Hallo Zeili,
zunächst vielen Dank für Deine Antwort!
Zugegeben: mit Berlin bin ich nie so recht warm geworden, aber das hat vielleicht nicht viel zu sagen - die Hansestadt Hamburg ist ja auch nicht jedermanns Geschmack, auch wenn es hier lange nicht so unterkühlt zugeht, wie das Klischee es will. Sorgen macht mir etwas anderes: ich hatte eine ganze Reihe Freunde und Bekannte, die nach der Wende nach Berlin gegangen sind, vor allem aus dem Medienbereich - nach anfänglichen beruflichen Erfolgen sind die aufgrund von Firmenpleiten fast alle arbeitslos geworden und haben die Stadt inzwischen wieder verlassen müssen, teils widerwillig. Die politische Macht Berlins ist ja schön und gut - aber was solls, wenn man dort nur schwer Arbeit findet? Sicherlich ist das nicht allein ein berliner Problem, aber im Falle der Hauptstadt scheint mir das doch etwas extrem zu sein.
Vor der Wende kam mir (West-) Berlin eher wie eine kunterbunte Insel vor, auf der die Lebensfreude auch mit einer gewissen Zukunftsvergessenheit full speed ausgekostet wurde. Mich würde interessieren, wieviel sich - aus Sicht eines Berliners - davon erhalten hat; bei meinen letzten Besuchen, zuletzt vor ca. anderthalb Jahren, fand ich die Stadt ein bißchen arg deprimierend, und das beunruhigt mich. Es scheint nicht mehr das zu sein, was es einmal war, etwa die Kleinkunstszene betreffend. Ein anderes Beispiel: da ging ich etwa drei Stunden durch Schöneberg spazieren, und traf die ganze Zeit kein einziges deutsches Kind auf der Straße. Sicher, das ist nur eine einzelne, eher zufällige Beobachtung.
Über Wien - leider war ich erst zweimal als begeisterter Besucher dort - lese und höre ich überwiegend positives, bei allen skurrilen Merkwürdigkeiten. So erklärte mir dort einmal ein Gastwirt nach längerem Gespräch, er sei "nationaler Sozialist." Schau an, denke ich, und frage ihn: "Ja, welcher Nation denn?" "Der deutschen, natürlich!" Kulinarisch und architektonisch gebe ich Wien allemal den Vorzug, die Berliner mögen mir verzeihen. Aufgefallen ist mir vor einiger Zeit in einem Zeitungsartikel ein Satz, die Wirtschaft betreffend: Für Unternehmer böte Österreich alle Vorteile, die Deutschland auch böte - nur die Nachteile eben nicht: hohe und komplizierte Steuern, langwierige Genehmingungsverfahren... nun haben z.B. in der Donaucity ca. 300 internationale Konzerne ihre Zentralen für Osteuropa eingerichtet - in Berlin eben nicht, obwohl die Stadt geographisch für den Osthandel ja auch nicht eben weit ab vom Schuß liegt.
Wenn ich oben davon sprach, Berlin habe als Metropole "den Anschluß zur Welt verpasst", so war das gewiß in unzulässiger Weise überspitzt. Auch ist der Vergleich der beiden Hauptstädte aufgrund ihrer sehr verschiedenen Geschichte sicherlich problematisch.
Grüße ebenfalls recht herzlich, Gaius