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Tschernobyl - 20 Jahre danach

Hartmut

Well-Known Member
Registriert
15. August 2005
Beiträge
3.007
Hallo,

in wenigen Tagen jährt sich zum 20. Mal der Tag, an dem der schwerwiegendste Reaktorunfall der Geschichte passierte. Dieser Unfall führte zu grösseren gesundheitlichen Auswirkungen besonders für die Tausenden von Arbeitern, die während der ersten Tage sehr hohen Strahlendosen ausgesetzt waren, sowie der Tausenden, die an Schilddrüsenkrebs erkrankten.

Die wirklichen Folgen des Reaktorunfalls in Tschernobyl vor 20 Jahren waren lange Zeit Gegenstand von Spekulationen. Auf Initiative der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO wurde im Jahre 2003 das internationale "Tschernobyl-Forum" gegründet. Dessen Aufgabe besteht darin, die Wissenslücken zu füllen und verlässliche, wissenschaftlich breit abgestützte Grundlagen über die tatsächlichen Folgen des Unfalls auf Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft zu gewinnen. Die Resultate dieser Arbeit hat das Tschernobyl-Forum im September 2005 publiziert.

Der Bericht des Forums, welcher die Arbeiten hunderter Naturwissenschaftler, Ökonomen und Gesundheitsspezialisten zusammenfasst, bewertet die Auswirkungen in den 20 Jahren seit dem schwersten Kernenergieunfall der Geschichte. Er relativiert die bislang zum Teil sehr hoch angegebenen Zahlen von möglichen Tschernobyl-Opfern, die je nach Autor mit bis zu mehreren Hunderttausend Toten angegeben werden.

Tatsächlich wurden bis Mitte 2005 weniger als 50 Todesfälle direkt der Strahlung aus dieser Katastrophe zugeschrieben. Praktisch alle gehörten zu den Rettungskräften, die sehr stark bestrahlt worden waren. Viele davon starben in den ersten Monaten nach dem Unfall, aber andere haben bis ins Jahr 2004 überlebt.

Gemäss Abschätzungen könnten von den rund 200'000 eingesetzten Rettungs-, Bergungs- und Hilfskräften, die in den Jahren 1986/1987 vor Ort eingesetzt und bestrahlt wurden, 2'200 an den Folgen der Strahlung vorzeitig sterben. Etwa 4'000 Schilddrüsenkrebsfälle – hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen – sind auf Kontamination nach dem Unfall zurückzuführen. Mindestens neun Kinder sind daran gestorben. Die Überlebensrate liegt gemäss den Erfahrungen Weissrusslands bei fast 99%. Die Strahlenbelastung der Bevölkerung in den besonders betroffenen Gebieten ist deutlich niedriger als bisher angenommen, und entsprechend gering sind mögliche gesundheitliche Folgen.

Wie denkt ihr über den Unfall in Tschernobyl, seine Folgen und die Konsequenzen für die Kernenergie?

Das fragt
Hartmut
 
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Hallo, Hartmut !

Meine ältere Tochter war gerade in der Frühschwangerschaft, als das Unglück passierte.

All die Schreckenszenarien, ( fall out von radioaktiven Regen, unnormal hohe Cäsiumwerte von Obst, Gemüse und Wild, Waldfrüchten usw. usw.) hat unsere Familie so doppelt erlebt, ging es doch - nicht nur bei uns - um weiter zu gebendes Leben.


Heute, 20 Jahre danach, kannst nicht nur Du - ohne Hass - oder Angsttiraden befürchten zu müssen, Dein fachlich fundiertes Posting hier zur Diskussion stellen.

http://tirol.orf.at/stories/103164/

Hier wird das Problem im Wesentlichen so dargestellt, wie Du es tust.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22436/1.html


Hier wird es kritischer gesehen.



Aber, was immer ich als Nichtfachfrau meine, wird immer sehr vage bleiben müssen, weil ich den Quellen glauben muss.


Aber, dankenswerter Weise fragts Du uns ja nur nach unserer persönlicher Meinung.
Hier ist meine:

Ich glaube Dir und den Kernphysikern, was die unmittelbaren Todesopfer und unmittelbaren Folgen ( Halbwertzeiten des Zerfalls von Cäsium ) anbelangt .

ABER ( was wäre ein Mariannepost ohne dieses Wort):


Seit Tschernobyl sind wir Menschen, ist die Öffentlichkeit wachsamer geworden, was jeglichen Umgang mit Kernenergie anbelangt - Die Frage nach den sicheren Lagerstätten der verbrauchten Brennstäbe ( Atommüll) quält mich halt doch sehr.
Seit Tschernobyl wird verstärkt nach Alternativenergie geforscht - das ist gut so.
Ach ja: last, but not least: die internationale Solidaität während des drohenden Supergaus habe ich noch durchaus positiv in Erinnerung und sehe sie als ein weiteres Puzzleteil für das Verständnis und Bewusstsein der Menschen, in einer Welt gemeinsam verantwortlich zu sein.

Marianne
 
Hallo Hartmut !

Wie denkt ihr über den Unfall in Tschernobyl, seine Folgen und die Konsequenzen für die Kernenergie?
Mich hat der Unfall nachhaltig erschüttert und ich bin froh, in der österreichischen Politik keine Tendenzen zu erkennen, in die Kernenergie einzusteigen. Ich habe anno dazumal mit "Nein" zur Kernenergie gestimmt und würde es auch heute wieder so handhaben. Ich bin vornehmlich für Wasser-, Sonnen- und Windenergie, wenn sie auch eine Spur teurer ist. Nichtsdestotrotz war Bruno Kreisky nach meinem Empfinden der beste Bundeskanzler, den ich erlebt habe (Jahrgang 1949).

Liebe Grüße

Zeili
 
Zeili, in unserer Familie hat die ältere Tochter und ich ( die jüngere durfte bei der Volksabstimmung zur Eröffnung des Atomkraftwerkes Zwentendorf noch nicht mitmachen) gegen und mein Ehemann für gestimmt.
Und ich bin mit Dir über das Ergebnis nein sehr froh.



Aber jetzt mache ich es mal der Miriam nach und stelle Dir, lieber Hartmut, mal TiVi - information zum Thema ein.


Arte TVThemenschwerpunkt "Die Todeswolke"

Tschernobyl und Europa, Dokumentation, Regie: Dominique Gros, Frankreich 2006, 57 Minuten. Erstausstrahlung Arte TV, Dienstag, den 18. April 2006, 20.40 Uhr, Wiederholung: Mittwoch 19. April 2006, 14.40 Uhr

Die Atomfalle, Dokumentation, Regie: Wladimir Tchertkoff, Schweiz 1998, 47 Minuten. Arte TV, Dienstag, den 18. April 2006, 21.40 Uhr

Live-Diskussionsrunde, Moderation: Jürgen Biehle, Arte France, 15 Minuten. Arte TV, Dienstag, den 18. April 2006, 22.25 Uhr

Verstrahlt und vergessen, Tschernobyl und die Folgen, Dokumentation, Regie: Christoph Boekel, Deutschland 2006, 52 Minuten. Erstausstrahlung Arte TV, Donnerstag, den 20. April 2006, 22.25 Uhr
 
Du hast den sachverhalt sehr gut dargestellt, Hartmut.

Leider wurden hier bei uns von gewissenlosen Politikern und Journalisten die Ursachen dieses Unglücks so sehr verdreht und die Folgen so maßlos übertrieben, daß es schließlich mit Billigung der Mehrheit der Bevölkerung zu dem bis jetzt noch gültigen „Ausstiegs“beschluß gekommen ist.

Um den ganzen Globus, vor allem in Asien, werden zuhauf neue Kernkraftwerke gebaut,
in europäischen Ländern werden alte Reaktoren durch moderne ersetzt.
Aber hier in D wurde die Panik am köcheln gehalten.

D hat die sichersten Kernkraftwerke und könnte durch den export dieser Technik dazu beitragen, daß nie wieder ein Tschernobyl passsiert. Aber das haben die grünen Ideologen erfolgreich verhindert.

bedauernde grüße von Claus
 
Ich bin vornehmlich für Wasser-, Sonnen- und Windenergie, wenn sie auch eine Spur teurer ist

Zeili, diese „alternativen“ sind nicht eine „Spur“ teuerer sondern um ein vielfaches.
Sie müssen vom Steuerzahler ganz massiv gestützt werden, daß es der Verbaucher kaum merkt, sonst sind sie schon jetzt pleite.

Wenn der Boom der Atomkraftwerke in Asien erst so richtig brummt, dann haben die uns nicht nur wesentlich billigere Arbeitskräfte, sondern auch noch wesentlich billigere Energie voraus.
Dann gute nacht!

Können wir vielleicht nur noch darauf hoffen, daß in den „Atomländern“ wie Frankreich so viel neue AKW gebaut werden und der Strommarkt dann soweit liberalisiert ist, daß es die folgen des unsinnigen „Atomausstiegs“ bei uns etwas dämpft.

hofft Claus

ps
Wasser lasse ich gelten, das ist eine gute und billige Energie. Aber D hat sie kaum zur Verfügung :(
 
Claus schrieb:
Zeili, diese „alternativen“ sind nicht eine „Spur“ teuerer sondern um ein vielfaches.
Sie müssen vom Steuerzahler ganz massiv gestützt werden, daß es der Verbaucher kaum merkt, sonst sind sie schon jetzt pleite.
Stimmt nicht, Claus! Wir beziehen Ökostrom und der Tarif ist ein kleines bisschen niedriger als "normaler" Strom.
Und die Förderung von Erneuerbaren Energien ist minimal. Wäre sie so hoch wie jene für die Kernenergie (vgl. EURATOM-Vertrag: 40 Mio Euro jährlich allein von Österreich!), hätten wir keine Energieprobleme!

Sonnige Grüße :)
Jane
 
Zitat von Jane S.:
Stimmt nicht, Claus! Wir beziehen Ökostrom und der Tarif ist ein kleines bisschen niedriger als "normaler" Strom.

Die Erzeugungskosten für Strom liegen bei der Kernenergie bei 2 Cent/kWh, für Sonnenenergie bei 50 Cent/kWh.
( Steinkohle 4,5, Wind 9,1).
das war aktuell für D 2004
(ich habs aus einer informationsbroschüre der Energie erzeuger)

Darin sind alle Kosten für die gesetzlichen Versicherungen, die Endlagerung und den Rückbau enthalten.
Und die se Kosten sind in D nicht so hoch wie nötig, sondern so hoch wie möglich.

Warum?
zB wegen der unsinnigen Aufwendungen für die endlagerung.
oder:
In Deutschland beginnt man sofort mit dem Abriß (z.B KKW Lubmin), das wird dann zehnmal so teuer, als würde man 10 Jahre warten. Was kostet also ein Stück grüne Wiese, die man 10 Jahre früher hat?

Naja, ich weiß nicht wie deine Tarife zustande kommen, Jane, aber mit rechten dingen geht das nicht zu.

zweifelnde Grüße von Claus
 
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JaneS. schrieb:
Wer sich nicht nur einseitig damit befassen will, möge auch hier mal reinschauen:

http://www.oekonews.at/index.php?mdoc_id=1014021

LG
Jane

Hallo Jane,

habe mal reingeschaut, fand aber nichts, was ich nicht schon kannte.
Da es in Deinem Link um die IPPNW (Ärzte gegen den Atomkrieg) geht, möchte ich Dich gern fragen, ob Du über die Strahlendosen Bescheid weisst, die Du bei Röntgenuntersuchungen der Ärzte erhältst. Bin gespannt auf Deine Antwort. Ich jedenfalls weiss nicht, wieviel Strahlendosis ich bekomme, wenn ich mal geröntgt werde. Dagegen weiss ich immer genau Bescheid, wieviel Dosis ich nach einem Aufenthalt in einem schweizerischen Kernkraftwerk erhalte.

Statt nun weiter über die Folgen des Unfalls von Tschernobyl zu diskutieren, möchte ich die Aufmerksamkeit darauf lenken, was sich seit Tschernobyl in der "Nuclear Community" getan hat.

Als eine der Lehren schuf die IAEO eine Bewertungsskala zur raschen Information der Bevölkerung bei Unfällen und Störungen in kerntechnischen Einrichtungen. Die Skala reicht von Stufe 0 (sicherheitstechnisch unbedeutend) bis zur Stufe 7 (katastrophaler Unfall wie Tschernobyl). Erst ab Stufe 4 ist mit einer unzulässigen Bestrahlung von Personen zu rechnen.

Seit Tschernobyl gab es 3 Störfälle bzw. Unfälle der Stufe 4, höher eingestufte Störfälle gab es nicht. Ein Unfall ereignete sich in Japan (Brennstofffabrik von Tokaimura, 1999, 2 Tote), einer in Ägypten (2002, habe keine Details) und der dritte wurde erst Anfang April 2006 bekannt.

Der letztere Unfall ereignete sich in einem belgischen Unternehmen, das medizinische Geräte sterilisiert (mit Hilfe einer radioaktiven Kobaltquelle). Dabei wurde ein Mitarbeiter stark bestrahlt. Er litt unter Übelkeit und Erbrechen, aber erst als er fast 3 Wochen später viele Haare verlor, machten die Ärzte einen Bluttest, der dann auf eine massive Verstrahlung hinwies.

Dies ist nur eines von etlichen Beispielen, die zeigen, dass vor allem die zahlreichen radioaktiven Quellen, die im medizinischen und technischen Bereich verwendet werden, bei nicht sorgfältigem Umgang eine grosse Gefahr für Menschen darstellen. Immer wieder hört man von verloren gegangenen radioaktiven Quellen, manche finden sich im Schrott und werden, wenn der Schrotthändler über entsprechende Messgeräte verfügt, herausgefischt, bevor sie in den Schmelzofen gelangen und über den Schornstein in die Umwelt gelangen.

Gruss
Hartmut
 
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