• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Über das Scheitern

Raphael

Active Member
Registriert
17. November 2007
Beiträge
1.795
Hallo Leute!

"The winner takes ist all", "We are the champions" ... usw., so lauten nicht nur Liedzeilen, sondern diese Sprüche drücken auch eine bestimmte Gesinnung aus.

Unsere Zeit (vielleicht aber auch jede vor und jede nach uns) ist nicht nur im Sport auf die Sieger ausgerichtet.
Wer Zweiter wird, ist schon der erste Verlierer, der Dritte bekommt zwar noch eine Medaille, doch der Vierte wird bereits vergessen.

Nicht nur in der Tierwelt dominieren die Alpha-Ränge, auch unter uns Menschen haben diese die Herrschaft inne, und zwar auf so gut wie jedem Gebiet.
Das Alpha-Tier hat das alleinige Recht sich mit allen Weibchen zu paaren, ---
bei vielen Arten ist das so --- und alle übrigen Männchen gehen leer aus.
Beim Menschen ist die Fortpflanzungsmöglichkeit zwar auch hinteren Rängen gestattet, doch nur Reich zieht auch Schön an, Beispiele dafür gäbe es genug...

Mit dem Calvinismus haben die Sieger sogar eine eigene Religion.
Die USA lassen grüßen...!

Nun frage ich mich, ob das Nicht-gewinnen-Können (oder nicht Wollen) nicht nur unattraktiv, sondern auch langweilig ist?

Ich für meinen Teil bin nicht dieser Meinung, und ich finde am Scheitern (bei mir selber wie bei anderen) durchaus interessante Seiten.
Tom Waits z.B. singt fast ausschließlich Lieder über gescheiterte Loser. Er selber ist zwar nicht zu dieser Gattung zu zählen, auch wenn er sich so gibt.

Nicht jeder Film kann ein Happy End haben und nicht jeder Mensch ist ein Märchenprinz!

Das Scheitern ist jedoch immer und überall und ich meine, wir sollten es mehr würdigen. Ein "Tag des Scheiterns" wäre mal ein ganz guter Anfang...

Was meint ihr zu dem Thema?!
Gibt es vielleicht sogar eine Philosophie des Versagens?!

Ernste und weniger seriöse Wortmeldungen nehme ich in Dankbarkeit entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
Werbung:
AW: Über das Scheitern

Es ist immer auch eine Frage der Zeit wann man Erfolg definiert! Manchmal ist der (müde belächelte) Letzte der Erste... wenn die Vorderen es z.B. so eilig hatten und alle eine Klippe herabstürzten (die Lemminge lassen grüßen), und nur der Letzte überlebte, weil er beobachten konnte... Der dann jedoch an Einsamkeit ein noch schwereres Schicksal zu erleiden hatte und sich wünschte in der Gruppe schneller gewesen zu sein... der aber 2000 Jahre später der einzig auffindbare Knochenfund für neugierige Forscher war und ein riesen Glücksfall für die Wissenschaft darstellte, anhand dessen nachgewiesen werden konnte, daß die Zeit bei der Beurteilung des Scheitern eine große Rolle gespielt haben muß :)

Interessantes Thema.
 
AW: Über das Scheitern

Ernste und weniger seriöse Wortmeldungen nehme ich in Dankbarkeit entgegen.
Hallo Raphael, ich bin eher für seriöse Meldungen.

Heute bist du gescheitert,
morgen bist du gescheiter,
oder auch nicht.

Mit Champignons zum Champion,
the winner takes them all.
:)
 
AW: Über das Scheitern

Hallo Leute!


Nun frage ich mich, ob das Nicht-gewinnen-Können (oder nicht Wollen) nicht nur unattraktiv, sondern auch langweilig ist?

Ich für meinen Teil bin nicht dieser Meinung, und ich finde am Scheitern (bei mir selber wie bei anderen) durchaus interessante Seiten.


Hallo Raphael,

Wenn jemand sich einmal dazu durchringen kann etwas weniger ehrgeizig zu sein ist ihm wohl kaum langweilig. Im Gegenteil, er hat viel mehr Zeit zu leben (anstatt immer zu strampeln), er kann sich darauf konzentrieren etwas mit Freude zu tun, sei das nun seine Arbeit oder ein Hobby und er kann den atemlos vorwärts strebenden ruhig zusehen wie alle ausser dem Sieger auf der Strecke bleiben.

Wenn er sich bemüht und scheitert, lernt er aus seinen Fehlern...


Im Grossen und Ganzen, finde ich, lebt er das interessantere, weil weniger einseitige Leben.




freundliche Grüsse,



helia
 
AW: Über das Scheitern

Hallo Raphael

Was Scheitern ist, und was Erfolg, ist ja auch immer eine Frage der Definition. So haben die Alpha-Männchen bei den Tieren ein sehr stressiges Leben... während der Aussenseiter, der sich so am Rand der Gruppe aufhält, durchaus auch hin und wieder zum Zug kommt und seine Gene weiter geben kann. Und im Grossen und Ganzen vermutlich bequemer und glücklicher lebt, als der Pascha, der unter ständigem Erfolgsdruck steht und früher oder später ja doch einem jüngeren, stärkeren Rivalen Platz machen muss.

Wenn ein Mensch, der ein begabter Musiker ist - oder sein könnte - es in der Wirtschaft ins Topmanagement bringt, viel Geld verdient und viel arbeitet, aber dafür keine Zeit hat für die Musik, abgesehen vom Konzertbesuch hin und wieder - ist das dann ein Erfolg oder ein Scheitern?

grüsse, barbara
 
AW: Über das Scheitern

Hallo, ihr Lieben!

Ich danke euch für eure Wortmeldungen!

Windreiter: Ich gehöre meist zu denen, die sich vordrängen ... machmal wäre es jedoch besser, ich würde es nicht tun. Aber ich blamiere mich so gerne...

Andreas: Gescheitert und gescheit, der Vergleich bietet sich an.
Der Scheiterhaufen für Gescheiterte muss wohl riesig sein...

Helia: Richtig! Nur weiß ich nicht, ob ich aus Fehlern zu lernen vermag.
Könnte ich mein Leben nochmals von vorne beginnen (mit meiner jetzigen Einsicht versehen), so würde ich doch die meisten Fehler wieder begehen (wollen).

Barbara: Sehr klug beobachet! Das Gewinnen-Müssen ist ein erheblicher Stressfaktor, doch als Verlierer darf man sich zurücklehnen.
Die passende Laid-Back-Musik dazu: J. J. Cale.

Dieses hechelnde Um-jeden-Preis-gewinnen-Müssen verführt einen ja zur unsauberen Gangart.
Im Sport wird gedopt, in der Politik wird gelogen, im Krieg und beim Verbrechen wird gemordet. Um Siegertyp zu werden und auch zu bleiben, bleibt häufig die Moral auf der Strecke.

Alexander der III., von manchen auch der Große genannt, war ein armes Schwein. Er wollte überall der Beste sein, beim Laufen, beim Reiten, beim Kämpfen. Doch im Saufen wurde er ein wahrhaft großer Meister...

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
AW: Über das Scheitern

Ich gehöre meist zu denen, die sich vordrängen ... machmal wäre es jedoch besser, ich würde es nicht tun. Aber ich blamiere mich so gerne...


Dieses hechelnde Um-jeden-Preis-gewinnen-Müssen verführt einen ja zur unsauberen Gangart.
Im Sport wird gedopt, in der Politik wird gelogen, im Krieg und beim Verbrechen wird gemordet. Um Siegertyp zu werden und auch zu bleiben, bleibt häufig die Moral auf der Strecke.

Lieber Raphael!
Die beiden Absätze hab ich herausgehoben, weil mir beim Lesen aufgefallen ist, dass Scheitern hier "vor den Augen der Anderen" angesehen wird.
Wenn es nur darum ginge, selbst erfolgreich zu sein, dann brauchte keiner dopen oder lügen. Denn das wäre ja idiotisch. Ich selbst weiß doch trotzdem, dass ich ohne unerlaubte Mittel nicht gut genug wäre.

Das Scheitern an Zielen, die ich mir selbst auferlegt habe, ist hier eng mit den Erwartungen der Anderen verknüpft. Weil es wichtig genommen wird, vor den Augen der Anderen als erfolgreich/als Gewinner dazustehen.

Das Lernen aus den Fehlern, die zum Scheitern geführt haben, ist nur dann möglich, wenn man sich innerlich von der Anerkennung oder der Kritik der Anderen lösen kann. Dann wird Erkenntnis möglich, ein Relativieren der Wichtigkeit von Zielen, die man erreichen möchte. Dann ist man auch in der Lage, sich ein Stück über sich selbst zu erheben und anzuschauen, was und warum man so und nicht anders gehandelt hat.
Das nennt man doch Selbsterkenntnis, oder?

:blume1:
 
AW: Über das Scheitern

Hallo Lilith!

Scheitern vor den Augen anderer fällt mir wesentlich leichter als das Scheitern vor mir selber. Ich blamiere mich nämlich ganz gerne, war schließlich drei Jahrzehnte lang Lehrer; Hauptsache, ich stehe im Mittelpunkt...!

Sich selbst zu betrügen, hat, wie du richtig schreibst, wenig Sinn, im Lösungsbuch nachzusehen, macht auch nicht richtig Spaß.
Gäbe es jedoch ein Lösungsheft fürs Leben, wäre die Versuchung natürlich groß...

Aus dem Scheitern zu lernen, wäre sinnvoll und notwendig, doch es ist dem Individuum oft nicht möglich.
Weshalb, wäre wert betrachtet zu werden.

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
AW: Über das Scheitern

.....
Aus dem Scheitern zu lernen, wäre sinnvoll und notwendig, doch es ist dem Individuum oft nicht möglich.
Weshalb, wäre wert betrachtet zu werden.

Lieber Raphael!
Mir kommt vor, du hast dich dabei schon selbst ganz gut kennengelernt.

Etwas für sinnvoll und notwendig zu halten muss mE noch lang kein Grund sein, um es deswegen auch zu tun.

Ich hab für mich deshalb den Schluss gezogen, dass mein Scheitern an Zielen, die doch eigentlich ganz vernünftig aussehen, noch auf andere Umstände hinweist, die mir noch nicht bekannt sind. Die möglicherweise durch das Nichterreichen eines Ziels erst sichtbar werden.

Z.B. Mein Wunsch, nach dem Tod meines Ehemannes nicht allein zu leben, hat sich nie erfüllt. Obwohl ich es doch wirklich gern wollte. Inzwischen habe ich sehr viele Facetten an mir kennengelernt und dabei festgestellt, dass ich unbewusst alle in Frage kommenden Partner abgewehrt habe, weil ich für eine neue Partnerschaft gar nicht bereit war.

Jetzt leide ich nicht mehr, "weil mich keiner mag", sondern ich höre mehr auf meine inneren Signale, die mir meistens ziemlich genau erklären können, warum etwas nicht funktioniert, das ich doch vordergründig tun/haben möchte.
:blume1:
 
Werbung:
AW: Über das Scheitern

Liebe Lilith!

Bewusstsein ist nichts Statisches, und sich näher kennen zu lernen muss auch nicht nicht unbedingt angenehm sein.
Bewusstsein kann Schmerz hervorrufen, wenn der Schleier der Täuschung wegfällt.

Ich kann gut nachvollziehen, was du über Wünsche schreibst und deren Erfüllung, bzw. das Verhindern derselben (schon aus einem tieferen Unterbewusstsein heraus).
Dir ist dieser Umstand bewusst geworden.
Du hast Gründe für eine Handlung gefunden.

Das kann ich nicht.
Solche Bewusstwerdungen im Großen sind mir fremd und auch die kleinen kenne ich nicht wirklich.

Manchmal denke ich mir, ich war mit Drei weiter als jetzt mit 57, und das meine ich nicht aus einer Laune heraus.
Bewusstseinsmäßig bin ich wahrscheinlich in diesem Leben gescheitert,
denn ich kann nur verneinen oder ausschließen, nichts mit Sicherheit sagen.

So vermag ich nicht zu behaupten, ich hätte eine besondere Bewusstseins-Entwicklung erfahren.
Älter bin ich geworden, das ist alles.

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
Alpha-Loser *

* Nicht von mir, aber auch gut.
 
Zurück
Oben