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Lieblingsgedichtssammlung

AW: Lieblingsgedichtssammlung

Liebe Weberin
Danke für dein Danke!

Gedichte können trösten.

Hier mein "ÜBER"lebensgedicht


Schön so ein Baum

Welch Betroffenheit auf einmal,
wenn der Blick auf einen Baum fällt,
auf einen Baum wie diesen.
Sag Eiche, sag Linde, sag Ahorn.

Schön so ein Stamm. Gesammelte Kraft
aus allen Wettern und Jahreszeiten,
sich eigenwillig verschenkend
in eine Wolke aus zärtlichem Gelb und Grün.

Nicht weglaufen wollen, stehen und wurzeln.
Blühen und welken und wieder blühen.
Auch über schmerzlichem Boden
das Dach der Treue breiten.

Blätter: wieviel verraschelte Träume.
Äste: wieviel abgeschlagene Bitten.
Aber die Narben lachen,
aber die Verwundungen haben Überlebt.

Auch er nicht in den Himmel gewachsen.
Die Sprache des Holzes sagt demütig ja.
Wäre er mensch,
wäre er wissend und weise.

Schön so ein Baum
und gut sich darunterzustellen.
Er will nichts anderes sein,
als was er ist.

So einen Freund müßte man haben.
So müßte man selber sein.

Detlev Block


Mein Lieblingsbaum: Die Kiefer im Felsboden gewachsen: Überlebungskünstler

Ich wünsche euch einen schönen Tag!
Mongi
 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung


Unter Sternen

Wende dich, du kleiner Stern,
Erde! wo ich lebe,
daß mein Aug', der Sonne fern,
sternenwärts sich hebe!

Heilig ist die Sternenzeit,
öffnet alle Grüfte;
strahlende Unsterblichkeit
wandelt durch die Lüfte.

Mag die Sonne nun bislang
andern Zonen scheinen,
hier fühl ich Zusammenhang
mit dem All und Einen!

Hohe Lust, im dunklen Tal,
selber ungesehen,
durch den majestät'schen Saal
atmend mitzugehen!

Schwinge dich, o grünes Rund,
in die Morgenröte!
Scheidend rückwärts singt mein Mund
jubelnde Gebete!


Gottfried Keller
http://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Keller
 
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Zeitgemäße Ansprache

Wie kommt es nur, daß wir noch lachen,
Daß uns noch freuen Brot und Wein,
Daß wir die Nächte nicht durchwachen,
Verfolgt von tausend Hilfeschrein,

Habt ihr die Zeitung nicht gelesen,
Saht ihr des Grauen Abbild nicht?
wer kann, als wäre nichts gewesen,
in Frieden nachgehen seiner Pflicht?

Klopft nicht der Schrecken an das Fenster,
Rast nicht der Wahnsinn durch die Welt,
Siehst du nicht stündlich die Gespenster
vom blutigroten Trümmerfeld-?

Des Tags, im wohldurchheizten Raume:
Ein frierendes Kind aus Hungerland,
Des Nachts, im atemlose Traume:
Ein Antlitz,das zu eins gekannt.

Wie kommt es nur, daß du am Morgen
Dies abtust wie ein Kleid
Und wieder trägst die kleinen Sorgen,
Die kleinen Freuden, tagbereit.

Die Klugen lächeln leicht ironisch:
Ca cèst la vie. Des Lebens Sinn.
Denn ihre Sorge heißt lakonisch:
Wo gehn wir heute abend hin?

Und nur der Toren Herz wird weise:
Sieh, auch der große Mensch ist klein.
Ihr lauten Lärmer, leise, leise.
Und laßt uns sehr bescheiden sein.

Mascha Kale´ko


 
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Die Frage bleibt

Halte dich still,
halte dich stumm,
Nur nicht forschen,
warum, warum?
Nur nicht bittre
Fragen tauschen,
Antwort ist doch nur
wie Meeresrauschen.
Wie's dich auch
aufzuhorchen treibt,
Das Dunkel,
das Rätsel,
die Frage bleibt.

Theodor Fontane
 
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Joachim Ringelnatz

Kuttel Daddeldu besucht einen Enkel

» Mein lieber Heini! –Denn so heißt du ja wohl?–
Über die Folgen der Weiber und des Alkohol
Mußt du mal deine Mutter befragen, –
Oder nein!! Besser schon gehst du
Damit zum Lehrer. – Ich will dir nur Eines sagen:
Gehe niemals zur See!! Verstehst du?
Denn das Seemannsleben ist sauer ernst und schwer;
Und wie du mich hier mit meinem weißen Bart
Siehst – du dummer Bengel, so kik doch her! –
Habe ich mir bis heute noch keinen Groschen erspart.

Mein lieber Heini! du bist heute konfirmiert oder eingesegnet.
Ich schenke dir hiermit, weil du nun eingesegnet oder gefirmt
Bist, diesen Schirm. Nicht, daß er dich jemals beschirmt.
Sondern, wenn's mal recht kabelgarndick vom Himmel regnet,
Sollst du ihn an der nächsten Kante in Stücke zerschlagen.
Denn ein rechter Kerl muß jedes Wetter vertragen
Und nur auf Gott und seinen Kaptein vertraun.
Und sollte dir jemals jemand was andres sagen,
Dem mußt du deine Seekiste über den Bregen haun.
Weil ein Mann sich soll as ein Kerl benehmen,
Und laß dich nicht vor den Landratten lumpen.
Wenn wir uns auch mal im Hafen den Schlauch vollpumpen,
Deswegen braucht sich von uns an Deck keiner zu schämen.
Denn jedes Frauenzimmer will sich doch mal amüsieren,
Und als Schiffsjunge heißt es vor allem parieren.
Wenn einem draußen solch dicker Teifun
Durch Nase und Arschloch pfeift, – –
Dann hättest du Großvater Daddeldun
Sehen sollen, wie er den Jungens die Eier schleift!

Hauptsache ist, daß man nur richtig die Lage peilt.
Was die Studierten predigen, das ist alles Beschiß.
Mein erster Bootsmann hat sich viermal die Syphilis
Nur mit Spiegelscherben und Branntwein geheilt. –
Was feixt du da, naseweiser Flegel! –
Das ist alles Wort für Wort wahr
Und gar nicht zum Lachen.

Na laß man. Du bist erst fünfzehn Jahr.
Da wollen wir beide mal heute mit vollem Segel
So einen Trip durch Sankt-Liederlich machen.«
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Quint-Essenz

Mal ist die Tür zum Paradies
geschlossen und mal offen,
weil manches Mal man nüchtern ist
und manches Mal besoffen.

Heinz Erhardt
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Der Waldsee

Wie bist du schön, du tiefer blauer See!
Es zagt der laue West, dich anzuhauchen,
und nur der Wasserlilie reiner Schnee
wagt schüchtern aus der stillen Flut zu tauchen.

Hier wirft kein Fischer seine Angelschnur,
kein Nachen wird auf deinem Spiegel gleiten;
wie Chorgesang der feiernden Natur
rauscht nur der Wald durch diese Einsamkeiten.
Waldrosen streu'n dir ihren Weihrauch aus
und würz'ge Tannen, die dich rings umragen,
und die wie Säulen eines Tempelbaus
das wolkenlose Blau des Himmels tragen.

Einst kannt' ich eine Seele, ernst, voll Ruh',
die sich der Welt verschloß mit sieben Siegeln;
die, rein und tief, geschaffen schien wie du,
nur um den Himmel in sich abzuspiegeln.

Heinrich Leuthold​
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung






Gruß an die Morgendämmerung

Sieh diesen Tag !
Denn er ist Leben, ja das Leben selbst.
In seinem kurzen Lauf
Liegt alle Wahrheit, alles Wesen deines Seins;
Die Seeligkeit zu wachsen,
Die Freude zu handeln,
Die Pracht der Schönheit,
Denn gestern ist nur noch ein Traum,
Und Morgen ist nur ein Bild der Phantasie,
Doch heute, richtig gelebt, verwandelt jedes Gestern
In einen glückseligen Traum
Und jedes Morgen in ein Bild der Hoffnung.
So sieh denn diesen Tag genau !
Das ist der Gruß der Morgendämmerung


Kalidasa​
http://de.wikipedia.org/wiki/Kalidasa

 
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