AW: Islam ist ...
„ Da du offensichtlich die Probleme, die mit der steigenden Anzahl der streng gäubigen Muslime hier in Europa entstehen, ignorierst wäre es intererssant welche Vorteile oder welche Bereicherung du konkret in der weiteren Verbreitung des Islam in Europa oder im Westen allgemein siehst. Wie kann eine Religion/Kultur mit, man kann fast sagen, mittelalterlichen sozialen Verhalten und Strukturen die Lebenssituation oder Demokratie im Europa/Westen verbessern ??? “
Da Sartchi, aus welchen Gründen auch immer, anscheinend nicht in der Lage war mir diese Frage zu beantworten, möchte ich dir jetzt diese Frage stellen.
P.S. Um ein Problem rechtzeitig und vernünftig lösen zu können sollte man es auch rechtzeitig als Problem erkennen!
L.G. Belair57
Hallo Belair,
Um die Frage zu beantworten, teile ich die Frage noch einmal auf....
Die Vorteile einer multikulturellen Gesellschaft sind hier im Ruhrgebiet - wo seit Jahrzehnten eine friedvolle und tolerante Kulturgesellschaft existiert - am Besten nachzuvollziehen. Dadurch dass man mit allen Kulturen mehr oder weniger Kontakt hat, die Menschen mit ihren unterschiedlichen Mentalitäten, kulturellen Eigenarten und Persönlichkeiten kennen zulernen, haben sich jene Vorurteile reduziert. Sicherlich gibt es auch hier noch große Probleme, jedoch haben die Menschen hier die Erfahrung im Umgang mit verschiedenen Kulturen.
In jenen Regionen die vergleichsweise dünn mit ausländischen Mitbürgern bevölkert sind, z.B. in Ostdeutschland mit extrem hoher Ausländerfeindlichkeit, bleiben die Vorurteile bestehen, weil es eben keinen echten Kontakt mit anderen Kulturen gibt.
Konkret zu den islamischen Mitbürgern:
> Die Kontakte, welche ich hier haben, sagen mir, dass die meisten eher eine gemäßigte, liberale Glaubensart haben. Leider ist diese Mehrheit recht still und unauffällig. Dadurch richtet sich das allgemeine Interesse - insbesondere das der Medien - auf jene extremen, radikalen und fundamentalistischen Gruppierungen. Über eine friedliche Kulturgemeinschaft zwischen gemäßigten Moslems und reformierten Christen ist es zu langweilig, um darüber medienwirksam zu berichten. Wenn aber wieder ein Ehrenmord stattgefunden hat, schlachtet das die Presse gezielt aus. Es entsteht dadurch eine verzerrte Sichtweise, die annimmt, dass die Mehrheit der Moslems radikal oder fundamentalistisch ist. Jeder, der sich mal intensiver mit den Koran befasst hat, weiß, dass auch jene Suren, die beispielsweise zum heiligen Krieg aufrufen und von Bin Laden rezitiert werden, auch nur aus dem Gesamtzusammenhang gerissenen Einzelverse sind. Der Aufruf zum Heiligen Krieg bezog sich zu Mohammeds Zeiten auf die Legitimation des islamischen Glaubens in der Auseinandersetzung zwischen Mekka und Medina. Es kam kurz zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Allerdings, wenn Bin Laden die Sure weiter rezitieren würde, müsst er sinngemäß sagen, dass der Frieden wichtiger ist.
Zum Vergleich: Die Kreuzzüge der Christen im Mittelalter waren kein Legitimationskrieg, der den christlichen Glauben legitimierte, sondern es waren Eroberungskreuzzüge mit völliger Unterwerfung der eroberten Länder, die dann das Christentum zwangsweise einführten. Der im Koran beschriebene Heilige Krieg jedoch war so gedacht, dass man erst jenen islamischen Glauben legitimiert.
Die Gemeinsamkeiten der abrahamischen Religionen sind viel größer, als man dies meint. Es ist auch nicht sinnvoll sich in Unterschieden zu definieren und sich an radikalen Elementen zu reiben.
Was ist die Bereicherung?
Die große globale Ökumene, also jene von Hans Küng ins Leben gerufene Abrahamische Ökumene (Juden, Christen, Moslems) plus die asiatischen Weltreligionen (Buddhismus, Hinduismus, Toaismus) und die Naturreligionen (z.B. Aborigines und Indianer) können nur in der allgemeinen Akzeptanz des anderen bestehen. In der Nähe von Dortmund, in Hamm ist der größte europäische Tempel der Hindus mit jährlichen Festen. Es ist nicht nur ein kulturell bereichernder Ort, sondern dort lernt man direkt, wie und warum solche Feste und Riten gefeiert werden. Die Kulturen müssen dazu im Dialog treten. Es gilt jene Ressentiments zu überwinden, stereotypisches Denken mit Vorurteilen aufzugeben und sich dem Fremden zu öffnen - nicht um jene fremden Religionen anzunehmen, sondern um zu verstehen und zu begreifen, warum die Menschen dies so tun und was sie dabei fühlen, welche Bedeutung das für die Menschen hat.
Die neo-atheistische Verdummung des Menschen ist meiner Meinung nach ein viel größeres Problem, als die Religionen insgesamt. Durch das Fehlen eines Legitimationsglaubens in der Breite der modernen aufgeklären Gesellschaft, der die Ethik bestimmt, moralisches Verhalten regelt usw. haben wir eben jene Monadenbildung, also die Abspaltung des Individuums von der Gesellschaft, welches Ignoranz, Unverständnis, Einsamkeit, Herzenskälte, Gefühlsarmut usw. hervorbringt.
Jene pragmatischen und hermeneutischen Erklärungen und Sprachauslegungen der nach-metaphysischen Ethik, stehen auf einer sehr dünnen Basis, die gerade in Zeiten des Umbruchs verstärkt werden sollte.
Wir stecken inmitten einer Globalisierungsphase, die weder umzukehren, noch aufzuhalten ist. Man kann das Tempo der Globalisierung maximal etwas verlangsamen.
Der Umbruch zeichnet sich durch folgende Wissenschaften ab:
Neurobiologie (Hirnforschung)
Gentechnik
Robotnik (Künstliche Intelligenz)
Quantenphysik und String-Theorien
Vergessen wir nicht, der Mensch hat seine universelle Natürlichkeit aufgegeben. Wir haben uns selbst zur Ware gemacht. Der Mensch ist reproduzierbar. Der Mensch kann sich selbst designen. Das sind keine Utopien mehr, sondern dies ist die Realität.
Und all dies aus der Kraft des Verstandes, der auch die Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki einsetzte.
"...denn sie wissen nicht was sie tun..." Lukas-Evangelium
Fazit:
Die Akzeptanz heißt nicht, dass ich hier und Du da - also jeder seinen Bereich hat und es keine Überschneidungen und keine Gemeinsamkeiten gibt, sondern die Akzeptanz ist die Toleranz der Koexistenz in einer Kooperation.
Diese elementare Tatsache, als Basis des gesamten biologischen Zusammenlebens haben die Herren Maturana und Varela im "Baum der Erkenntnis" bereits vor über 20 Jahren herausgearbeitet. (thematisiert hier im Forum bei den Philosophen)
Lieben Gruß
Axl