PhilippP
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Viele Menschen sehnen sich nach selbstbewussten und eloquenten Über-Alles-Bescheid-Wissern.
Wie entsteht dieses Bedürfnis?
Ich sehe es auch so, dass hier tief verwurzelte Bedürfnisse befriedigt bzw. bedient (anders gewendet: finanziell angezapft und abgegrast) werden; ärgerlich ist das für jene, die dadurch ungerechtfertigt in ein schlechtes Licht gerückt werden. Also all jene Lehrerinnen und Lehrer, die täglich einfühlsame und gute Arbeit an ihrer nicht immer einfachen Klientel leisten. Nachweislich mindestens 50% der Lehrkräfte sind hoch effektiv arbeitende Fachpersonen. Sicherlich könnte dieser Anteil höher sein, aber er ist eben auch weit entfernt von dem Bildungsdebakel, das Personen wie Precht gebetsmühlenartig behaupten.
Prechts Argumentation ist nicht nur von grober Unkenntnis in Sachen Bildungsforschung geprägt, sondern auch von logischen Fehlern/Denkfehlern. Ein Beispiel: Er wettert einerseits gegen Persönlichkeitstests und Leistungsmessung, fordert dann aber gerade dies ein, wenn es darum geht, den "idealen" Lehrertypus ausfindig zu machen. Hier wird dann - welch Wunder - plötzlich skrupellos kategorisiert und selektiert, wohingegen die Lernenden von jeglicher systemischer Prüfung und Selektion bewahrt werden sollen. Das passt irgendwie ganz und gar nicht zusammen und von derlei schlampigem Denken wimmelt es bei Precht regelrecht.
Ein kleiner Auszug aus dem oben verlinkten Aufsatz:
Vorwurf 2: Ein Philosoph ohne Logik
Precht hat unter anderem Philosophie studiert. Brodkorb, ebenfalls ein promovierter Philosoph, hält ihm vor, dass er sich nicht einmal an elementare philosophische Prinzipien halte, wenn er aus seiner subjektiven Wahrnehmung, dass sein Sohn Oskar eine miserable öffentliche Schule besuche, schlussfolgere, dass alle öffentlichen Schulen miserabel seien. Schliesslich lerne man «im ersten oder zweiten Semester an jeder deutschen Universität [...], dass Induktion kein logisch gültiges Schlussverfahren» sei. «Aber für eben diese Kleinigkeit, nicht von Einzelfällen vorschnell auf die Allgemeinheit zu schliessen – in politischen Kontexten nennt man das «Vorurteile» und noch viel Schlimmeres –, hat Herr Precht entweder keine Zeit oder keinen Willen [...].»
An anderer Stelle schreibt Brodkorb: «Charakteristisch für Prechts Argumentation ist [...] meist, dass er aus [...] Beobachtungen Dinge schlussfolgert, die zu schlussfolgern er unter Beachtung logischer Grundregeln schlicht nicht berechtigt ist . So ist es zwar wahr, dass es eine Reihe von Lehrkräften gibt, die schlechten Unterricht machen und daher für die schlechten Leistungen ihrer Schüler mit verantwortlich sind. [...] Aber es ist eben logisch unzulässig und in der Sache unsinnig, wegen dieser Teilmenge der Lehrerschaft eine systemische Revolution zu fordern, die ausnahmslos alle Lehrkräfte betrifft – also auch jene, die nachweislich guten Unterricht machen.»
Vorwurf 3: Mangelhafte Recherche und intellektuelle Schlampigkeit
In einem Kapitel seines Buches schwadroniert Precht, der Noten, Hausaufgaben und Jahrgangsklassen abschaffen, Fächer zugunsten von Projekten auflösen und nur noch Gesamtschulen anbieten will, ausgiebig über die preussische Bildungs-Koryphäe Wilhelm von Humboldt und erhebt diesen zum «Kronzeugen dafür, dass nicht der Stoff, sondern das Lernen des Lernens im Mittelpunkt der Schule» zu stehen hätte. Precht behauptet, Humboldts Schule habe keiner Prüfungen bedurft, weil man die Persönlichkeit eben nicht prüfen könne. Dumm nur, dass Jürgen Kaube nachweist, dass man in den Studien Heinrich Bosses, die Precht in seiner Literaturliste aufführt, ausfindig machen kann, «dass Humboldt ein wahrer Prüfungsenthusiast war. Weshalb? Weil er Bildung gegen Privilegien stellte, und wenn nicht geprüft wird, geht es noch ungerechter zu als ohnehin.»