ein sehr glücklicher Zufall ist, der unsere Existenz zu etwas sehr Wundersamem, aber doch
lächerlich Unwahrscheinlichem macht5.
Doch beginnen wir weit vor der Zeit, in der Philosophen ihre Weltdeutungen verkünden
konnten.
Was ist das Anthropische Prinzip? Einige Daten
Es gibt in allen uns bekannten Bereichen von Mikro- und Makrokosmos Faktoren, die
sich in bezug auf die Möglichkeitsbedingung zur Entwicklung von Leben oder überhaupt
nur dessen basalsten Voraussetzungen interpretieren lassen. Wir wollen zunächst einen
kleinen Streifzug durch diese verschiedenen Bereiche unternehmen.
• Wäre das Verhältnis von Gravitationskraft und Expansionsgeschwindigkeit des Universums
anders, wäre es nach einer sehr kurzen Zeit wieder in sich zusammengefallen.
Verändert man die Expansionsgeschwindigkeit um den Faktor 10-12 (das ist eins durch
eine Million Millionen) bezogen auf die erste Sekunde nach dem Urknall, hätte das
Universum nach 50 Millionen Jahren aufgehört sich auszudehnen und eine eher lebensfeindliche
Temperatur von etwa 10.000 K besessen. Bei einer schnelleren Expansion
wiederum hätte keine Bildung von Galaxien stattgefunden.6
• Wäre die Expansionsgeschwindigkeit des Universums kleiner, hätte dies eine größere
Wärmeansammlung im Kosmos zur Folge; die Erde wäre wahrscheinlich zu heiß, weil
das thermische Gefälle zwischen Erde und Umgebung zu klein wäre.
• Wäre unsere Sonne viel kleiner oder viel größer, hätte sich auf der Erde, wenn es sie
überhaupt gäbe, kein Leben entwickeln können. Bei kleinerer Masse wäre der Abstand
schon zu groß, bei größerer zu gering; der Temperaturbereich, in dem sich stabile Eiweißmoleküle
bilden können, ist sehr klein. Die Masse der Sonne hat auch großen Einfluß
auf deren Lebensdauer und die Konstantheit der abgegebenen Strahlung. Sonnen
dieses Typs kann es aber überhaupt nur geben, weil die Gravitationskonstante und die
elektromagnetische Feinstrukturkonstante in einem bestimmten Zahlenverhältnis zueinander
stehen.
• Würden die großen Gasplaneten unseres Sonnensystems, vor allem Jupiter, nicht durch
ihre große Masse Meteore und Kometen anziehen, würden etwa 200 Mal mehr Einschläge
auf der Erde stattfinden. Das würde eine starke Bedrohung für die Lebensbedingungen
auf unserem Heimatplaneten darstellen.
• Würde die Erde nicht von einem relativ massereichen Mond umkreist werden, der ihre
Eigendrehung stabilisiert, hätten einige Feinheiten der Lebensbedingungen auf der Erde
nicht über eine lange Zeit relativ gleichmäßig bleiben können.
• Wäre die Erde als Planet etwas kleiner oder größer, wäre die Atmosphäre zu dünn oder
zu dick, um Leben in der uns bekannten, komplexen Form entstehen zu lassen.
5 Diese Deutungsweise haben verschie-dene Natur-wissenschaftler und andere Autoren in diesem Jahrhundert vertreten .
Für JAQUES MONOD etwa war alles Le-ben auf unserem Planeten – und Leben gibt es seiner, wenn auch schon etwas
betagten, Ansicht nach nur auf diesem – nur ein großer galaktischer Zufall, und fast wirkt es, als hätte er ›Unfall‹ sagen wollen.
Inzwischen haben sich die seriöseren Autoren jedoch von solchen Ansätzen entfernt und wagen den Blick in naturwissenschaftliche
Veröffentlichungen.
6ACHTNER 1993 II, S.200
• Besäße die Erde Unregelmäßigkeiten in der Verteilung der Masse, würde sie im Verhältnis
zur Sonne wenig oder gar nicht rotieren, was zur Folge hätte, daß die Temperaturdifferenzen
zwischen der Tag- und der Nachtseite sehr groß wären. Extreme Wetterbedingungen
(Stürme etc.) wären die Folge, vorausgesetzt, es gäbe dann eine vergleichbare
Atmosphäre. Den gleichen Effekt hätte es, wenn die Rotationsachse der
Erde nicht relativ senkrecht zur Bahnebene stünde. Ebenso von Bedeutung für die
Fortentwicklung von Leben sind Faktoren wie das Wechseln von Kälte- und Wärmezeitaltern
sowie das periodische Umschwingen des Erdmagnetfeldes, wobei diese
Schwankungen nicht zu groß ausfallen dürfen, da es sonst zu einem abrupten Faunenoder
Florenschnitt käme.
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• Wäre das Verhältnis der elektromagnetischen Wechselwirkung zur Kernbindungskraft
um einen geringen Betrag kleiner oder größer, würde es keine stabilen Moleküle geben.
Komplexere organische Verbindungen wären nicht entstanden.
• Wäre die Gravitationskraft schwächer und die schwache Kernkraft stärker, hätte es nie
Wasser geben können; Helium wäre in einem Überschuß vorhanden, der die weitere
Entwicklung lähmen würde. Auch hätte es bei einem geringfügig anderen Verhältnis
dieser beiden Größen gar keine Sterne geben können, in denen alle schwereren Elemente
durch Kernfusion erbrütet wurden. Ohne schwere Elemente (vom Helium aufwärts
im Periodensystem) wäre die Entstehung von irgendetwas anderem als kurzlebigen
Sternen nicht denkbar.
• Hätte das Wasser – aufgrund der elektromagnetischen Feldkonstante – keine Dipoleigenschaften,
hätte sich kein Leben entwickeln können, weil alle biologischen Funktionen
von ihm abhängen (Lösungsmittel, Enzymfunktionen, Zellstoffwechsel). Bei anderen
Elementen ist das ähnlich (Magnesium –> Photosynthese). »Die Stoffwechselprozesse
hängen an der Wirkungsweise dieser Elemente, die ihren Charakter
verändern würden, wenn man die Fundamentalkonstanten ändert.«7
• Wäre das Verhältnis von starker und schwacher Wechselwirkung geringfügig anders,
hätten ebenfalls keine komplexeren Moleküle entstehen können. Gleiches gilt für das
Verhältnis von elektromagnetischer Wechselwirkung und starker Kernkraft; wäre diese
etwas höher, wäre beim Urknall aller Wasserstoff bereits zu Helium verheizt worden
(höhere Anziehung => höhere Temperaturen); wäre sie etwas geringer, würden in
Atomkernen nicht mehr als zwei, drei Protonen nebeneinander bestehen können, ohne
auseinanderzufliegen; es gäbe keine höherwertigen Elemente. Es geht hier um
Schwankungen von etwa ±5%.
• Noch ein Beispiel, das die Abhängigkeit und Verknüpfung der einzelnen Faktoren in
sehr kleinen Details deutlich werden läßt: bei der Fusion von Helium (n.b.: nicht Wasserstoff)
und bei der dabei stattfindenden Entstehung höherwertiger Elemente (vor allem
Kohlenstoff) spielt Beryllium eine besondere Rolle als Katalysator. »Auffallend
ist dabei, daß die Lebenszeit des Berylliums (ca. 1017 sec., danach zerfällt es wieder in
zwei Heliumkerne) lang genug ist, um für die Kollisionszeit der He4+He4-Reaktion als
Katalysator zur Verfügung zu stehen. Zur Bildung von C12-Kernen muß innerhalb dieser
kurzen Lebensdauer ein weiterer He4-Kern die Coulombabstoßung überwinden, wozu
eine Temperatur von 2*108K und eine Dichte von 105 g/cm3 benötigt wird. Wichtig
dabei ist, daß das »zufällig« angeregte Niveau von C12 nur wenig größer ist als die Gesamtenergie
von Be8+He4, wodurch die Bildung von C12 ein resonanzartiges Maximum
besitzt, ohne welches das Heliumbrennen erst bei sehr viel höheren Dichten einsetzen
würde.«8
www.student-online.net/Publikationen/597/ap.pdf - Deutschland
7Ebd. S.199.
8ACHTNER 1993 II, S.197.