Gewalt zieht Gewalt an
Wenn das dein Verständnis von "Pazifismus" ist, Ben,......
Mit den Übermächtigen zu kooperieren anstatt sich zu wehren, sich zu arangieren statt zu agieren, klein beigeben, sich fügen, alles dulden und bloß nicht aufbegehren, das ist kein Pazifismus, das ist in meinen Augen Feigheit und nichts anderes.
Hi Rhona!
Ich sagte nie, dass man als Pazifist mit den Übermächtigen kooperieren soll. Ganz im Gegenteil sogar. Und überhaupt trifft deine Formulierung meine Ansichten in keinster Weise. Ich vermute, das ist viel mehr deine Vorstellung von Pazifismus als die meine. Wenn nicht, dann bin ich für deine Vorstellung natürlich offen!
Dein "Alltagsbeispiel" hast du sehr clever gewählt, will ich einmal sagen. Vor allem deshalb, weil es hier nicht mehr darum geht, Gewalt selbst hinzunehmen und ein Beispiel für die Gegner abzugeben, sondern Gewalt an einer geliebten Person zuzulassen.
Um in dem Punkt meine Ansichten zu erläutern, muss ich etwas weiter ausholen, auch auf die Gefahr hin, dass man mich noch weniger versteht und noch "realitätsferner" ansieht.
Ich denke, Pazifismus unterliegt einer gewissen Weltanschauung, die es als selbstverständlich versteht, dass alle Menschen gleichwertig sind. Man kann Menschen nicht in Wertvollere und weniger Wertvolle aufteilen. Noch dazu sehe ich die Menschheit als eine Art riesige Familie an. Wir sind alle im gewissen Sinne Brüder und Schwestern und zwar in dem Sinn, dass wir alle eigentlich nur Suchende nach Glück sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass Gewalt zum Beispiel dieser Suche nach Glück in keiner Weise gerecht wird. Ich sage sogar, Gewalt verletzt unsere Natur. Gewalt oder Gewaltbereitschaft ist meines Erachtens so etwas wie eine Krankheit oder zumindest vergleichbar mit einer Krankheit. Krankheiten schwächen, verletzen und töten Menschen, genauso wie Gewalt.
Aus dem heraus sehe ich Gewaltlosigkeit als etwas Gesundes an. Gesundheit ist immer ein Zeichen von Harmonie, Gesundheit kommt von Harmonie, von körperlicher wie von geistiger.
Da ich eben die Menschheit als eine Art große Familie verstehe, müsste man dein Beispiel meinen Ansichten gerecht umschreiben. In dem Fall würden nicht irgendwelche Typen auf meine Freundin losgehen, sondern meine Brüder oder meine besten Freunde.
Um auf dein Beispiel näher zu antworten muss ich aber noch weiter ausholen:
Ich denke, wir Menschen schaffen uns unsere Wirklichkeit zu einem großen Anteil nur durch unsere Gedanken. Wir ziehen Dinge unseren Einstellungen nach an. Ein Mensch, der zum Beispiel die Einstellung hat, dass in jedem und in allem etwas Gutes steckt, der wird immer wieder mit guten Dingen konfrontiert. Wer das Grauen sieht, der wird immer wieder auf grauenvolle Dinge treffen. Das mag vielleicht für manchen sehr aus der Luft gegriffen klingen, aber ich kann die Wahrheit dieser Aussagen nur mit eigenen Erfahrungen unterstreichen, die dir hier nicht viel nutzen werden.
Der Punkt ist nun folgendes:
Wenn ich in absolut jeden Menschen eine Art Bruder von mir sehe, dann werde ich ihn als genau diesen Bruder kennen lernen. Das sagt mir nun, dass ich gar nie in die Situation kommen werde, in der Menschen so wie in deinem Beispiel agieren werden. Ich habe derartiges auch nie erlebt.
Da du Alltägliches vorziehst, lass mich dir noch etwas aus meinem Alltag erzählen. Ein alter Schulkollege von mir, der an und für sich immer sehr friedliebend war, hatte beim abendlichen Ausgehen immer wieder das Pech blöd angemacht zu werden oder gar einmal eine auf die Nase zu bekommen. Er hat solche Dinge immer magisch angezogen. Ich weiß jedoch genau, dass dieser an und für sich friedliche Kerl zu Menschen eine vergleichbare Einstellung wie Claus hatte. Er zog eine strenge Linie zwischen Freunden, "normalen" Menschen und Verbrechern. Und genau seiner Einstellung nach sind ihm die Menschen im wirklichen Leben immer begegnet.
Obwohl Jahre des Ausgehens habe ich nie derartiges wie mein Schulkollege erfahren.
Als zweites Beispiel könnt ich dir noch von einem Lehrer erzählen, der es ausgezeichnet verstanden hat, unsere Klasse so zu unterrichten, dass alle mucksmäuschenstill waren. Er selbst war ein kleiner, schmächtig wirkender Mann, aber dennoch galt ihm ungebrochner Respekt. Nicht deshalb weil er streng und gnadenlos gewesen wäre, nein, das war er nicht, sondern weil seine ganze Einstellung und seine Ausstrahlung alleine es vermochten, die Schüler zu zähmen. Und dass ohne sie irgendwie einzuschüchtern.
So denke ich auch, dass es Menschen gibt, die allein durch ihre Ausstrahlung von solchen Dingen wie in deinem Beispiel geschützt werden.
Deshalb meine ich, Rhona, es gibt so etwas wie realitätsfernes Denken nicht wirklich. Denn mit unseren Gedanken schaffen wir zu einem großen Teil die Realität, in der wir leben.
Ben