Berufe sind schon immer ausgestorben und neue Berufsfelder entstehen. Das ist vollkommen normal. Das passiert aber nicht von heute auf morgen und es stehen dann nicht plötzlich alle aus dem Homeoffice auf der Straße.
Sicher nicht, aber das Tempo dieser Entwicklung legt immer mehr zu.
Als mein Onkel (Jahrgang 1940er) im grafischen Gewerbe ausgelernt hatte, da gab es im grafischen Gewerbe mehr als 20 Ausbildungsberufe. Heutzutage gibt es nur noch zwei (der Drucker und der Mediengestalter). Alle anderen Berufe hat die Digitalisierung (schon Jahre vor dem Aufkommen des Internets) überflüssig gemacht.
Bislang hat jede technologische Entwicklung mehr neue Berufe und Arbeitsplätze geschaffen, als sie vernichtet hat. Ob dies aber immer so bleiben wird, das ist keineswegs eindeutig geklärt. Denn bislang hat man trotz aller Effizienzsteigerung noch immer Menschen gebraucht, die die Computer auch bedienen (wenn auch weniger und höher qualifizierte). Allerdings hat es bislang auch keine Software gegeben, die
intellektuelle Fähigkeiten hatte.
Eine Werbeanzeige, eine HP, entseht zwar heute mit digitalen Technologien, aber es sind noch immer Menschen, die Grafiksoftware benutzen, um solche Produkte zu erstellen. Das kann (und wird) sich in naher Zukunft ändern. Denn dann wird es kein Mensch mehr sein, der eine Werbeanzeige gestaltet, sondern eine KI. Anfangs nur den "Schweinebauch" der Penny- und Lidl-Heftl auf billigem Papier, aber irgendwann auch die Hochglanzbroschüren und schließlich alles in diesem Bereich.
Das ist mir ein bisschen zu einfach gedacht. Bleibende Werte gibt es ja auch bei der Putzfrau oder dem Koch. Nur weil der Staub immer wieder kommt oder man alle paar Stunden Hunger bekommt, heißt es ja nicht, die Arbeit wäre nutzlos und hätte keine Auswirkungen auf andere Bereiche. Die bleibenden Werte der Putzfrau sind - man fühlt sich wohl am Arbeitsplatz, wird seltener krank am Arbeitsplatz, man findet leichter Mitarbeiter,... dazu trägt die Putzfrau bei. Ich sage nicht, ohne sie kann das Unternehmen zusperren aber sie leistet einen wichtigen Beitrag. Man schätzt diesen Beitrag halt erst dann, wenn es ihn nicht mehr gibt (Siehe Restaurants in Coronazeiten oder die Müllabfuhr in Paris)
Die Kategorien "entropische Arbeit" vs. "nicht-entropische Arbeit" stammen nicht von mir. Sie sind das Ergebnis einer interdisziplinären Kommission aus Wissenschaftlern, Politikern und Soziologen, aber auch Künstlern und Theologen (nicht nur christlich), die Anfang der 1990er Jahre der Frage nachgingen, wie sich die weltweiten Gesellschaftsstrukturen, ausgehend von der damaligen Situation, in Zukunft entwickeln werden.
Ich persönlich las ihren Bericht erst 20 Jahre nach dessen Erscheinen - und es war interessant zu sehen, dass sie eine ganze Reihe von Entwicklungen vorausgesehen haben, in denen wir uns heute befinden, u.a. die weltweite Migration.
Eine Wertung wollte ich mit der Nennung dieser Kategorien ohnehin nicht vornehmen, auch schon allein deshalb nicht, weil ich als Koch selbst auch einer entropischen Arbeit nachgehe (und mit Überzeugung, denn ich hätte andere Möglichkeiten zumindest gehabt).
Bei näherer Betrachtung ist es aber so, dass entropische Arbeit grundsätzlich weniger angesehen ist und auch schlechter bezahlt wird als nicht-entropische Arbeit. Und selbst die sehr kleine Köche-Elite der Starköche ist da kein Gegenbeispiel, denn sie geht dem entropischen Teil dieses Berufs ja gar nicht mehr nach.
Kommt drauf an wie es mit der Wirtschaft oder der gesamten Welt weitergeht. Wenn es schlecht läuft besinnt man sich eben auf die Kernaufgaben. Läuft alles super gehen wohl die wenigsten auf den Bau wenn sie von zu Hause am Computer genauso viel verdienen können.
Ich bin ganz bei dir und bin auch sehr dafür den Wert gewisse Berufe zu überdenken - bin leider etwas skeptisch, dass sich da viel ändern wird. Eine Krankenschwester oder Pfleger wird nicht auf einmal so viel verdienen können wie irgendwelche Influencer oder YouTuberinnen.
Und als Prostituierte kann man noch mehr Geld verdienen als als Influencer oder YTer, aber das ist es dann eben auch: Prostitution.
Persönlich halte ich auch die Influencer oder YTer für eine Art Prostituierte, wenn auch nur im intellektuellen Sinne. Mir persönlich würde es kaum in den Sinn kommen, mich zu einer derart öffentlichen Person zu machen, vor einem ganzen Planeten und vor allem nicht mit derartig belanglosem und hirnlosen Zeug.
Und wie auch soviele Darsteller schon lange vor den Zeiten des Internets werden sich Influencer und YTer auch den Folgen des schnellen Ruhms zu stellen haben: Dass jemand, der viele Fans hat, auch viele Gegner und Feinde hat. Dass es durchgeknallte Irre gibt, die Dir die Scheiben einwerfen, weil Du in ihren Augen etwas Falsches gesagt hast. Oder Fans, die Dich verfolgen und stalken, weil sie Teil Deiner Welt sein wollen. Dass sich schon in wenigen Jahren niemand mehr für einen interessiert, weil es mittlerweile andere, jüngere und hippere Kandidaten gibt. Dass sich Öffentlichkeit und Ruhm auf Dauer psychisch nicht gut verkraften lassen.
Die Geschichte der Selbstdarsteller ist voll von Menschen, die dann irgendwann abgewrackt, durchgedreht, drogensüchtig, depressiv oder am allerschlimmsten: bedeutungslos waren. Die einst ganze Konzertsäle füllten, aber irgendwann nur noch durch die Sportvereine tingelten, um da die Polonaise zu singen.
Die Klügeren unter ihnen sprangen irgendwann ab und gingen zurück in ein bürgerliches Leben. Um dann irgendwann mal auf der letzten Seite der Illustrierten "Stern" unter der Rubrik "Was macht denn eigentlich ...?" (gibt's das Beides überhaupt noch?) zu landen.
Letzteres muss man aber überhaupt auch erst einmal können - und dafür braucht es zumindest einen Ausbildungsabschluss (in D wenigstens).
Aber so ein "Star" wie Boris Becker ist doch da das beste Anti-Beispiel.
Ohne Frage hat Becker gut Tennis gespielt ... aber als das vorbei war ... da war es mit ihm vorbei. Keine Ausbildung, kein Plan. Alle zocken ihn nur ab, allen voran seine teuren Frauen, aber auch andere. Am Ende folgt Pleite ... und Knast.
Heute ist Boris Becker vor allem Boris Becker, aber mehr eben auch nicht.
Der Knast ist im Grunde das Beste, was ihm passieren konnte, denn das Gefängnis hat ihn wieder auf die ersten Seiten der Boulevardzeitungen gebracht. Denn anderenfalls ... Boris Becker? Wer war denn das jetzt wieder?