Es läuft ja hier schon wieder alles seine "threadmäßigen " Gang - aber, aber:
ich muss mich als Mensch Gemanistin äußern fühle mich dazu verpflichtet. Nicht zuletzt im Sinne der von Neugier zur Diskussion gebrachtern Fragestellung. ( Diskussionen über das Denkforum .. )
Diesmal setze ich mich sogar in Ruhe vor mein Worksprogramm, um in Ruhe und mit möglichster sowohl fachlicher als auch menschlicher Autorität zum Problem” Ist es erlaubt, zu Celans Todesfuge eine Parodie zu gestalten oder nicht” Stellung zu nehmen, Um diese Diskussion allen verständlich zu machen, greife ich zu einem Mittel, das ich normalerweise nicht anwende, weil ich es bei sachthemenbezogenen interessierten Erwachsen eher albern und belehrend empfinde. Ich definiere den Begriff Parodie, so wie ihn ein Gebildeter - also wir alle, die wir hier schreiben - so ungefähr im Kopf hat.
Die Parodie ist mit der Satire eng verwandt. Der Unterschied liegt in der Wahl der sprachlichen Mittel. Durch Beibehalten der Form des Originals, wird ein anderer, nicht dazu passender Inhalt nachgeahmt. Dadurch wirkt die Parodie - ähnlich wie die Satire - verzerrend, übertreibend oder verspottend.
Schon hier erkennen wir, dass Dyonysos einerseits eine perfekte Parodie erstellt hat.
Ich habe nachskandiert: sogar die Versfüße sind perfekt dem Original angepasst.
Andrerseits müssen wir fragen, ob Miriam nicht doch Recht hat, sich unter die Berufung auf die shoa aufs schärfste gegen Dyonysos` Parodie zu wenden.
Da wäre der Inhaltsdefinitionspunkt: eine Parodie k a n n verspottend wirken, darf das.
Und da ist zu fragen, ob wir es dulden können, dass ein Mensch heutzutage die Thematik der in einem totalitären System durchs Gas Gejagten „ dein aschenes Haar, Shulamit“ in Verbindung mit einer Parodie zu setzen.
Zunächst muss es einer wie Miriam ( und mir) als reine Blasphemie erscheinen.
Blasphemie
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Blasphemie (von griechisch blasphemia, Verleumdung, Lästerung) bezeichnet im weiteren Sinn jede ehrenrührige Rede, insbesondere aber Gotteslästerung. Ob und in welchem Umfang Handlungen oder Äußerungen als Blasphemie betrachtet werden, hängt stark von der ideologischen Ausrichtung der betroffenen Gruppen ab. Bei fundamentalistischen Gruppierungen ist die Schwelle zur Blasphemie im allgemeinen niedriger als im Durchschnitt anzusetzen. Beispiele, die als religiöse Blasphemie angesehen werden:
Verhöhnung religiöser Symbole, beispielsweise das umgekehrte christliche Kreuz
Verhöhnung religiöser Inhalte (Filme wie "Dogma" (der Regisseur Kevin Smith distanziert sich davon Dogma als blasphemisch zu bezeichnen), "Das Leben des Brian" u.ä. Satiren bzw zynische Komödien)
Fluchen, insbesondere solches mit religiösem Inhalt (zum Beispiel "gottverdammt", "heilige Scheiße")
Glaube an andere Religionen oder an andere Götter, insbesondere bei Sekten
Gottesverleugnung
Blasphemie ist in manchen Religionen oder Gesellschaften strafbar. In Deutschland ist die Beschimpfung sowohl von religiösen als auch weltanschaulichen Bekenntnissen bzw. Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungsvereinigungen dann nach §166 StGB (sog. Gotteslästerungsparagraph) strafbar, wenn sie den öffentlichen Frieden stört. Ähnlich in Österreich nach §188, 189 StGB [1].
Ich habe absichtlich den ganzen Wikipediaartikel abkopiert, damit jeder , der hier mitliest ( auch jede), sich ein unvoreingenommenes Bild über die Sachlage machen kann und nicht nur mit dem Herzen urteilt.
Vordergründig kann man also nicht von Blasphemie sprechen: es wird ja kein „ göttliches Symbol“ parodiert. Der Texte ist also auf keinen Fall juristisch gesehen strafbar.
Nur: ist es nicht noch blasphemischer als blasphemisch, wenn wir die gezielte Ausrottung einer Menschengruppe ( Genozid) mit dem Trinken von Bier in Beziehung setzen? Ist der Mensch nicht das Höchste, was wir Menschen haben? Dürfen wir seinen gewaltsamen Tod mit Biertrinken vergleichen?
Meiner Meinung nach nicht. Das verstößt zwar nicht gegen das Strafgesetz, aber es verstößt gegen die Humanität.
Nun: ich setze wieder zum Verständnis für den Texthersteller an. Es könnte sein, dass Du, Dyonysios die Sachlage, das NS-System mit seiner krudesten Verirrung, dem Holocaust, nicht an das gelesene Gedicht“ Die Todesfuge“ angemacht hast. Dann wäre Unkenntnis der Textbedeutung eine, wie immer auch geartete Entschuldigung.
Es könnte aber auch genau das Gegenteil wahr sein: Du schriebst es aus einer Art emotionalen Abwehrstarrheit.
Dazu ein Beispiel aus meinem eigenen Leben, damit Du siehst, dass ich wirklich um Verständnis ringe, und Dich nicht als so eine Art Unmensch hinstellen will.
Als meine Mutter vor etlichen Jahren in Berlin auf dem Sterbebett lag, fuhr ich gleich nach dem Erhalt des informierenden Telegramms von Innsbruck die ganze Nacht durch nach Berlin. Nach endlosen Kontrollen am Bahnhof Friedrichstraße ( - Vopos, Koffer durchwühlen) durfte ich endlich durch die Sperre - und sah alle meine Geschwister - sogar meine Schwester aus Warnemünde stand da): ich wusste mit dem Kopf sofort, dass ich zu spät gekommen war. Es bedurfte nicht der Worte des ältesten meiner Brüder. Und da: nächtlich - tränenlos - begannen wir ein Alltagsgespräch - über meine Kinder.
Das sehe ich heute nicht mehr als mangelnden Liebesbeweis meiner Mutter gegenüber, sondern als psychologische Abwehr von etwas, was ich nicht wahr haben wollte, wohl auch nicht konnte angesichts der Trauer, meiner Mutter nicht noch letzte Worte des Dankes ausgesprochen zu haben.
Und so kann ich Deine Parodie auch als Abwehr verstehen, weil Du Dich den Schrecken nicht aussetzen wolltest/ konntest. Das verstehe ich - das habe ich auch schon und nicht nur im oben erzählten Beispiel getan.
In der Sache schließe ich mich Miriam an und zitiere ein Zitat ( weiß nicht von wem) abschließend:
Man treibt nicht mit Entsetzen Spott.
Freundliche Grüße
Marianne