@EarlGrey : Um auf deine Frage zunächst einzugehen, ich würde sagen, dass Poesie bzw. Dichtkunst immer auch eine Kunst der Sprache ist. Man könnte nun unterscheiden zwischen einer Poesie/Dichtung die weniger rhetorisch ist und einer Poesie , die eben rhetorisch ist. Soweit ich weiß spricht beispielsweise Hegel in seiner
Ästhetik von einer "rhetorischen Poesie" und die Poesie ist für ihn die höchste aller Künste. weil sie schlechthin die "redende Kunst" ist. Anderseits unterscheidet er zwischen "Beredtsamkeit" im ursprünglichen Sinne, also das Halten von prosaischen Reden (die weniger poetisch sind) und eben Dichtung/Poesie. Poesie kann rhetorisch sein wie bei
Seneca (der nebenbei gesagt auch Philosoph war) oder auch bei
Ovid oder auch die Tragödiendichter (vor allem Euripides wäre hier besonders zu nennen, den Nietzsche ja auch als rhetorisch-sophistischen Dichter in der
Geburt der Tragödie sieht), dass sind quasi literaturgeschichtliche Beispiele wo Rhetorik und Poetik zusammen gehen. Es gibt natürlich auch Dichter, die weniger rhetorisch als Seneca oder Euripides (Hegel jedenfalls sieht in Seneca ein Beispiel für "rhetorische Poesie" soweit ich mich erinnern kann hinsichtlich der Lektüre seiner
Ästhetik). Nietzsche macht allerdings Euripides zum Vorwurf, dass er quasi die Tragödie rhetorisiert hat und damit eine Negativentwicklung eingleitet für die Tragödie. Aber ob man Nietzsches Urteil über Euripides als rhetorischen Dichter übernimmt, ist natürlich eine andere Frage. Euripides ist für ja auch ein "sokratischer Denker", hinter dem Sokrates steht. Bedauerlicherweise hat Heidegger gerade diese Punkte bei seiner Lektüre der Geburt der Tragödie nicht thematisiert, sondern konzentriert sich nur auf den Aspekt der Kunst. Er geht also nicht auf alle Punkte dieses Frühwerks von Nietzsche ein, und ist in gewisser Hinsicht einseitig bei seinem Vorgehen. Dennoch gibt es Punkte, wo Heideggers Nietzsche Lektüre für mich gut nachvollziehbar ist und ich dies in bestimmten Punkten auch fruchtbar finde, z.B. was den Aspekt der Kunst anbetrifft. Soweit ich weiß hat sich Heidegger zu Hegels
Ästhetik nur wenig geäußert. Ich würde übrigens sagen , dass ein Poet durchaus lügen kann und Philosophen wie Platon haben ja den Dichtern genau das vorgeworfen, dass sie nämlich lügen.
Ich danke dir für das Zitat aus Nietzsches GdT. Hier kommt aus meiner Sicht ja seine dionysische Kunstphilosophie vollkommen zum Ausdruck.
Das Heidegger zwischen dem "Wesen der Technik" und dem "Wesen der Kunst" unterscheidet ist für mich zum Teil nachvollziehbar. Wobei das griechische Wort techne übersetzt werden kann mit "Kunst" , aber auch mit "Technik" ggf. im modernen Sinn. Die
techne rhetorike ist somit die rhetorische Kunst bzw. die Technik der Rhetorik, die
techne poetike , ist die Dichtkunst bzw. die Technik des Dichtens (im Sinne einer Kulturtechnik).
Ich vermute , dass Heidegger ausgehend von Platon und Aristoteles , die Rhetorik eher als eine techne begreift, also eine Technik des Sprechens/des Redens und eher weniger als eine Kunst, wobei man hier seine
Sophistes-Vorlesung nochmal lesen müsste. In den späteren Schriften kommt die Rhetorik als Thema allerdings nicht mehr vor (oder nur am Rande). Für Platon ist die Rhetorik aber seit dem
Phaidros wieder eine Kunst, im
Gorgias wurde das noch bestritten. Im griechsichen heißt es ja eben techne, und das kann eben beides heißen soweit ich sehe (also Technik wie auch Kunst). Die Rhetorik wird daher als beides normalerweise angesehen. Heidegger scheint sie aber eher als Technik zu sehen, wie mir scheint.