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Lieblingsgedichtssammlung

AW: Lieblingsgedichtssammlung


:)
Der Blusenkauf

Wenn Frau'n was kaufen, geht das flink,
ich weiß, wie's meinem Freund erging,,
der, jung vermählt, wollt in der Früh
mal ins Büro, da sagte sie:
"Lass mich ein Stückchen mit dir gehen" -
dann blieb sie vor ´nem Laden stehn.
"Komm, gib mir's Geld - bin gleich zurück,
es dauert nur ´nen Augenblick.
Bleib draußen", sprach Frau Suse,
"ich kauf mir bloß ´ne Bluse."

Nun geht sie rein - "´nen Augenblick".
Ihr Mann, sehr heiter, bleibt zurück. -
Er freut sich - ´s Wetter ist sehr schön,,
sieht Kinder, die zur Schule gehen. -
Und sie sagt drinnen zur Mamsell:
"´ne blaue Bluse, aber schnell!"
Nun schleppt man alle blauen rein,
und nach ´ner Stunde sagt sie: "Nein,
ich finde keine nette,
ich möchte ´ne violette."

Nun packt man violette aus.
Ihr Mann, geduldig, steht vorm Haus.,
denkt: "Ziemlich lange währt so'n Kauf",
geht auf und ab - und ab und auf -
und sie sagt drinnen: "Das ist nett!
Wie kam ich nur auf violett?
Da fällt mir ein, Frau Doktor Schmidt
geht immer mit der Mode mit -
und die trägt jetzt ´ne gelbe.
Ach, geb'n Sie mir dieselbe."

Nun packt man alle gelben aus.
Ihr Mann wird hungrig vor dem Haus.
Der Mittag naht - die Sonne sticht,
die Kinder komm'n vom Unterricht. -
Und sie sucht drin und sagt alsdann:
Was geht Frau Doktor Schmidt mich an!
Wie kam ich auf ´ne gelbe nur?
Es wird ja Frühling, die Natur
zeigt frohe Hoffnungsmiene,
ach, geb'n Sie mir ´ne grüne."

Nun packt man alle grünen aus.
Ihr Mann wird matt und seufzt vorm Haus:
"Gern kauft' ich ´ne Zigarre mir,
jedoch das Geld, das ist bei ihr-" -
Und sie sagt drin: "Beim Sonnenschein,
da wird das Grün zu dunkel sein." -
Da schaut er rein. "Mein Portemonnaie."
Sie sagt: "´nen Augenblick noch. Geh!
Ich bin ja gleicch zur Stelle. -
Ach, geb'n Sie mir ´ne helle."

Nun packt man alls hellen aus.
Da gibt's ein Ungewitter drauß:
Es regnet bis zum Abendbrot -
und sie sagt drinnen zur Mamsell:
"So'n Wetter heut - und dazu hell?
Und übberhaupt, wir haben bald
April, da wird's oft nass und kalt,
dann bin ich die Blamierte.
Ach, geb'n Se ´ne karierte."

Nun packt man die karierten aus -
und er stöhnt, frei nach Goethe, drauß:
"Was ewig weiblicch, zieht uns an.
Das Weib, das zieht sich ewig an." -
Und sie probt drin und sagt entsetzt:
"Was - Nummer vierundvierzig jetzt?
Nicht zweiundvierzig, schlank und schick?
Dann nichts Kariertes - das macht dick",
ihr Blick zur Taille scchweifte.
"Dann geb'n Sie ´ne gestreifte."

Nun packt man die gestreiften aus.
Ihr Mann, der wankt und röchelt drauß:
"Ein Augenblick!" Das war ihr Wort! -
Dann fällt er um - man trägt ihn fort. -
Da kommt sie mit ´ner roten raus.
"Hier bin ich schon", ruft froh sie aus -
und schreit: "Mein Mann!! Mein einz'ges Glück!
Gott, ist er tot? - Ein Augenblick!"
Und in den Laden starrt se:
"Dann geb'n Sie mir ´ne scchwarze."

Otto Reutter
http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Reutter












 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung

Der Schwan

Nichts
über den Wassern
und schon hängt am Augenschlag
schwanenhafte Geometrie
wasserbewurzelt
aufrankend
und wieder geneigt
Staubschluckend
und mit der Luft maßnehmend
am Weltall -


Nelly Sachs
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Auferstehung

von Marie Luise Kaschnitz

Manchmal stehen wir auf,
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.

Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken.
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.

Und dennoch leicht,
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung,
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

:blume1:
Ich ging hernieder weite Bergesstiegen
Und fühlt im wundervollen Netz mich liegen,
In Gottes Netz, im Lebenstraum gefangen.
Die Winde liefen und die Vögel sangen.

Wie trug, wie trug das Tal den Wasserspiegel!
Wie rauschend stand der Wald, wie schwoll der Hügel!
Hoch flog ein Falk, still leuchtete der Raum.
Im Leben lag mein Herz, in Tod und Traum.

- Hugo von Hofmannsthal -
:regen:
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Erinnern

Ich will das Bild
vom Tag mit dir

wie eine Katze
ihre Jungen
am Nacken nimmt
mit sanften Biss

in meine Stille
tragen.

Christoph Wilhelm Aigner
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

.
Im Sommer

Dünnbesiedelt das Land.
Trotz riesiger Felder und Maschinen
Liegen die Dörfer schläfrig
In Buchsbaumgärten; die Katzen
Trifft selten ein Steinwurf.

Im August fallen Sterne.
Im September bläst man die Jagd an.
Noch fliegt die Graugans, spaziert der Storch
Durch unvergiftete Wiesen. Ach die Wolken
Wie Berge fliegen sie über die Wälder.

Wenn man hier keine Zeitung hält
Ist die Welt in Ordnung.
In Pflaumenmuskesseln
Spiegelt sich schön das eigene Gesicht und
Feuerrrot leuchten die Felder.

Sarah Kirsch
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

.
Was frag ich viel nach Geld und Gut,
wenn ich zufrieden bin !
Gibt Gott mir nur gesundes Blut,
so hab' ich frohen Sinn
und sing' aus dankbarem Gemüt
mein Morgen- und mein Abendlied.

Johann Martin Miller
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Gönn Dir was Gutes,
auch wenn Du in Not bist,
was hast Du vom Leben,
wenn Du erst tot bist!

(unbekannt, vom Trödelmarkt)
;).:katze3:
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Es wird Herbst
Peter Boll
Seit die Sonne früher flieht,
Ist uns kälter ums Gemüt,
Jedes wärmere Gefühl
Schwindet, wenn es draußen kühl.
Alle Bänke stehen leer,
Niemand küßt im Freien mehr.
Feucht weht es aus Waldesgrund,
Und es etzt sich selbst der Hund
Nur noch mit gesträubtem Haar
Auf das kalte Trottoir.
Ottos Hals ist roh und rauh,
Minna geht zur Modenschau,
Ludwig hackt das Brennholz klein,
Emma heizt mit Naßbrennstein,
Rattengift wird ausgelegt,
Und der Dichter schenkt bewegt
Sich das sechste Schnapsglas voll,
Was vor Grippe schützen soll.
So verändert alles sich
Äußerlich und innerlich,
Doch der Mensch treibt lebenslang
Heiter immer mittenmang.​

:regen:.:katze3:
 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung

Kleine Auseinandersetzung
von Mascha Kaléko

Du hast mir nur ein kleines Wort gesagt.
Und Worte kann man leider nicht radieren.
Nur geht das kleine Wort mit mir spazieren
Und nagt...

Uns reift so manches stumm in Herz und Hirn,
Den anderen fremd, uns selbst nur nah im stillen.
Das schläft, so lang die Lippen es verhüllen,
Entschlüpft nur unbewacht, um zu verwirrn.

Was war es doch? Ein Nichts. Ein dummes Wort...
So kurz und spitz. Leis fühlte ich das Stechen.
In solchen Fällen kann ich selten sprechen,
Drum ging ich fort.

Nun wird ein Abend wie der andre sein.
Sinnlos mein Schweigen, ziellos mein Beginnen.
Leer wird die Zeit mir durch die Finger rinnen.
Das macht ich weiß mich ohne dich allein.

...Ich muß schon manchmal an das Ende denken
Und werde dabei langsam Pessimist.
So ein paar Silben können kränken.
- Ob dies das letzte Wort gewesen ist?​

:verwirrt1:katze:
 
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