Das wäre doch gar nicht nötig gewesen, dass Du alles rausschreibst, Philipp, ich wollte eigentlich nur die Stelle wissen, hätte es mir bestimmt angeschaut und wäre auf konkrete Kritik von Dir auch eingegangen, aber Du willst eben keine Einzelheiten verstehen, sondern als ganzes aburteilen.
Wenn ich irgend einen Fetzen aus dem Kontext gerissen und zitiert hätte, wäre mir mit Sicherheit genau das vorgeworfen worden.
So bleibt mir nur zu spekulieren, woran Du Dich so sehr störst (ich tippe auf das Wörtchen faul, das Hüther in der Interaktion mit seinem Gesprächspartner übernommen hat und das Du ohne Probleme durch "träge" ersetzen kannst) und wodurch aus inhaltlicher oder formaler Störung Deine Rundumablehnung einer Person wird. Nehme ich also nur augenzwinkernd dankend Deine "Erlaubnis" an, mich glücklich schätzen zu dürfen.
Sicherlich - das habe ich ja mehrmals klar gemacht - störe ich mich generell an den Gleichsetzungen von Alltagsbegriffen mit wissenschaftlichen Phänomenen. Das Gehirn als "faul" zu bezeichnen (oder meinethalben "träge" etc.), ist eine Verschiebung eines Werturteils von der vorwissenschaftlichen (Makro)Ebene auf eine pseudowissenschaftliche Mikroebene. Wie ich schon sagte: Eine solche Haltung lässt jeglichen Versuch, im Phänomen "Gehirn" nach echten Gründen für ein bestimmtes (ggf. normabweichendes, pathologisches) Verhalten zu suchen, als verfehlt erscheinen. Es komme letzthin nur auf Einstellung und Willen an; nochmals Hüther:
"Man muss es wollen wollen"
Ansonsten erwähnte ich durchaus zahlreiche andere Aspekte (u.a. eklatante Mängel in Hüthers Argumentation); gerade weil meine Kritik auf inhaltlichen Mängeln fußt und ich also keine "Rundumablehnung einer Person" durchführe, war es mir wichtig und auch der Mühe wert, meine Kritik zu explizieren.
In dieser Hinsicht verstehe ich deine Argumentation ehrlich gesagt nicht - einerseits lehne ich deiner Meinung nach Hüther pauschal ab, andererseits wird dann ein konkreter Bezug auf inhaltliche Aussagen als zu pauschal kritisiert.
Zu der ADHS Diskussion gibt es eine lange Geschichte, ich habe schon vor 25 Jahren ein Buch in der Hand gehabt. "keine Pillen für den Zappelphilipp", Hüther reiht sich eben in die Liga der Medikamentenkritiker ein, aber er ist nicht Initiator dieser Haltung, sondern einer, der eine alternative Lösungen mit eigener Handschrift propagiert. Entschieden wird das immer noch von Eltern, in den Arztpraxen und psychologischen Beratungsstellen, Hüther bringt sich in die öffentliche Diskussion ein und man kann nur hoffen, das er auch von Fachkräften ernst genommen und öffentlich zur Auseinandersetzung mit den Gegenstimmen "gezwungen" wird.
Was wird von den Eltern und Arztpraxen entschieden? Ob es ADHS gibt oder nicht gibt als Hirnstoffwechselstörung?
Im Jahre 2002 sah sich eine Gruppe von 70 international anerkannten Wissenschaftlern genötigt, auf Grund der hartnäckigen Volkslegenden rund um ADHS zum Schutz der Betroffenen vor Desinformation und Vorbehalten ein öffentliches Statement abzugeben, in dem klar gemacht wird, dass überhaupt kein Zweifel daran besteht, dass es sich um eine Krankheit handelt. Hier ein kurzer Auszug:
"We cannot overemphasize the point that, as a
matter of science, the notion that ADHD does not
exist is simply wrong. All of the major medical as-
sociations and government health agencies recognize
ADHD as a genuine disorder because the scientific
evidence indicating it is so overwhelming."
http://www.russellbarkley.org/factsheets/Consensus2002.pdf
Und das war noch bevor Hüther im öffentlichen Fernsehen dergleichen Stuss verkünden durfte (ab 3:20). Er spricht von einem "angeblichen genetischen Defizit" und davon, dass alle dies (Eltern, Lehrer usf.) als Ausrede benutzen würden und Medikamente die Hirnentwicklung verhindern würden.
Die Eltern sollten "gemeinsam mit den Kindern auf Entdeckungsreisen gehen und gemeinsam etwas gestalten" etc. Das sind Einfachsterklärungen, über die betroffene Familien nur lachen können und zugleich weinen sie darüber, da die Nachbarn mit dem ausgestreckten Zeigefinger vor der Tür stehen: Die geben sich mit ihrem Zappelphilipp keine Mühe, vernachlässigen die Erziehung und stopfen das Kind mit Medikamenten voll, stellen es ruhig. Das ist schädlich für alle Betroffenen und schürt festsitzende Vorbehalte, die allesamt keinerlei argumentative wissenschaftliche Basis ausweisen können.