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Kapitalistische Verbrechen

Marianne schrieb:
Wenn das kein systemimmanentes Verbrechen ist ?
Es ist undiffenzierte, unsachliche Kritik.

Vor vier Jahren untersuchte ich in einem sechsmonatigen ethnologischen Feldpraktikum die sozioökonomischen Auswirkungen der Nilbarschindustrie auf die Bevölkerung der Region West Yimbo am Vik- toriasee in Kenia (neben Kenia grenzen Tansania und Uganda an den Viktoriasee). Schon damals galt – bei «engagierten» Kreisen im Westen – die Nilbarschindustrie als ungerecht für die Lokalbevölkerung und als wirtschaftlich, sozial und ökologisch verheerend.

Aber für die ansässige Bevölkerung zählt vor allem, dass Arbeitsplätze geschaffen wurden. In Kenia zum Beispiel nahm die Zahl der Fischer am Viktoriasee von 10000 im Jahr 1973 auf ein Fünffaches zu, das sind – wenn man die Verarbeitung dazurechnet – 15 Prozent der Arbeitsplätze. Allein in der Region West Yimbo (Kenia), die 1999 knapp 18000 Einwohner zählte, wurden seit der Entstehung der Nilbarschindustrie Mitte der achtziger Jahre so viele Arbeitsplätze geschaffen, dass bis 1999 rund 5500 Menschen vom Hinterland an die Küste wanderten. Entgegen den Aussagen vieler Entwicklungsorganisationen (allen voran der IUCN) und im Gegensatz zu Saupers Film kam ich zum Schluss, dass auch die Lokalbevölkerung in hohem Mass von der Kommerzialisierung des Nilbarschs profitiert hat. Die Nilbarschindustrie bietet in einer Region mit sonst limitierten Ressourcen und Beschäftigungsalternativen eine Vielzahl von Möglichkeiten, einer verhältnismässig gutbezahlten Lohnarbeit nachzugehen und sozial aufzusteigen

Im Film werden dem Zuschauer Zusammenhänge eingeredet, die empirisch nicht haltbar sind: Ein Verzicht auf den Genuss von Nilbarsch bei uns hätte nicht eine Verminderung der Strassenkinder, Hungersnöte oder Aids-Toten in Tansania zur Folge. Ohne einen internationalen Markt wären die Fischer ohne Beschäftigung und die Menschen noch ärmer, zumal der Nilbarsch von der Uferbevölkerung weit weniger konsumiert wird als Ti- lapia (eine Buntbarschart) und Dagaa (eine Sardine), deren Bestände sich übrigens positiv entwickeln. Ein Embargo auf den Nilbarschhandel würde auch das ökologische Gleichgewicht nicht wiederherstellen, das nach der Aussetzung des Nilbarschs in den fünfziger Jahren aus den Fugen geriet (der Nilbarsch, die Spitze der Nahrungskette, hat die einst üppige Fischfauna von 400 Arten auf weniger als die Hälfte dezimiert). Zudem hätte ein Stopp der kommerziellen Ausbeutung des Nilbarschs für Tilapia und Dagaa womöglich fatale Konsequenzen.

Die These, globalisierte Märkte führten unweigerlich zu Armut und Ausbeutung in der «Dritten Welt», ist heute Mainstream. Es ist also nicht so, dass der Film «aufdeckt, was man lieber verbirgt», wie eine Zeitung lobte. Eher bedient er das Publikum genau mit den undifferenzierten, emotionalisierten Bildern, die es erwartet. Der Film reiht sich ein in einen globalen Diskurs, der die afrikanische Bevölkerung auf arme und passive Objekte reduziert, die den «Gesetzen des Weltmarkts» wehrlos ausgeliefert sind.


Quelle: Weltwoche.ch

Gruss
Camajan
 
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Danke für die sachliche Kritik, die mit Abzitiertem begründet wird.Kannst selber auch formulieren? ( Das ist eine unsachliche Äußerung!)


VORSCHLAG:
Wie wäre es, wenn wir uns in ZUkunft darauf beschränkten, unsere ideologischen Standpunkte mittels Zitaten ( LINKangabe reichte auch) an den virtuellen Kopp zu knallen. ( Das ist ein ironischer Vorschlag)


Ich liebe tendenziöse Dokumentarfilme. Sie rütteln auf und verstecken nicht unter einer Maske von Scheinobjektivität die Realität. ( Das ist eine persönliche Meinung)


Marianne

außerdem: ich habe nirgendwo auf den Verzicht von Viktoriabarsch aufgefordert. Ich bin doch keine Weltverbesserin, die Lösungen für Unlösbares, Gewachsenes so locker aus dem Finger tippt

Wenn Du nicht nur rumgemeckert hättest, sondern den ganzen Thread verfolgt hättest, müsstest Du merken, dass es uns ( Hartmut, Diethelm und mir) darum geht, Ungerechtes, das systemimmanent ist, aufzuzeigen.Keiner von uns hat Antwort - aber uns ein das Unbehagen an Bestehendem. ( Das ist eine vielleicht unzulässige Vereinnahmung meiner Mitdiskutanten Hartmut und Diethelm.)

Nicht mehr und nicht weniger habe ich mit dem Hunger- in-der- Welt -- Faden hier versucht -Aufzeigen von systemimmanenten Inhumalitäten
 
Marianne schrieb:
Danke für die sachliche Kritik, die mit Abzitiertem begründet wird.Kannst selber auch formulieren? ( Das ist eine unsachliche Äußerung!)
Ja. Ich teile deine Empörung über den Hunger in der
Welt voll und ganz. Aber ich vermeide Linearisierung
von komplexen, nicht-linearen Zusammenhängen
mit dem Ziel angebliche Monokausalitäten auszumachen.

Desweiteren bin ich darauf trainiert, nicht dogmatisch vorzugehen

"hier sind die Fakten, wo finden sich die Evidenzen,
um die Fakten zu unterstützen?"

sondern wissenschaftlich

"hier sind die Evidenzen, welche Fakten können wir
daraus ableiten?"

Gruss
Camajan
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Nilbarschindustrie bietet in einer Region mit sonst limitierten Ressourcen und Beschäftigungsalternativen eine Vielzahl von Möglichkeiten, einer verhältnismässig gutbezahlten Lohnarbeit nachzugehen und sozial aufzusteigen

vor der 'Nilbarschindustrie' waren alle arbeitslos,
keiner hat gefischt,
von sozialem Aufstieg gar nicht zu reden
 
Ja. Ich teile deine Empörung ... voll und ganz.
Aber ich vermeide Linearisierung von komplexen, nicht-linearen Zusammenhängen mit dem Ziel angebliche Monokausalitäten auszumachen.

Desweiteren bin ich darauf trainiert, nicht dogmatisch vorzugehen

"hier sind die Fakten, wo finden sich die Evidenzen,
um die Fakten zu unterstützen?"

sondern wissenschaftlich

"hier sind die Evidenzen, welche Fakten können wir
daraus ableiten?"

Gruss
Camajan

im Namen von Marianne danke ich Dir

Marianne ist eine Frau
und kann nur monokausal denken

hier gibt es Hunger, dort wird Essen vernichtet
ist keine Evidenz
und folglich gibt es auch keine Fakten
 
Evidenz: kapitalistische Verbrechen
Fakt: hier gibt es Hunger, dort wird Essen vernichtet
 
Zuletzt bearbeitet:
gänzlich undogmatisch


künstlich herbeigerufener Kollaps eines Ökosystemes
ohne Sicherheit,
daß das neue erwünschte Ökosystem stabil bleibt

künstlich herbeigerufener Aufbruch ins Industriezeitalter
ohne Sicherheit,
daß die neue Wirtschaftsweise nachhaltig besser für die Menschen ist
 
Zuletzt bearbeitet:
Evidenz: hier gibt es Hunger, dort wird Essen vernichtet
Fakt: Export des Fisches, Fischerei für Eigenbedarf unmöglich
 
scilla schrieb:
Marianne ist eine Frau
und kann nur monokausal denken


In meinem eigenen Namen und dem aller Frauen danke ich Dir, Scilla für diese eindeutige Klassifizierung, der ich aber, wie folgt, entgegne:

Marianne* und viele Frauen können multikausal denken, sehen es aber für diskussionseffizienter an, eine möglichen Ursache aufzuzeigen und dieser " nachzuwassern" - was bei dem Fischthema ja ganz passend ist, kommt mir vor.


Marianne

* darf ich Dich, scilla, daran erinnern, dass ich Historikern bin - da hat " mann" ( die Herren Professoren) auch uns blöden Weibern eingetrichtert, wie wissenschaftlich- historisches Denken funktioniert. URSACHEN und WIRKUNGEN heißen die beiden Tugendworte einer historischen Betrachtung ( Achte bitte auf den Plural)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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scilla schrieb:
im Namen von Marianne danke ich Dir

Marianne ist eine Frau
und kann nur monokausal denken

hier gibt es Hunger, dort wird Essen vernichtet
ist keine Evidenz
und folglich gibt es auch keine Fakten

Ohne in Einzelheiten mich zu verzetteln:

Auch gewisse Denkweisen sind eines der Auswüchsen des Kapitalismus. Denn dazu gehört ja auch das Aufrechterhalten eines gewissen Frauenbildes. Hier z.B. die Frau die zum multikausalen Denken nicht fähig ist.

Warum dieses Bild so gerne von einigen, wenigen gepflegt wird?
Vermutlich weil der Kapitalismus nicht wirklich in Frage gestellt werden sollte - und das könnte ein multikausales weibliches Denken vielleicht doch verursachen.

Ich bitte die anderen männlichen Diskutanten um Nachsicht, wenn meine Worte verallgemeinernd interpretiert werden könnten.
 
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