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Philosophie in unserer Zeit

AW: Philosophie in unserer Zeit

Ich denke, die Hilfe der Philosophie ist gerade die Beschreibung, die Entdeckung. Das wirkt auf die Gesellschaft ähnlich, wie die Selbsterkenntnis beim Menschen.

Grüße
Jing
 
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AW: Philosophie in unserer Zeit

Ich habe eure Beiträge jetzt mehrmals durchgelesen. Mir fällt auf, dass die Betrachtung dieses Themas nirgends ganz persönlich geschieht.

Was mache ich mit meinen philosophischen Überlegungen? Wie beeinflussen meine weisen Erkenntnisse mein alltägliches Verhalten, meine Beziehungen, meine Arbeitsweise?

Ich bin immer sehr erstaunt, wenn Menschen, die die Fähigkeit haben zu denken, viel zu weit weg von ihrem persönlichen Erleben anfangen Fragen zu stellen. Doch wo kann "die Philosophie" etwas konkret tun? Handeln kann nur ein einzelner Mensch, auch nicht "die Wissenschaft", oder die Gemeinschaft oder die Gesellschaft.

Das Zitat von Schnädelbach in Miriams Beitrag #9 finde ich passend zu meiner Meinung.
Ich möchte auch Søren Kierkegaard erwähnen, der sagte: "Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts."

Das ist auch der Grund, warum die Philosophie keine Lösungen für die Zukunft bieten kann. Sie will das bereits Erlebte und Erfahrene hinterfragen und verstehen.

Die Zukunft ist das, was erst entsteht. Da ist Handeln gefragt und da muss man den Blick nach vorne richten. Das ist aber nicht der Ansatz der Philosophie, kann es gar nicht sein. Handeln heißt Entscheidungen treffen, das beinhaltet auch die Bereitschaft, einmal etwas "falsch" zu machen und daraus zu lernen. Die Philosophie kann nicht vorhersehen, was alles falsch gemacht werden kann, denn die Zukunft kennen wir noch nicht und können daher auch nicht beurteilen, was falsch und was richtig ist.

Wir hoffen immer, dass wir endlich den "Stein der Weisen" entdecken mögen, der uns hilft, zukünftige Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen.
Das wäre allerdings das Ende, der Stillstand!

Das Absurde dabei ist, dass es gerade die Sehnsucht nach der Entdeckung der erlösenden Methode ist, die dieses ganze "Werkel" am Laufen hält.

Das ist auch die Geschichte von Sisyphos.
Das Glück finden wir, wenn wir akzeptieren, dass es so ist wie es ist.
In diesem Sinn ist auch meine Signatur gemeint.

Grüße an euch alle!
:blume1:
Lilith
 
AW: Philosophie in unserer Zeit

die zukunft erkennen kann man gewiss nicht, aber aus der geschichte lernen kann man wohl.

das wäre kein stillstand, das wäre fortschritt.

die philosophie kann konkrete wege aufzeigen. kann lösungen zu problemen bieten. kann die gegenwart und die vergangenheit diagnostizieren und auf die zukunft schließen.
 
AW: Philosophie in unserer Zeit

die zukunft erkennen kann man gewiss nicht, aber aus der geschichte lernen kann man wohl.

das wäre kein stillstand, das wäre fortschritt.

die philosophie kann konkrete wege aufzeigen. kann lösungen zu problemen bieten. kann die gegenwart und die vergangenheit diagnostizieren und auf die zukunft schließen.

Das geschieht ja auch. Es sind nur nicht die Philosophen, die das auch in die Tat umsetzen. (Ich bezweifle auch, dass sie Lösungen bieten, denn das ist nicht ihre Aufgabe.)

Was geplant wird und was getan wird, entscheiden im Auftrag des Volkes bei uns (in Ö und auch in D) die Politiker. Das gefällt dem Volk zwar nicht immer, aber so ist es geregelt. Es ist (fast) niemand davon ausgeschlossen, sich als Politiker zu betätigen, aber die meisten ziehen es vor, lieber zu philosophieren bzw. die Tätigen zu kritisieren.

Man vergisst so leicht, dass der Staat im großen und ganzen gut funktioniert, dass die Infrastruktur instandgehalten wird, dass die Erlässe und Anordnungen der Länder und des Bundes auf Gemeindeebene umgesetzt werden. Der ganze Apparat der staatlichen Verwaltung agiert nur auf Anordnung der Politiker.

Das was hauptsächlich kritisiert wird, ist die Parteipolitik. Hier soll festgelegt werden, welche innere Haltung zum Umgang mit der Welt politisch umgesetzt werden soll. Na klar, dass das schwierig ist, wenn jede Partei andere Vorstellungen davon hat, was wichtig ist. Da hat nur die Partei eine Chance, ihre Idee voll umzusetzen, die eine satte Mehrheit in der Regierung hat.

Die Methoden, wie die Parteien zu Wählerstimmen kommen, sind allerdings der Hauptbestandteil des politischen Sumpfes. Der nächste große Anteil am Sumpf ist Korruption. Hier wird die Parteimüdigkeit und die Politikverdrossenheit gezüchtet. Und hier entsteht auch der Eindruck, dass die Philosophie versagt, weil hier politische Manipulation und menschliche Verführbarkeit sichtbar werden.

Jede Partei beruft sich in ihrem Grundsatzprogramm auch auf philosophische Erkenntnisse. Ich weiß von der SPÖ, dass auch Philosophen laufend in beratenden Gremien (auch zu einzelnen Projekten) tätig sind.

Es ist nicht alles sichtbar, was "backstage" läuft. An den Dingen, die öffentlich sichtbar (und auch spürbar) werden, kann man das oft nicht erkennen.

:blume1:
lilith
 
AW: Philosophie in unserer Zeit

Mir scheint es, dass wir nach wie vor eine Antwort suchen auf die Frage welche denn die Rolle der Philosophie sei. Die Frage wurde hier schon gestellt, sie erscheint mir aber so wichtig, dass ich nochmals darauf zurückkomme.
Zusammenfassend kann man sagen, dass wir da zwei große Tendenzen ausmachen können: Philosophie als Orientierungshilfe durch die Beschreibung und Analyse der Phänomene, des Zeitgeschehens – oder aber zusätzlich ein Aspekt der viel weiter führt, dass Philosophie wohl bewusst auch versuchen soll die Welt zu verändern, konkrete Richtungen bzw. Lösungen aufzuzeigen.

Wittgenstein ist einer der bekanntesten Vertretern der ersten hier erwähnten Richtung, er findet, dass die Philosophie in Bezug auf das menschliche Handeln, auf Ethik und Religion, alles lässt und auch lassen soll wie es ist.

Doch es gibt auch diese zweite Richtung, diejenige die von der Philosophie erwartet, dass sie nicht nur beschreiben, sondern auch eingreifen soll in den unterschiedlichen komplexen Phänomenen und Geschehnissen. Auch im Laufe dieser Diskussion wurden die unterschiedlichen Meinungen dazu deutlich.

Diese Phänomene oder die Ereignisse werden heute aber eher von den exakten Wissenschaften beschrieben – natürlich aus völlig unterschiedlichen Perspektiven - und oft bedarf es einer richtigen Puzzlearbeit um die Ergebnisse unterschiedlicher Disziplinen zusammen zu fügen, um zu begreifen wo jeweils ihre Grenzen sind oder aber wo sie ineinander greifen. Diesbezüglich finde ich die Philosophie sehr hilfreich

Sehr interessant finde ich den Blickpunkt einiger Wissenschaftshistorikern oder Wissenschaftstheoretikern. Meiner Ansicht nach liefern sie uns in ihren Publikationen eben den philosophischen, übergeordneten Blick im Bereich der Wissenschaften und ermöglichen uns eine Orientierung in solch komplexen Bereichen.

Einer der hier unbedingt erwähnt werden sollte ist Ernst-Peter Fischer – als Beispiel möchte ich hier auf einen Link hinweisen – es ist ein Interview in dem er sich mit dem heutigen Wissenschaftsdenken sehr kritisch auseinandersetzt:

http://archives.arte-tv.com/hebdo/archimed/19991228/dtext/sujet4.html

Zurück zum Thema der Philosophie unserer Zeit. Auch da möchte ich nochmals Schnädelbach zitieren:


"Erst mal hat Philosophie mit unseren Gedanken zu tun, und zwar nicht mit der Wirklichkeit, sondern mit unseren Gedanken über die Wirklichkeit - oder auch den Gedanken, die sich Wissenschaftler, Politiker oder Juristen über die Wirklichkeit machen."

Nicht gerade eine Erleichterung erfuhr die Philosophie durch den Fortschritt der Neurobiologie bzw. der Neurophilosophen. Als Beispiel sei hier das große Thema des Freien Willens genannt. Früher ein rein philosophisches Thema, kommen sehr konkrete Hinweise seitens der Neurobiologen, die gewisse Zonen und deren Funktion im Gehirn feststellen und so den Freien Willen als ein Problem der Lokalisierung und der Neurophysiologie sehen. (Hier sollte nicht fälschlich vermutet werden, dass die Ergebnisse unterschiedlicher Forscher auf diesem Gebiet das Gleiche beweisen würden. Sie sind sich nur alle einig, dass der Freie Wille rein neurophysiologisch zu definieren sei).

Abgesehen von diesen unterschiedlichen Ergebnissen: eben da bekommt die Philosophie eine sehr wichtige Rolle. Dazu nochmals Schnädelbach:


"Viele Neurophilosophen meinen, dass sie die Philosophie gewissermaßen entmündigen und sich ihrer Themen bemächtigen können, auf Grund dessen, was sie in den Labors feststellen. Zum Beispiel halten sie das Thema Freiheit jetzt für ein allein neurophysiologisches Problem. Die Philosophen haben kaum eine Möglichkeit das Vorgehen im Labor als richtig oder falsch zu bewerten, aber sie können sich die Deutungen, die bestimmte Neurophysiologen mit ihren Versuchsergebnissen verbunden haben, kritisch vornehmen. Dazu kann die Philosophie viel sagen."

Was mich ganz persönlich betrifft: ich stimme völlig mit der Meinung von Schnädelbach überein. Es wäre verkürzt, wenn wir alles nur noch aus der Sicht der Laborergebnisse beurteilen würden. Es wäre gefährlich, wenn man zum Ergebnis käme, dass es keinen Freien Willen gibt und der Mensch als logische Konsequenz auch nicht verantwortlich für seine Taten sei – bzw. es gäbe auch keine Schuldfähigkeit.

Andererseits möchte ich nie mehr eine Gesellschaft erleben, die nach den Vorgaben mancher Philosophen die Welt verändern und neu ordnen sollte – ich habe dies schon mal erlebt, der Philosoph in dessen Namen man behauptete die Gesellschaft umzukrempeln hieß Karl Marx.
Doch ich bin sicher, dass man ihm dabei das größte Unrecht tat.

Freundliche Grüße

Miriam
 
AW: Philosophie in unserer Zeit

Hallo Miriam,
ich finde es wichtig, dass die Philosophen sich zurückhalten und bei der reinen Erkenntnis bleiben. Erstmal würde es ihre Objektivität in Gefahr bringen, wenn sie auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten dürften, zweitens zeigt das Beispiel der „Neurobiologen“ wie leicht man sich in ein theoretisches Gebäude verstricken kann. Das Gesetzbuch nach solchen, angeblich sogar „Neurophilosophischen“, Ergebnissen auszurichten wäre blanker Unsinn.

Grüße
Jing
 
AW: Philosophie in unserer Zeit

P.S.: Die Ansichten von Ernst-Peter Fischer finde ich allerdings gut. Insofern möchte ich mienen Beitrag nochmal differenzieren. Es geht durch ein, im ästhetischen Sinne, gezieltes Forschen, nämlich nicht die objektivem Beweise verloren. Wenn Philosophen versuchten auf die Politik einfluss zu nehmen, verliert sich die Objektivität aber schnell. Der Unterschied besteht darin, dass die einen überlegen, wie man Thesen am besten aufstellt und die anderen schon überlegen, wie man die eigenen Thesen am besten einsetzt. Letzteres muss von jemand anderes gemacht werden: den Ethikern.
 
AW: Philosophie in unserer Zeit

Ethik ist griechisch und bedeutet eigentlich nur die Kunst des guten Lebens,
heute wird es zwar für die Wissenschaftler, die sich mit Menschenrechten und so beschäfftigen aber philosophisch ist damit die Fragestellung gemeint, wie man am besten Lebt.
Auch ist dies wieder ein Bereich der praktischen Philosophie, indem man also nicht nur über etwas nachdenkt sondern auch bewusstr etwas in seiner Lebensführung verändert.
Philosophie sollte aber Meiner Meinung nach immer zu Ergebnissen führen.

Floh
 
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AW: Philosophie in unserer Zeit

Philosophie sollte aber Meiner Meinung nach immer zu Ergebnissen führen.

Ich glaube, die Philosophie (die denkende Beschäftigung mit philosophischen und überhaupt mit Fragen jeglicher Art) führt zwangsläufig immer zu Ergebnissen. Mit Ergebnis meine ich die (bewußte oder unbewußte) Änderung der Lebensweise (des Philosophierenden) aufgrund von Erkenntnissen (erworben durch das Philosophieren), wenn auch meist in minimalstem Ausmaße.
 
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