Kommt darauf an, womit du vergleichst. Wenn du das Gehalt von Wissenschaftern mit jenen der Gesamtbevölkerung vergleichst ist das insofern hier nicht zielführend, weil ein Wissenschafter selten eine Entscheidung a'la "Wissenschafter oder Straßenbahnfahrer" treffen muss. Wissenschafter sind in der Regel Akademiker, insofern wäre es schon mal zielführender, Wissenschaftergehälter mit anderen Akademikergehältern zu vergleichen. Am Treffendsten wäre aber noch Richtungsmäßig gebunden.
Die konkrete Frage, die sich einem Wissenschafter in seinem Leben in der Regel stellt ist "bleibe ich an der Uni und arbeite weiter wissenschaftlich oder gehe ich in die Wirtschaft". Alternativ zur Uni gibt es noch andere wissenschaftliche Arbeitgeber (uninahe Forschungsunternehmen, NPOs, etc...). Die zahlen aber schlechter als die Privatwirtschaft. Ergo, wer auf Geld großen Wert legt, wird eher in die Wirtschaft gehen als bei der (Grundlagen)-Forschung zu bleiben.
Nun, da du die Wissenschaft als brotlose Kunst bezeichnet, bzw. sie mit ihr verglichen hast, habe ich das Gehalt der Wissenschaftler natürlich mit den Tätigkeiten verglichen, die man tatsächlich als brotlose Kunst bezeichnet, weil es den Personen, also i.d.R. den Künstlern, nicht oder kaum möglich ist, von ihrer Berufung als Künstler (über)leben zu können und sie nicht selten auf andere Einnahmequellen angewiesen sind. Und das kann man von den verschiedenen Wissenschaftlern sicher nicht behaupten, also unabhängig davon, ob sie in die Privatwirtschaft gehen oder in Forschungsunternehmen arbeiten.
[...] Neben der Auftragsforschung gibt es auch die "freie Forschung". Bei dieser kann sich ein Institut selbst aussuchen, woran es forscht. Das soll verhindern, dass es eben kein Gegengewicht zur Auftragsforschung gibt, bei der es zumeist ein Wunschresultat gibt. Das soll nicht heißen, dass Auftragsforschung generell korrupt ist, aber sie hat Macht und Macht braucht Kontrolle, die u.A. durch die "freie Forschung" gegeben ist.
Freie Forschung klingt ja wirklich toll, aber wie frei kann eine Forschung tatsächlich sein? Ich meine nicht nur frei von den Geldgebern, die diese Forschungen bezahlen, sondern auch frei von Vorgaben, was mit welchem Ziel erforscht werden soll. Diese Freiheit dürfte m.E. tatsächlich nur ein Wissenschaftler haben, der genug Geld hat, um (s)eine Forschung selbst bezahlen zu können. Jeder andere, wird wohl auf die Gehälter und die Vorgaben der Auftraggeber angewiesen sein, die damit natürlich auch etwas bezwecken und erreichen wollen.
Das gilt, wie oben beschrieben, für die Auftragsforschung. Grundlagenforschung hingegen hat kein konkretes, wirtschaftlich verwertbares Ziel. Beispiel ist die Untersuchung des Paarungsverhaltens der westjavanesischen Suppenschildkröte. Hier kann man der Erforschung schwerlich kommerzielle Absichten unterstellen.
Naja, könnte es vielleicht sein, dass man das Paarungsverhalten der Suppenschildkröte deshalb erforscht, damit auch zukünftig genügend von ihnen im Suppentopf landen werden?
[...]
Aber, auch für die Öffentlichkeit ist es wichtiger Krankheiten zu erforschen, die eine breite Masse tangiert. Wäre es verantwortlich, genauso viel Geld und Zeit in die Forschung einer Krankheit zu investieren, die lediglich 20 Menschen weltweit betrifft wie in die Krebsforschung ?
Wenn genug Geld dafür da wäre, wäre es sicher auch zu verantworten, Geld und Zeit in die Forschung einer Krankheit zu investieren, die nur wenige Menschen weltweit betrifft. Aus diesem Grund gibt es ja zahlreiche Stiftungen von Betroffenen, bzw. deren Angehörigen, die sich dafür einsetzen, die jeweilige Krankheit erforschen zu lassen.
Die Wissenschaft hat ihre Ideale. Aber, will man ein Ideal realisieren, muss man eben auch der Realität ihren Tribut zollen und demnach Abstriche vom Ideal machen. Dass Krebsforschung intensiver betrieben wird als die Erforschung seltener Krankheiten ist so ein Abstrich. Auch hat Krebsforschung in der Regel ein konkretes Ziel, nämlich dessen Heilung. Andere Aspekte von Krebs erfahrend dadurch weniger Aufmerksamkeit. Auch eine Abweichung des wissenschaftliche Ideals, aber dagegen wird wohl kaum jemand protestieren wollen.
In diesem Zusammenhang möchte ich dir einmal die fiktive Frage stellen, was man deiner Meinung nach tun würde, wenn man in der Krebsforschung, durch Zufall ein ganz preiswertes Medikament, ohne nennenswerte Nebenwirkungen, entdecken würde, durch das der Krebs aller Patienten schnell und kostengünstig heilbar wäre? Mir ist natürlich klar, dass es ein solches Medikament nicht gibt, aber genau diese Frage habe ich vor vielen Jahren einmal einem sehr guten Arzt gestellt und wollte von ihm wissen, ob er es seinen Patienten geben würde, obwohl er wissen würde, dass sie dadurch voraussichtlich nie wieder zu ihm kommen müssten, ob er es nur seinen Lieblingspatienten geben würde oder ob er es gar nicht erwähnen würde, weil er seine Patienten ja zum Überleben benötigt.
Ich habe dabei zwar noch das nette Einfamilienhaus und den weißen Benz erwähnt, aber grundsätzlich geht es doch darum, dass nicht nur die Wissenschaft selbst, sondern auch die Pharmaindustrie, die Industrie, die die ganzen Geräte herstellt, die Krankenhäuser, Ärzte, Apotheken, Reha-Einrichtungen, etc. ein Interesse daran haben, dass sich ihre Tätigkeit auszahlt.
Daran, dass es Wissenschaftler gibt, die völlig uneigennützig, also aus reiner Neugier forschen, glaube ich jedenfalls nicht, also außer wenn sie so viel Geld haben, dass sie nicht von ihrer Forschung leben müssen.
Denn, wie du selbst schreibst…
Die Wissenschaft existiert letztendlich ja nicht als Selbstzweck, sondern wird betrieben, um daraus einen Nutzen zu ziehen. Oft ist der Nutzen sehr absehbar und konkret, oft ist er nicht absehbar (Beispiel Suppenschildkröte). Aber, Wissenschaft ist auch Manifestation einer grundlegenden menschlichen Eigenschaft, der Neugier. Die Evolution hat dem Menschen (aber auch anderen Lebewesen) Neugier eingepflanzt, und diese hat in Summe ihre Vorteile. Auch wenn der schnüffelnde Hund an ein Stinktier oder an einen Seeigel gelangen kann, in Summe ist er dem an der Erforschung seiner Umwelt nicht interessierten Hund langfristig unterlegen.
…wird jede Wissenschaft betrieben, um irgendeinen Nutzen daraus zu ziehen.