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Welche Philosophen sind streitbar?

Es ist für Nicht-Heidegger-Kenner mittlerweile fast aussichtslos, die Thematik adäquat zu bewerten, oder? Zumindest ist das für mich der Eindruck als Laie. Klar, man kann Heideggers Handeln als Person unter der NS-Didaktur beurteilen, aber inwieweit in seiner Philosophie derartige Tendenzen auszumachen sind? Dazu müsste ich nicht nur "Sein und Zeit" gelesen haben, sondern wahrscheinlich auch die "Schwarzen Hefte". Habe ich jedoch nicht getan. Figal, der damals als Vorsitzender der Heidegger-Gesellschaft zurückgetreten ist, da in diesen Heften antisemitische Gedanken zu lesen waren, halte ich für einen redlichen, klugen Kopf. Aber Vetter, der damals den Vorsitz übernahm, ebenso. Wie gesagt: Als Laie müsste man sich da erstmal in die Originalliteratur einlesen.

Die Frage ist halt immer, ab wann man als "Heidegger-Kenner" gilt, der sich ein Urteil über diesen Philosophen erlauben darf. Ich habe hier einst wiederholt die Erfahrung gemacht, dass Heidegger-Liebhaber und Apologeten einen erst dann als solchen akzeptieren, wenn man ihn stark macht und sich auf seinen Wortzauber einlässt bzw. diesen selbst übernimmt: Das Spiel mitspielt. Ich habe mich über zwei Semester intensiv mit Heidegger auseinandergesetzt (u.a. mehrere Seminare besucht und Hausarbeiten verfasst, die immerhin von einem bekannten Heidegger-Anhänger mit "sehr gut" bewertet wurden), würde mich natürlich dennoch nicht als "Heidegger-Kenner" bezeichnen, wohl aber habe ich alle relevanten Schriften in Teilen gelesen und wenige hiervon im Rahmen der Seminare auch intensiv studiert. Mehr Lebenszeit werde und möchte ich dieser - nun folgt mein Fazit - Philosophie, die nahezu inhaltsleer daherkommt, also lediglich Wortkunst darstellt und sich der Ambiguität natürlicher sprachlicher Ausdrucksformen verdankt, nicht widmen. Nach Jahren Pause wäre ich nun auch kaum noch in der Lage, fachlich ausreichend fundiert über die Thematik zu diskutieren.

In diesem Thread war ja aber primär die Frage relevant, welche Philosophen heute besonders umstritten sind. Zumindest im deutschsprachigen Raum sehe ich hier Heidegger einsam an der Spitze: Er ist (leider) weiterhin sehr populär und zugleich eben in philosophischen Kreisen umstritten. Um diesen Umstand nachvollziehen zu können, muss man auch als Laie nicht viel mehr tun, als beispielsweise den Wikipedia-Artikel zu überfliegen.
 
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Meines Wissens verehrte Hannah Arendt auch nach dem Krieg noch ihren ehemaligen Geliebten Heidegger.
 
Meines Wissens verehrte Hannah Arendt auch nach dem Krieg noch ihren ehemaligen Geliebten Heidegger.

Arendt war -einst- seine (junge!) Geliebte und eben seine Schülerin.

Später:
Zuneigung und Verachtung verträgt sich nicht!

Sowie ein Großteil Hannah Arendt ihre scharf durchdachte Überlegung zu Eichmann
*Die Banalität des Bösen*
übel genommen hatte, so irrt sicher auch noch heute ein Großteil, dass die reife! Frau
und Denkerin diesen Unmenschen Heidegger noch geliebt haben könnte: Und dass sie
sich mit diesem Mann dennoch Jahre später getroffen hat, war wohl eine, ihre Portion
Neugier, ob sich dieser Unhold vielleicht doch noch -rein geistig- geändert haben könnte!
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage ist halt immer, ab wann man als "Heidegger-Kenner" gilt, der sich ein Urteil über diesen Philosophen erlauben darf. Ich habe hier einst wiederholt die Erfahrung gemacht, dass Heidegger-Liebhaber und Apologeten einen erst dann als solchen akzeptieren, wenn man ihn stark macht und sich auf seinen Wortzauber einlässt bzw. diesen selbst übernimmt: Das Spiel mitspielt. Ich habe mich über zwei Semester intensiv mit Heidegger auseinandergesetzt (u.a. mehrere Seminare besucht und Hausarbeiten verfasst, die immerhin von einem bekannten Heidegger-Anhänger mit "sehr gut" bewertet wurden), würde mich natürlich dennoch nicht als "Heidegger-Kenner" bezeichnen, wohl aber habe ich alle relevanten Schriften in Teilen gelesen und wenige hiervon im Rahmen der Seminare auch intensiv studiert. Mehr Lebenszeit werde und möchte ich dieser - nun folgt mein Fazit - Philosophie, die nahezu inhaltsleer daherkommt, also lediglich Wortkunst darstellt und sich der Ambiguität natürlicher sprachlicher Ausdrucksformen verdankt, nicht widmen. Nach Jahren Pause wäre ich nun auch kaum noch in der Lage, fachlich ausreichend fundiert über die Thematik zu diskutieren.

In diesem Thread war ja aber primär die Frage relevant, welche Philosophen heute besonders umstritten sind. Zumindest im deutschsprachigen Raum sehe ich hier Heidegger einsam an der Spitze: Er ist (leider) weiterhin sehr populär und zugleich eben in philosophischen Kreisen umstritten. Um diesen Umstand nachvollziehen zu können, muss man auch als Laie nicht viel mehr tun, als beispielsweise den Wikipedia-Artikel zu überfliegen.
Erst einmal recht vielen Dank, daß du auf Heidegger aufmerksam gemacht hast. Das Titelthema weist ja auf Philosophen hin, nicht unbedingt auf Philosophien. Und Heidegger steht in der Tat heutzutage mehr in der Kritik als Nietzsche. Aber eben geht es bei Heidegger um die Person, bei Nietzsche ums Werk. Dyrnberg versuchte darauf hinzuweisen, daß man ein Heidegger-Kenner sein müsse, um zu beurteilen, ob sein Werk heute kritisch gesehen werde. Er meint sicherlich, man müsse alles von ihm gelesen haben, um zu wissen, ob da etwas stünde, was dem aktuellen Zeitgeist zuwiderläuft. Ein Heidegger-Experte muß man da nicht zwangsläufig sein. Ich habe von Heidegger nur "Sein und Zeit" gelesen, sowie seine Abhandlungen zu Platon und Aristoteles. Und da konnte ich nichts finden, was anrüchig wäre. Begeistert bin ich ganz nebenbei von seinen Schriften nicht. Wer sie aber mag, soll sie mögen dürfen. Daß seine Sprache verklausuliert ist (Wortzauberei nennst du es), trifft man bei anderen Philosophen auch, eigentlich sogar bei den meisten. Scharlatanerie und Religionsersatz ebenso. Du scheinst nun eher ein Kenner der Schriften Heideggers zu sein als wir. Aber auch aus deinen Darlegungen kann ich nichts entnehmen, was darauf hindeutete, daß sein Werk heutzutage als politisch unkorrekt eingestuft werden würde. Allerdings hast du prinzipiell recht, sofern es um die Person Heideggers geht. Dennoch verurteile ich Heidegger nicht. Jeder lebt in seiner Zeit und zu den Bedingungen seiner Zeit. Da kann ich nichts Verurteilenswertes finden. Einen Unhold und Unmenschen kann ich in ihm nicht erkennen.

Das mit seinem Bereuen nach dem Krieg, wird so gewesen sein, wie du schreibst. Auf Druck der Siegermächte blieb den allermeisten Leuten ja auch gar nichts anderes übrig. Sonst hätte man sie wahrscheinlich an die Wand gestellt.
 
Daß seine Sprache verklausuliert ist (Wortzauberei nennst du es), trifft man bei anderen Philosophen auch, eigentlich sogar bei den meisten. Scharlatanerie und Religionsersatz ebenso.

Ich würde nicht sagen, dass das "bei den meisten" Philosophen der Fall ist, dass man also deren Sprache inhaltlich nicht grundlegend - die entsprechende Zeit und Mühe natürlich vorausgesetzt - erschließen kann, da sie sich diesem intentionalen Zugriff per Definition versperren möchte, dennoch aber in dem Duktus verfasst ist, als ob sie gerade dies - wenngleich auf besonders meisterhafte Weise - zu leisten vermag.

Allenfalls die Anhänger des (deutschen) Idealismus alter Prägung können solcher Schreibe (noch) etwas abgewinnen. Da stand Wortzauberei freilich ganz oben auf der Agenda, man schrieb sich nächtelang und gegenseitig in Rage, bis einen die eigenen Worte schwindlig machten. Man wollte große Erkenntnis aus dem eigenen Geiste schöpfen und war davon überzeugt, dass man der Auserlesene sei, dem diese Fähigkeit - im Gegensatz zu den anderen, die man als Konkurrenz und Schwätzer abtat - vom Schöpfer höchstselbst in die Wiege gelegt worden sei. Hybris alter Prägung halt.

Glücklicherweise gibt es heute zahlreiche inhaltlich sehr scharf und redlich argumentierende Philosophen, die Sprache als Transportmittel für überprüfbare Aussagen und Ansichten (intersubjektiv) nutzen und nicht mit Scheinbedeutungen aufladen, welche sich letztlich nur um sich selbst drehen.


Dennoch verurteile ich Heidegger nicht. Jeder lebt in seiner Zeit und zu den Bedingungen seiner Zeit. Da kann ich nichts Verurteilenswertes finden. Einen Unhold und Unmenschen kann ich in ihm nicht erkennen.

Das hört sich für mich doch etwas sehr nach Relativismus an. Auch zur Zeit des Nationalsozialismus gab es Menschen, die sehr klar die humanitären Probleme erkannt und verurteilt haben. Nur sind diese entweder in den berüchtigten Lagern oder im Ausland gelandet. Ich stimme zu, dass das - insgesamt gesehen - Minderheiten waren, was aber nichts daran ändert, dass die Mehrheit - und zu dieser gehörte Heidegger - falsch lag und falsch handelte. War er ein guter Mensch? Ich habe dafür bislang noch keine triftigen Anhaltspunkte gehört oder gelesen, nur solche, die eher das Gegenteil nahelegen. Ist jemand ein guter Mensch, der Kollegen/Konkurrenten denunziert? Darf man als guter Mensch gelten, sofern man in Vorlesungen über Minderheiten (hier Juden) herzieht und sich später als (heimlicher) Unterstützer derselbigen ausgibt?
 
Ich würde nicht sagen, dass das "bei den meisten" Philosophen der Fall ist, dass man also deren Sprache inhaltlich nicht grundlegend - die entsprechende Zeit und Mühe natürlich vorausgesetzt - erschließen kann, da sie sich diesem intentionalen Zugriff per Definition versperren möchte, dennoch aber in dem Duktus verfasst ist, als ob sie gerade dies - wenngleich auf besonders meisterhafte Weise - zu leisten vermag.
Die verklausulierende Sprache ist ja hier auch nicht der Streitpunkt. Es sind zumindest viele Philosophen, die absichtlich verklausulieren, mögen es auch nicht unbedingt die meisten sein, wie du sagst. Für verklausulierende Sprache steht jedenfalls heute niemand am Pranger. Und wenn, ist es nicht der Rede wert.

Das hört sich für mich doch etwas sehr nach Relativismus an. Auch zur Zeit des Nationalsozialismus gab es Menschen, die sehr klar die humanitären Probleme erkannt und verurteilt haben. Nur sind diese entweder in den berüchtigten Lagern oder im Ausland gelandet. Ich stimme zu, dass das - insgesamt gesehen - Minderheiten waren, was aber nichts daran ändert, dass die Mehrheit - und zu dieser gehörte Heidegger - falsch lag und falsch handelte. War er ein guter Mensch? Ich habe dafür bislang noch keine triftigen Anhaltspunkte gehört oder gelesen, nur solche, die eher das Gegenteil nahelegen. Ist jemand ein guter Mensch, der Kollegen/Konkurrenten denunziert? Darf man als guter Mensch gelten, sofern man in Vorlesungen über Minderheiten (hier Juden) herzieht und sich später als (heimlicher) Unterstützer derselbigen ausgibt?
Die Mehrheit damals lag falsch aus heutiger Sicht gesehen, aus der damaligen Sicht allerdings durchaus nicht. Wie wir Heutigen aufgrund unserer persönlichen Haltung später beurteilt werden, wissen wir doch gar nicht. Vielleicht wird der künftige Zeitgeist ebenso über uns den Stab brechen, wie der heutige Zeitgeist über Heidegger als Person. Wir können doch gar nicht wissen, ja noch nicht einmal ahnen, was den Späteren grundlegend wichtig sein wird und ob wir dagegen verstoßen haben. Heidegger war damals, glaube ich, ein Durchschnittsmensch. Verbrechen begangen hat er nicht. Denunziert hat er, glaub ich, auch nicht. Und wenn, würde er es als Zivilcourage angesehen haben. Mögen die heutigen Moralapostel auf ihm rumhacken, es interessiert mich nicht sonderlich. Bezüglich seines Werkes wäre das schon interessanter. Anders als bei Nietzsche, steht sein Werk, soweit ich das beurteilen kann, nicht im Zwielicht des aktuellen Zeitgeistes.
 
Die Mehrheit damals lag falsch aus heutiger Sicht gesehen, aus der damaligen Sicht allerdings durchaus nicht. Wie wir Heutigen aufgrund unserer persönlichen Haltung später beurteilt werden, wissen wir doch gar nicht.

Dass humanes wie inhumanes Verhalten und alle Zwischenausprägungen als "natürliche" Verhaltensmöglichkeiten im Menschen schlummern und je nach dem 'normativen Setting' einer Gesellschaft entsprechend realisiert sind, bedeutet nicht zugleich, dass man deshalb das eigene Streben nach humanen Werten als universell relatives betrachten müsste/sollte. Ich verstehe beispielsweise, dass mein Großvater im Krieg für imperialistische Zielsetzungen eines diktatorischen Regimes aktiv war und vermutlich andere Menschen getötet hat (darüber hat er nie konkreter gesprochen), aber ich verurteile es dennoch als inhuman und werde alles in meiner Macht stehende unternehmen, dass sich dergleichen nicht wiederholt. Gerade in dem Wissen, dass unsere demokratischen Werte eben nicht allgültig, selbstverständlich und universell sind, sondern wir uns für diese tatkräftig einsetzen müssen.

Mögen die heutigen Moralapostel auf ihm rumhacken, es interessiert mich nicht sonderlich. Bezüglich seines Werkes wäre das schon interessanter. Anders als bei Nietzsche, steht sein Werk, soweit ich das beurteilen kann, nicht im Zwielicht des aktuellen Zeitgeistes.

Ich weiß nicht, woher du deine Informationen nimmst, jedenfalls beschleicht mich der Eindruck, dass deine Kenntnisse hinsichtlich aktueller wie zurückliegender (Fach)Diskussionen zumindest größere Lücken aufweisen. Aber da es dir - wie du nun schon mehrfach direkt und indirekt kundgetan hast - ohnehin gleichgültig ist, brauchen wir das hier und jetzt nicht weiter zu ergründen.
 
Ich finde es gut, wenn mich Texte magisch in ihren Bann ziehen.
Kommt selten genug vor.
Philosophische Texte, wo ich nach zwei Sätzen schon weiß, welche Erkenntnis, die ich schon habe, am Schluß vorgesetzt bekomme, sind fad: "Brumm, Brumm, da Auto."
 
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Ich finde es gut, wenn mich Texte magisch in ihren Bann ziehen.
Kommt selten genug vor.
Philosophische Texte, wo ich nach zwei Sätzen schon weiß, welche Erkenntnis, die ich schon habe, am Schluß vorgesetzt bekomme, sind fad: "Brumm, Brumm, da Auto."

Davon abgesehen, dass philosophische Texte - das ist jedenfalls meine Sichtweise - nicht den geneigten Leser in erster Linie fesseln und gut unterhalten, sondern nach Möglichkeit - das darf dann ruhig anstrengend sein und ist es in der Regel auch - neue Erkenntnisse transportieren, diskutieren und deuten sollten, möchte ich noch auf meine Signatur (Feuerbach) verweisen. ;)
 
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