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Nietzsche - Götzendämmerung

Zu Carlyle und Emerson - Typen, die ich vorher auch nicht kannte - ist eigentlich nicht viel zu sagen. Carlyle mag er nicht, obwohl dieser vielfach ähnliches bewunderte, wie Nietzsche. Emerson hingegen, den mag er. Den Ovid-Vers am Ende des Emerson-Kapitels hat Nietzsche etwas abgeändert. Bei Ovid steht nicht voluptas, sondern voluntas.

Man hält ja auch Nietzsche bisweilen für einen Darwinisten. Das ist er aber ganz und gar nicht. Das Thema Anti-Darwin kommt bei ihm recht häufig vor. Er betont gegen Darwin, daß das Leben sich nicht aus einer Notlage heraus entwickelt, sondern aus Überfluß. Und leider setzen sich selten die Starken durch, sondern eben die Schwachen, entweder durch die Überlegenheit ihrer großen Zahl oder mittels List.

In Kapitel 15 mußte ich ganz stark überlegen, was Nietzsche hier meinen könnte. Der Sinn erschließt sich nämlich nicht gleich. Er vergleicht zwei Arten von Menschen-Kennern. Der erste Psychologe gibt offen zu, Vorteile durch seine Menschenkenntnis erlangen zu wollen. Der zweite hingegen agiert angeblich vollkommen selbstlos, unpersönlich. Dieser zweite Psychologe gibt rein wissenschaftliche Objektivität seiner Menschen-Kenntnis vor. Nietzsche deckt aber auf, daß dieser "Unpersönliche" sich dadurch über die anderen stellt, die er beobachtet. Er distanziert sich und überhebt sich. Letzteres hält Nietzsche für schlimmer, denn er ist ein Menschen-Verächter.
 
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Man hält ja auch Nietzsche bisweilen für einen Darwinisten. Das ist er aber ganz und gar nicht. Das Thema Anti-Darwin kommt bei ihm recht häufig vor. Er betont gegen Darwin, daß das Leben sich nicht aus einer Notlage heraus entwickelt, sondern aus Überfluß. Und leider setzen sich selten die Starken durch, sondern eben die Schwachen, entweder durch die Überlegenheit ihrer großen Zahl oder mittels List.
Da muss ich Nietzsche's Auffassung widersprechen: Ich denke schon, dass sich meist die Starken durchsetzen und Geist nicht unbedingt notwendig ist. Im Tierreich herrscht zB das Gesetz der Stärke. Wieso sollte das beim Menschen anders sein?
Aber diese Stelle hat mich persönlich überrascht.

In Kapitel 15 mußte ich ganz stark überlegen, was Nietzsche hier meinen könnte. Der Sinn erschließt sich nämlich nicht gleich. Er vergleicht zwei Arten von Menschen-Kennern. Der erste Psychologe gibt offen zu, Vorteile durch seine Menschenkenntnis erlangen zu wollen. Der zweite hingegen agiert angeblich vollkommen selbstlos, unpersönlich. Dieser zweite Psychologe gibt rein wissenschaftliche Objektivität seiner Menschen-Kenntnis vor. Nietzsche deckt aber auf, daß dieser "Unpersönliche" sich dadurch über die anderen stellt, die er beobachtet. Er distanziert sich und überhebt sich. Letzteres hält Nietzsche für schlimmer, denn er ist ein Menschen-Verächter.
Ich denke, dass nur der zweite ein Psychologe ist. Der erste Menschenkenner ist für mich eher jemand, der sich zu einem Politiker entwickeln könnte - auf lange Sicht hin gesehen. Den zweiten Menschenkenner halte ich für den Psychologen schlechthin. Und er hat recht, wenn er diesen als großen Unpersönlichen ansieht, der auf die Menschen herabsehen will. Einige Psychologen des 20. Jhd. haben furchtbare Experiment durchgeführt: s Milgram-Experiment oder Stanford-Prison-Experiment. Ethisch würden diese heute kaum noch durchgehen. Auch das Robber's Cave - Experiment von Sherif finde ich fragwürdig. Also für mich sind nicht beide Menschenkenner Psychologen, sondern nur der zweite, aber der ist besonders schlimm. Das Wort "Psychologe" erwähnt er ja mit keinem Wort. Es bleibt also offen, wie man diese Menschenkenner einordnet. Das Beobachten gehört ja auch zur Psychologie schlechthin. Und Nietzsche hat auch vorher das reine Sehen, um zu sehen, kritisiert. Von den Psychologen erwartet man sich aber Objektivität, dass diese nur für die Wissenschaft arbeiten. Aber natürlich sind diese auch Menschen und haben vielleicht oder vielleicht auch nicht das Bedürfnis, auf andere herabzusetzen. Der zweite Menschenkenner ist für mich also der Psychologe und der erste Menschenkenner kann für uns alle stehen, wenn wir uns durch das Studieren der Menschen Vorteile für uns erhoffen. Ich sehe den ersten Menschenkenner als viel globaler an.
 
Der erste ist - da denke ich auch wie du - der normale Menschenkenner. Jeder braucht ja Menschenkenntnis, um durchs Leben zu kommen. Der zweite ist der wissenschaftliche Psychologe, der eigentliche Psychologe (wie du sagst). Nietzsche, der selber Psychologe ist, beobachtet nun aber die Psychologen höchst selbst, um deren ach so "uneigennützigen" Hintergründe zu erfahren, die gar nicht so uneigennützig sind, sondern menschenverachtend. Nietzsche ist der sehr viel geschicktere Psychologe. Ob er dabei unpersönlich und selbstlos ist, oder sich auch Vorteile erhofft? Er hat wahrscheinlich den eigenen Vorteil im Sinn, diese Psychologen zu entlarven (und zu vernichten).
 
Der erste ist - da denke ich auch wie du - der normale Menschenkenner. Jeder braucht ja Menschenkenntnis, um durchs Leben zu kommen. Der zweite ist der wissenschaftliche Psychologe, der eigentliche Psychologe (wie du sagst). Nietzsche, der selber Psychologe ist, beobachtet nun aber die Psychologen höchst selbst, um deren ach so "uneigennützigen" Hintergründe zu erfahren, die gar nicht so uneigennützig sind, sondern menschenverachtend. Nietzsche ist der sehr viel geschicktere Psychologe. Ob er dabei unpersönlich und selbstlos ist, oder sich auch Vorteile erhofft? Er hat wahrscheinlich den eigenen Vorteil im Sinn, diese Psychologen zu entlarven (und zu vernichten).
Ja, ganz uneigennützig wird Nietzsche auch nicht handeln. Das ist schon witzig: Nietzsche agiert wie ein normaler Menschenkenner und kritisiert die Psychologen, ohne selbst ein wissenschaftlicher Psychologe zu sein.
Psychologie hat Nietzsche ja nie studiert, er hat sich nur so damit beschäftigt. Einen Abschluss im formellen Sinn hat er darin nicht.
Aber dieses laienhafte Psychologisieren wird ihm gefallen haben.
 
Ich bin jetzt bei "Streifzüge eines Unzeitgemäßen 36: Moral für Ärzte". Das ist natürlich harte Kost, wie Nietzsche über Kranke spricht - und auch ein wenig ironisch, weil er selbst mehr krank als gesund war. Es ist schon witzig, wenn einer, der selbst die meiste Zeit gelitten hat, nun den Kranken als Parasit der Gesellschaft bezeichnet. Aber ich nehme Nietzsche hierin sehr ernst. Er formuliert manchmal überspitzt, aber das, was er hier schreibt, meint er ernst - und da kann sich Volker Gerhardt auf den Kopf stellen. Ich habe eigentlich von Volker Gerhardt bisher nur ein Video gesehen, aber das hat mir schon einen Eindruck von seiner Nietzsche-Auslegung vermittelt.

Sehr interessant finde ich auch das, was er über den Tod geschrieben hat: Er soll aus freien Stücken zur rechten Zeit gewählt werden, sodass man noch Abschied nehmen kann. Ob Nietzsche wohl die österreichische Sterbeverfügung gutheißen würde?
 
Also ich bin noch nicht so weit. Ich bin erst bei Kapitel 19. Das Thema lag dir ja eigentlich am Herzen. Ich kenne mich da nicht so richtig aus.
Es gibt also kein Schönes an sich, wie es in Kapitel 19 heißt, es gibt nur Schönes für uns. Unser Interesse ist es, daß uns etwas als schön empfinden läßt. Es ist ein menschliches Urteil. Wir setzen den Menschen als Schönheitsmaß ("der Mensch als Maß aller Dinge"). Tiere würden wohl ein anderes Maß setzen. Aber selbst zwischen den Völkern setzt jeder sein eigenes Maß. Wir Europäer finden höchstwahrscheinlich Aborigines häßlich, möglicherweise aber die uns auch.

Zum Thema Krankheit: Nietzsche soll in seiner Jugend ziemlich sportlich und auch gesund gewesen sein. Beim Militär hat er einen Sturz vom Pferd erlitten, im Krieg dann als Sanitäter die Ruhr bekommen. Dadurch ist er wohl etwas kränklich geworden. An und für sich war er das aber nicht. Aber an dem Kapitel bin ich noch nicht dran.
 
Also ich bin noch nicht so weit. Ich bin erst bei Kapitel 19. Das Thema lag dir ja eigentlich am Herzen. Ich kenne mich da nicht so richtig aus.
Es gibt also kein Schönes an sich, wie es in Kapitel 19 heißt, es gibt nur Schönes für uns. Unser Interesse ist es, daß uns etwas als schön empfinden läßt. Es ist ein menschliches Urteil. Wir setzen den Menschen als Schönheitsmaß ("der Mensch als Maß aller Dinge"). Tiere würden wohl ein anderes Maß setzen. Aber selbst zwischen den Völkern setzt jeder sein eigenes Maß. Wir Europäer finden höchstwahrscheinlich Aborigines häßlich, möglicherweise aber die uns auch.
Interessant fand ich eher den Gedanken, dass der Mensch sich im Schönen als Maß der Vollkommenheit nimmt und er das Schöne in die Dinge hineinlegt. Aber eigentlich vermenschlicht der Mensch die Welt nur. Spannend ist auch, dass er in dem Fall für Platon Partei ergreift und sich vehement gegen Schopenhauer richtet. Aber bei der Stelle über Platon frage ich mich: War Platon pädophil?
Durch diese Stelle verstehe ich auch, wie Nietzsche zum Vorreiter des späteren Existentialismus werden konnte.

Zum Thema Krankheit: Nietzsche soll in seiner Jugend ziemlich sportlich und auch gesund gewesen sein. Beim Militär hat er einen Sturz vom Pferd erlitten, im Krieg dann als Sanitäter die Ruhr bekommen. Dadurch ist er wohl etwas kränklich geworden. An und für sich war er das aber nicht. Aber an dem Kapitel bin ich noch nicht dran.
In jüngeren Jahren ging es ihm tatsächlich noch besser. Diesen Eindruck habe ich auch.

Aber später fing es dann an: immer wieder Kopfschmerzen und an keinem Ort - bis auf Sils Maria und Nizza - fühlte er sich wohl. Immer wieder probierte er neue Diäten aus und keine hat ihm gepasst. Also stabil würde ich das nicht nennen. Mimosenhaft trifft es eher. Wenn du dich nie irgendwo wohl fühlst und ständig ein Wehwehchen hast, bist du extrem wehleidig und hochsensibel. Er hat seine Wehwehchen aber sicherlich gut angenommen, er wird darüber nie geklagt haben. Ich sehe seine Leiden auch in dem Sinne als etwas Wertvolles an, dass er mit ihnen philosophiert hat und sie bei ihm zu einer tollen Philosophie geführt haben. Für mich ist das bei Nietzsche eine Philosophie, die aus der Hochsensibilität geboren wurde.
Ich bin selber in manchen Bereichen sensibler als andere. Meine Umgebung halte ich aber im Großen und Ganzen schon aus.
 
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Spannend ist auch, dass er in dem Fall für Platon Partei ergreift und sich vehement gegen Schopenhauer richtet. Aber bei der Stelle über Platon frage ich mich: War Platon pädophil?
Zu Platons Zeiten war es normal, daß ein Jüngling einen erwachsenen Mann als "Liebhaber" hatte (die berühmte griechische Knabenliebe). Das war in den meisten Fällen rein intellektuell, wie etwa Jesus als Gefolgschaft Jünger um sich scharte, oder wie ein heutiger Professor Mentor seiner Studenten ist. Aber es gab auch pädophile Beziehungen. Platon war da jedoch rein platonisch, Sokrates auch. Hier ging es nur um die akademische Bildung der Jünglinge im Sinne Platons, schöngeistige Menschen heranzuziehen, eben schöne Jünglinge. Die Stelle bei Platon zur "Zeugung im Schönen" steht im Symposion 206 b-d, und wird dort nach einer Rede der Diotima von Sokrates referiert. Übrigens wird auch im Symposion gezeigt, wie sich der junge Alkibiades um die Gunst des Sokrates bewirbt, und Sokrates sehr distanziert auf Alkibiades reagiert.
 
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