AW: Traditionen und Rituale
S.g. Katja2.
Also ich finde auch, ein halbwegs gut funktionierendes Gehirn und Herrn Kant's kategorischer Imperativ, und du hast schon eine gute Ausrüstung um, in groben Zügen, zwischen richtig und falsch unterscheiden zu können.
L.G. Belair57
Hallo Katja und Belair,
was Belair sagt, ist zum großen Teil auch meiner Meinung nach richtig.
Aber natürlich ist so ein "Raster" im alltäglichen Leben zu grob. Rituale und Traditionen regeln ja auch wesentlich den Alltag zwischen den Individuen.
Beispiel:
Ich finde eine Gastgeberin fett und häßlich. dann präsentiert sie mir ein neu gekauftes quergestreiftes Stretch-Outfit. "Na, wie sehe ich aus?"
Die Traditionen (nämlich unsere Erziehung) sagen uns hier:
"Use a white lie" (schöner englischer Begriff, der mit "Notlüge" schlecht übersetzt ist). Also brubble ich: "Hmmm, nicht übel..."
Klar, was ich sagen müsste, wenn ich ehrlich wäre. Aber diese Ehrlichkeit wäre von Schaden, weil Menschen miteinander umgehen müssen, möglichst ohne sich Wunden zuzufügen. Das erfordert einfach die soziale Interaktion.
Und hier haben Traditionen einen großen Wert, weil sie die soziokulturellen Lehren aus Jahrtausenden repräsentieren.
Katjas Frage erfordert demnach eine zweite Antwort:
Wollte ich alle Traditionen beseitigen, müsste ich im Gegenzug gleich neue schaffen (was mir nicht gelingen wird!), oder ich kriege wieder den ungedämpften Kampf jeder gegen jeden.
Für mich folgt daraus:
Das Überkommene
muss geändert werden (nach den aktuellen Erfordernissen) aber
langsam und mit Augenmaß.
Hier scheint mir auch das Kernproblem bei der Diskussion über die 68er zu liegen: Im Auffinden des rechten Maßes auf beiden Seiten.
Gutes Thema, Katja - ich freue mich, dass Du da bist!
LG, pispezi