AW: Neues aus Russland
Gern sei der Versuch unternommen, eine Meinung in die hitzige Debatte einzubringen.
Vorab: Das Wahlbeobachtungssystem zu Präsidentschaftswahlen via Webcams konnte ich persönlich mittels der Facebook-Anwendung WEBVYBORY überprüfen. Ich konnte in Echtzeit in alle Wahllokale, vor allem in Moskau, aber auch St. Petersburg, Nischni Nowgorod, Smolensk, Rostow am Don, Kasan, Nowosibirsk und Irkutsk schauen. Ca. 20 Wahllokale dort, wo ich einmal persönlich war.
Die ersten Bilder kamen von dort, wo man begann, aus Tschukotka, eigentlich nur bekannt durch den Oligarchen Roman Abramovitsch.
Alle Kameras funktionierten einwandfrei, man konnte wechseln, je Wahllokal waren i. d. R. zwei Kameras installiert, eine davon an der/den Wahlurnen.
Dabei gab es auch Lustiges: In einem sibirischen Dorf (Ich sah nur den Screenshot im Web.), Name vergessen, beobachtete die Webcam die Verkäuferin im Dorfladen, das "Magasin" war gleichzeitig Fischtheke und Wahllokal.
Fazit: Das System Wahlüberwachung via Webcams hat funktioniert, seine Sinnhaftigkeit kann man gern erörtern.
Mein Blick auf Russland sagt mir, dass es zu Putin als Staatspräsident in absehbarer Zukunft keine Alternative gibt.
Was dies heißt "absehbare Zukunft", vermag ich nicht zu sagen, aber einen im Interesse der Gesellschaft als solcher agierenden Gegenspieler mit Charisma, Überzeugungskraft und vor allem der Fähigkeit, die eigenen, ganz persönlichen Machtinteressen hintenan zu stellen, kann ich nicht erkennen.
Sollte sich ein solcher profilieren können (und dies muss geschehen), wird dies Jahre dauern.
Zudem bleibt abzuwarten, wie der propagierte Putin 2.0 innenpolitisch agieren wird. Unter Umständen werden wir uns wundern. Und mancher Russe auch.
Die außerparlamentarische Opposition ist zerstritten wie eh und je, weder gibt es eine/mehrere breit anerkannte Führungspersönlichkeit/en, noch ein handhabbares Konzept für die tatsächlich notwendigen Reformen im politischen System.
Hier findet sich meine Sicht auf die Opposition
http://timirjasevez-blog.de/?p=555, der "Runde Tisch 12. Dezember" wird uns vielleicht noch verblüffen.
Das Thema Manipulationen und Wahlfälschungen wollte ich eigentlich nicht mehr erörtern. Warum?
Erstens, weil für die APO und Teile der parlamentarischen Opposition (Kommunisten) die Wahl bereits als gefälscht galt und so propagiert wurde, bevor man überhaupt zu den Urnen schritt.
Putin & Co. hätten beliebig agieren können, sie galten per se als "Diebe und Gauner" (Nawalny).
Zweitens, weil die hiesigen Medien in absoluter Mehrheit undifferenziert ins gleiche Horn gestoßen haben.
Drittens, weil Unregelmäßigkeiten bei Wahlen in einem Land dieser Dimension fast Automatismen sind.
Viertens, weil die APO im Wahlkampf der Macht nichts vorzuwerfen hat, was sie nicht selbst getan hätte. Im Internet war dies gut nachvollziehbar.
Und fünftens, weil zumindest inTeilen die APO tatsächlich vom Ausland, vor allen den USA, gefördert und finanziert wird. Die NGO "Golos" ist dafür ein trauriges Beispiel.
Und wer hat hierzulande schon zur Kenntnis genommen, dass im Januar der neue USA-Botschafter in Russland Michail McFault zweimal mit gut bekannten russischen Oppositionellen zusammenkam, um sie der Unterstützung Washingtons zu versichern.
Das hat nicht nur in der Staatsduma für helle Aufregung gesorgt, weil auch Parlamentarier dabei waren, sondern hat der Opposition bei vielen Wählern dicke Minuspunkte verschafft.
Ergo: Es gab Unregelmäßigkeiten; Nachlässigkeiten; Versäumnisse u. ä. bei diesen Wahlen. Aber für mich keinen Wahlbetrug oder Manipulationen.
Hinter die OSZE-These der "unfairen Wahlen" stelle ich ein Fragezeichen.
Keiner der Gegenkandidaten war wirklich eine wählbare Alternative zu Putin.
Und bevor jetzt der Name Grigorij Jawlinski fällt ...
Eine Bemerkung zum Schluss: Gegenüber den Duma-Wahlen hat nur Putin und damit "Einiges Russland" prozentual zulegen können. KPRF-Chef Sjuganow blieb unter dem seinerzeitigen Wahlergebnis seiner Partei, noch ärger Schirinowski und Mironow. Sie blieben einstellig. Und Prochorow ... no comments!