine Momente der Inbrunst. Er hat die
Idole nur gestuerzt, um sie durch andere zu ersetzen. [...] Er hat die Men-
schen nur aus der Ferne beobachtet. Haette er sie aus der Naehe betrach-
tet, so haette er niemals den Uebermenschen aushecken noch preisen koennen.

Wie gesagt, nett zu lesen und an einigen Stellen zutreffend, aber als Gesamt-
erscheinung sind seine Werke nichts fuer mich.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Hallo filosofini,

filosofini:
Wieso ist ... der Kampf gegen den Gipfel ?:wut3:

Sisyphos ist betrogen worden; siehe seine Geschichte!

Der Berg wird nicht kleiner durch Wiederaufschichten!
:autsch:
das frage ich mich auch. An dieser Stelle liegt ja der Hund begraben.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Hallo fusselhirn,

fusselhirn:
Da verstehe ich dich nicht so ganz. Müsste eine ganz rationale und unverschoente Ansicht nicht eine GLEICHgültigkeit zwischen Leben und Tod hervorbringen, aber du scheinst die Nichtexistenz zu bevorzugen.
Der Pessimist schaut auch durch eine rosarote Brille, um das zu sehen, was er sehen will, oder?
das hast Du richtig erkannt!

Lassen wir zunaechst mal Optimismus und Pessimismus beiseite, denn diese
beiden Bewertungen folgen in einem anderen, einen folgenden Schritt.

Ich sage es mal so: erst einmal wird realistisch beschrieben. Ohne Bewert-
ungen. Ungefiltert. Danach wird das unbewertete Ergebnis mit dem Leben
verglichen, und es stellt sich heraus, dass sich eine Konfrontation zwischen
rationaler Beschreibung und Person einschleicht. Diese Konfrontation mit den
Tatsachen ruehrt daher, dass die beobachtende Person eine andere Vorstell-
ung vom Leben hat, und zwar die optimistische Wunschbrille.

Nach Ablegen dieser Wunschbrille und noch waehrend Verinnerlichung der Er-
kenntnis, beginnt sich die Sichtweise zu veraendern. Einst empfand man die
Sicht auf den Tod als unheilvolle Vorstellung. Der Optimismus ist fuer ge-
woehnlich dem Leben reserviert, das liegt schon allein in der gesellschaft-
lichen und kulturellen weitergegebenen Sichtweise und dahinterliegend in der
evolutionaeren Ausrichtung (Programme). Dann, nach Ueberlegung ueber die
tatsaechlich existierenden Nachteile des Lebens, scheint das Dasein als un-
vorteilhafter, die gegenwaertige Lage als pessimistisch gesehen und das
Nichtsein als erwuenscht, d. h. auch der Pessimist empfindet glueckliche
Momente, indem er sich in sein Nichts vorausdenkt, was er irgend wann so-
wieso sein wird. Es existiert jederzeit ein Gleichgewicht. Der Pessimist der das
Leben als unvorteilhaft empfindet, wird nur gluecklich, wenn er an das Nichts
denkt, an den Tod. Der Optimist der das Leben als vorteilhaft empfindet, ist
in dieser seinen Situation gluecklich, der Tod allerdings scheint fuer ihn etwas
schlechtes zu sein. Unvorstellbar, dass der Tod etwas schlechtes sein soll,
denn dieser Zustand des nicht-vorhanden-seins ist nichts anderes als vor der
Geburt. Und bekanntlich koennen auch Optimisten schlechte Erlebnisse
haben, Schmerz, Angst und Armut zum Beispiel. Solche Bewertungen von un-
vorteilhaften Situationen finden ihre Grundlage nur im anbeblich hoch gelob-
ten Leben, d. h. nur das Leben kann schlechtes bereithalten. Kommt halt
darauf an, wie weit man den Regler bis zum Angschlag schiebt, wie weit man
sich traut hinein zu wagen. Und es kommt auch darauf an, was man unter
"Linderung" oder "Vorteil" versteht, woraus sich entsprechende Denkweisen
herausbilden. Denn, alles lebt nach optimalen Bedingungen ...

Gruesse,
Arthur Jules
 
Zuletzt bearbeitet:
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AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen

Hallo Arthur-Jules,

die Geisteshaltung, die du momentan hegst beschreibt eine gewisse Weltsicht, die dem Existenzialismus ziemlich nahe kommt.

Eine Weltsicht kann insofern dann schon mit einer Brille verglichen werden, durch die man hindurchsieht, wobei das Erleben dann dem Weltbild nachgeordnet wird.

So laufen allgemein gesprochen die Menschen mit unsichtbaren Brillen durch die Gegend, das sind Einstellungen, Glaubensmuster etc. und sehen das was sie sehen wollen, je nach Weltbild.

Ich finde alles ist in einem Metakontext eingebettet und so können Geistesströmungen auch nur aus einem geschichtlichen Kontext heraus verstanden werden. Die Entstehungszeit des Existenzialismus fällt mit einer tiefen Krise zusammen, oder geht aus dieser hervor- der Zeit zwischen den Weltkriegen und kommt zu seinem Durchbruch nach den Erschütterungen des 2. Weltkrieges.
So wundert es auch nicht, dass der Sisyphosmythos(Entstehungsjahr 1942) von Camus, als Metapher für den Menschen herangezogen wurde.
Sisyphos als glücklicher Mensch ist für mich pure Ironie und letztendlich das Synonym für den Soldaten, der einer übergeordneten Instanz gehorcht und seine Sinnhaftigkeit daraus ableitet, ohne seine eigene Sinnhaftigkeit zu finden und zu leben. Das "glückliche Bewusstsein" nach Marcuse fällt mir dazu noch ein.
 
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