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realitas obiectiva
In dem Gottesbeweis, den Descartes in der dritten Meditation führt, sind folgende Schritte entscheidend:
•Die Idee, die ich von Gott habe, hat mehr objektive Realität, als alle anderen Ideen (p. 32/19).
•Jede Idee hat eine Ursache, die mindestens genausoviel Realität in formaler, objektiver oder eminenter Weise enthält, wie die Idee objektive Realität hat (p. 33/20).
•Die Idee einer unendlichen denkenden Substanz hat mehr objektive Realität, als in der res cogitans in formaler und eminenter Weise enthalten sein kann (p. 34/22).
•Also hat die Idee Gottes, d.h. die einer unendlichen denkenden Substanz, ihre erste Ursache nicht in mir (p. 42/40).
Wer diese Argumentation verstehen will, muß wissen, was die darin verwendeten Begriffe bedeuten:
•Realität
•objektive Realität
•formale Realität
•in eminenter Weise
Außerdem muß geklärt werden:
•Wie können gewisse Ideen 'mehr' objektive Realität haben als andere?
•Warum muß die Ursache einer Idee genausoviel Realität haben wie die Idee objektive Realität hat?
Eine Warnung vorweg: 'objektive Realität' bedeutet bei Descartes etwas vollkommen anderes als 'beobachterunabhängige Wirklichkeit'.
Realität
Im Schulwörterbuch für Latein, dem 'kleinen Stowasser', gibt es das Wort 'realitas' nicht. Aber es gibt einen Eintrag für das dazu gehörende Adjektiv 'realis':
realis, e (res) einen Gegenstand betreffend, auf einen Gegenstand bezogen; wirklich, real Ml.
Die alten Lateiner haben also nur etwas 'real' genannt, wenn es sich auf einen Gegenstand bezog, nicht etwa, wenn es selbst einer war. Erst im Mittelalter, das deutet das 'Ml.' an, hat man das Wort 'realis' etwa so gebraucht, wie wir heute 'real'. 'Realitas' kann man nach den Regeln der Grammatik bilden, und zwar steht es dann für die Eigenschaft, 'realis' zu sein.
Descartes verwendet das Wort 'realitas' normalerweise nicht allein, sondern meistens mit einem Zusatz. Er spricht dann von objektiver, formaler, oder subjektiver Realität (Hist. Wörterb. d. Philos., Art. 'realitas').
objektive Realität
Auch das Wort 'Objekt' wird noch nicht lange so gebraucht, wie wir es tun. Der Form nach ist es ein Partizip Perfekt Passiv zu dem Verb 'objicere', was so viel heißt wie
entgegenstellen, vorwerfen, tadeln.
'objectum' heißt also:
Entgegengestelltes, Vorwurf, Tadel.
Im Mittelalter wird das Wort Objekt etwa so verwendet, wie wir heute das Wort 'Vorstellung' verwenden würden.Zitat Heidegger, Zollikoner Seminare:
Ein objectum (...) ist im Mittelalter ein Entgegengeworfenes, aber wem entgegen? Meiner repraesentatio [Vorstellung]. Objekt im mittelalterlichen Sinne ist das bloß Vorgestellte, zum Beispiel ein gedachter goldener Berg, der gar nicht faktisch existieren muß (Heidegger, p. 153).
Der Begriff der 'Objektivität' ist nicht besonders alt. Er ensteht zwar wieder einfach grammatisch aus dem Wort 'Objekt' und bezeichnet die Eigenschaft, Objekt zu sein, aber verwendet wurde er erst gegen Ende des Mittelalters.
Descartes verwendet das französische 'objet' ziemlich genau so, wie wir es verwenden würden. Er spricht von einfachen Objekten (AT VI 18,28), von Objekten der Geometrie (AT VI 36,5), Objekten mit sinnlichen Eigenschaften (AT VI 55,16) etc. In den Meditationen kommt 'objicere' in der Bedeutung 'Einwände machen' vor, aber auch von Objekten der Außenwelt ist die Rede, etwa p. 64/8:
so daß ich keinen Gegenstand empfinden konnte (neque possem objectum ullum sentire), wenn ich auch wollte, wenn er nicht meinem Sinnesorgane gegenwärtig war (sensûs organo esset praesens, AT 75,10-4).
Hauptsächlich aber verwendet Descartes den Begriff 'Objekt' in Zusammenhang mit 'objektiver Realität einer Idee'.
Objektive Realität bedeutet, streng wörtlich genommen:
Vorgestellter Gegenstandsbezug
Descartes definiert, was er mit 'objektiver Realität' meint, in den zweiten Erwiderungen, p. 146/III:
Unter der objektiven Realität einer Idee verstehe ich den Seinsgehalt der durch die Idee vorgestellten Sache (res), sofern dieser in der Idee repräsentiert ist (AT VII 161,4-6).
Ist also mit 'objektiver Realität so etwas gemeint wie die 'Bedeutung' einer Idee? In der zweiten Meditation hatte Descartes folgenden Satz geäußert (Meiner p. 20, Abschn. 9.):
Ich bin also genau nur ein denkendes Ding, d. h. Geist, Seele, Verstand, Vernunft - lauter Ausdrücke, deren Bedeutung mir früher unbekannt war (AT VII 27,13-5).
Die Bedeutung des Wortes 'Geist' ist ihm also erst bekannt, seit er weiß, daß es einen Geist gibt. Wie kann es dann sein, daß er jetzt, bevor er mehr bewiesen hat als dort, schon mehr Bedeutungen kennt? Bevor er weiß, daß es einen Gott gibt, könnte er doch gar nicht wissen, was die Idee Gottes bedeutet!
Die Antwort ist einfach: In der zweiten Meditation hatte Descartes nicht über die objektive Realität der Ideen gesprochen, sondern über die Bedeutung der Worte, lateinisch:
voces mihi priùs significationis ignotae (AT VII 27,15), d.h.:
Worte, die mir vorher unbekannt waren hinsichtlich dessen, was sie bezeichnen.
Die objektive Realität einer Idee ist offenbar etwas anderes als die Bedeutung eines Wortes. Worte bedeuten zwar ab und zu Dinge, aber die objektive Realität einer Idee ist nicht einfach so ein Ding. Eine Idee kann objektive Realität haben, auch wenn das, was sie vorstellt, nirgends wirklich vorhanden ist. Ein Wort, das etwas bezeichnet, was es nicht gibt, bezeichnet eben nichts.
(Anmerkung: Ich verstehe hier Bedeutung im Sinne von Denotation.)
formale Realität
Formen sind im lateinischen alle möglichen Bestimmungen von Dingen. So ist zum Beipiel Klugheit oder Röte eine Form, nicht nur Rundheit oder Glätte.
Das Wort 'Realität' bedeutet hier wirklich so etwas wie 'Verwirklichung'. Etwas hat formale Realität, wenn es eine bestimmte Form hat. Descartes definiert:
Man sagt, daß etwas formal in den Objekten der Ideen vorhanden ist, wenn es in ihnen selbst qualitativ ebenso gegeben ist, wie wir es erfassen (p. 146/IV, AT VII 161,10-13).
eminent
Auch im klassischen Latein waren 'Eminenzen' schlicht Leute, die etwas galten. Wie kommt Descartes dann zu seinem Sprachgebrauch? Er schreibt:
Man sagt, daß etwas eminent in den Objekten der Ideen enthalten ist, wenn es zwar nicht ebenso darin enthalten ist, wohl aber ein solches Quantum an Realität darin ist, daß es die Stelle desselben vertreten kann (p. 146/IV, AT VII 161,13-4).
Vielleicht sollten wir also zunächst die Frage klären:
Wie kann es denn verschiedene Quanta von Realität geben?
Um das zu verstehen, hilft der Blick ins Wörtbuch nicht mehr viel, wohl aber das genaue Studium einer kleinen Stelle aus der dritten Meditation (p. 32/19):
Insofern jene Ideen nur gewisse Weisen des Bewußteins (d.i. der Denktätigkeit) sind, vermag ich unter ihnen keinerlei Ungleichheit zu entdecken, und alle scheinen in gleicher Weise von mir auszugehen, insofern aber die eine für diese, die andere für jene Sache steht, sind sie offenbar äußerst verschieden voneinander (AT VII 40,7-12; Übersetzung leicht variiert).
Descartes sagt hier, er könne seine Idee als solche nicht voneinander unterscheiden. Wir können vielleicht die Worte unserer Sprache auseinanderhalten, weil sie verschieden klingen, aber Ideen sind als solche nicht unterscheidbar. Eine Idee ist nämlich selbst die 'Form einer Denktätigkeit'. Buchenau übersetzt die Definition in den zweiten Erwiderungen (p. 145/II):
Unter dem Namen 'Idee' verstehe ich die Form eines jeden Bewußtseins, durch deren unmittelbare Erfassung ich eben dieses Bewußtseins bewußt bin;...
Dem Lateinischen entspricht genauer:
Unter dem Namen 'Idee' verstehe ich jede mögliche Form (Gestalt, Seinsart) einer Denktätigkeit, durch deren unmittelbare Erfassung (perceptionem) ich mir eben dieser Denktätigkeit bewußt bin;... (AT VII 160,14-6).
Was sind aber 'Formen von Denktätigkeiten'? Vielleicht denke ich manchmal schnell, manchmal langsam, klar oder verworren, aber die Form bleibt immer dieselbe: die 'Form' nämlich, 'von mir gerade gedacht zu werden'. Diese Form haben, oder besser: sind alle Ideen, die ich habe. Descartes bestimmt Ideen aber nicht nur als 'Formen' von Tätigkeiten der res cogitans. In der dritten Meditation schreibt er (Meiner p. 29, Abschn. 7):
Von den Denktätigkeiten sind einige gleichsam Bilder der Dinge, und für diese allein ist eigentlich die Bezeichnung 'Ideen' angemessen (AT VII 37,3-4).
Descartes hat sich hier etwas mißverständlich ausgedrückt. Er will nicht sagen, daß Ideen Abbilder von Dingen sind, sondern nur, daß sie Dinge darzustellen scheinen. In den Erwiderungen auf Hobbes' Einwände schreibt er (p. 164):
Unter dem Namen 'Idee' möchte Hobbes nur die Bilder der in der körperlichen Einbildungskraft sich abmalenden Dinge verstehen; (...) Nun habe aber ich meinerseits wirklich überall und vor allem an eben dem Orte gezeigt, daß ich unter dem Namen 'Idee' all das zusammenfasse, was unmittelbar vom Geiste erfaßt wird (AT VII 181, vgl. VII 37, VII 366 und III 392,28; aber VI 86,12.)
Es gibt also zwei Aspekte an einer Idee: der Form nach ist sie eine Tätigkeit oder ein Produkt des Denkens, dem Gehalt nach ist sie ein Bild von etwas. Wir können zwei Ideen nur darin unterscheiden, daß die eine Idee eine Idee 'von X' ist, die andere eine 'von Y'. Worte sind nicht in diesem Sinne Worte 'von etwas', sondern bestenfalls 'für etwas'.
Descartes ist sich bereits sicher, daß eine Idee 'von' etwas zu haben, das es wirklich gibt: nämlich die Idee der res cogitans. Er hat aber noch andere Ideen als diese, etwa die von einem Stück Wachs oder von spazierenden Automaten. Alle seine Ideen unterscheiden sich nicht durch ihre Form voneinander, insofern die Ideen sind.
Ich kann mehr über meine Ideen erfahren, wenn ich darauf achte, von was sie handeln: von denkenden Substanzen, Bienenwachs oder spazierenden Automaten. Die Ideen sind aber nicht selbst denkende Sustanzen oder spazierende Automaten, sie handeln nur von solchen. Wovon eine Idee handelt, sieht man nicht ihrer Form an, sondern nur ihrem Gegenstand. D.h. ihre formale Realität unterscheidet meine Ideen nicht voneinander, sondern nur ihre jeweilige objektive Realität. Entsprechend will ich versuchen, den Begriff 'objektive Realität einer Idee' einfach durch den der 'Unterscheidbarkeit einer Idee von einer anderen' zu ersetzen.
Es gilt also:
•Worte unterscheiden sich ihrer Form nach, Ideen nicht.
•Es gibt auf jeden Fall verschiedene Ideen, denn sonst wäre der Zweifelsversuch bereits beendet, sobald die Existenz der res cogitans bewiesen ist. Ich habe dann ja eine Idee von etwas, das existiert, und mehr Ideen als eine gäbe es nicht.
•Offenbar unterscheiden sich Ideen durch etwas, was nicht in ihrer Form liegt.
Nennen wir dieses etwas, wodurch sich die Ideen unterscheiden, einfach 'objektive Realität'.
Daß eine Idee mehr objektive Realität habe als eine andere, läßt sich jetzt einsehen: es gibt größere und kleinere Unterschiede zwischen Ideen. Je mehr eine Idee von allen anderen unterscheidbar ist, desto mehr objektive Realität hat sie. Descartes schreibt, unmittelbar nach der diskutierten Stelle (Meiner p. 32, Abschn. 19):
Denn ohne Zweifel sind die [Ideen], welche mir Substanzen darstellen, etwas mehr und enthalten sozusagen mehr objektive Realität in sich, als die, welche nur Modi oder Accidentien darstellen,... (AT VII 40,12-5).
In Übersetzung: die Ideen von Substanzen sind besser unterscheidbar als die Ideen von Eigenschaften.
Das ist kein Wunder, wenn wir uns erinnern, wie Descartes von klaren und deutlichen Ideen spricht. Eine klare und deutliche Idee zeichnet sich gerade dadurch aus, daß sie unabhängig von anderen Ideen gedacht werden kann. Auf Latein heißt eine klare und deutliche Idee 'clare et distincte', und es ist gerade die Distinktheit, Unterschiedenheit, die Descartes nun hervorhebt. Wenn er also behauptet, der Geist sei deutlicher erkennbar als der Körper, dann hat er damit schon längst gesagt, daß die Idee des Geistes distinkter, unterscheidbarer ist als die des Körpers (AT VII 33,22: distinctius; Meiner p. 26/23, Zeile 17).
Sie hat also mehr objektive Realität.
Descartes zeigt hiermit ein Krierium auf, anhand dessen die traditionelle Abfolge der Substanzen, die 'Great Chain of Being' (Lovejoy), motiviert werden kann. Gott, am obersten Ende dieser Kette, ist am ehesten als trennbar erkennbar, sein Begriff ist 'am meisten unterscheidbar' von allen anderen. Unterscheidbar ist ein Begriff A von einem Begriff B in dieser redeweise dann, wenn B nicht in der vollständigen Definition von A vorkommt. Damit gerät die reihenfolge der Wesenheiten in eine etwas andere Ordnung. Descartes hätte nicht, mit Plotin und Pseudo-Dionys, das Recht, die Materie ganz unten zu lokalisieren. Zwar entspricht ihr schon in der catesischen Ontologie nichts genau, aber wenn die res extensa deren Nachfolge antreten sollte, so steht fest: sie ist distinkter erkennbar als einiges andere. Anhand der cartesischen Kriteriums lassen sich nur die drei Substanzen in eine Reihenfolge bringen:
1.unendliche, denkende Substanz. Dem Begriff nach ist diese Substanz von nicht unterscheidbar als von dem endlichen als dem weniger vollkommenen. Dieses geht aber nicht in die Definition ein, da das Endliche kein Oberbegriff des Unendlichen sein kann.
2.endliche denkende Substanzen. Zwar folgt aus der Existenz endlicher denkender Substanzen die Existenz einer unendlichen solchen, sonst aber nichts. Die Existenz der materiellen Dinge folgt gemäß Wahrscheinlichkeit. Ihre Begriffliche Möglichkeit folgt durch den Analgieschluß, daß den Ideen von Sinnesdingen eine ähnliche Substanz zugrundeliege wie der Idee meiner selbst. Prinzipiell könnten aber alle weiteren Ideen direkt von Gott stammen.
Es ist noch ungeklärt, was nun 'eminent' heißen soll. Eine Realität ist in eminenter Weise in etwas enthalten, wenn dieses etwas in der Lage ist, so viel objektive Realität in einer Idee zu erzeugen, wie wenn es diese Realität selbst in formaler Weise hätte. Wie ist es überhaupt zu verstehen, daß etwas objektive Realität 'erzeugt'? Dazu müssen wir uns dem Satz zuwenden, daß jede Idee eine Ursache haben müsse, in der die objektive Realität der Idee auch objektiv, formal oder eminent enthalten ist.
Ideen können auf verschiedene Weisen zustande kommen.
Ideen verursachen Ideen. Der Fall, daß eine Idee auf etwas beruht, was genausoviel objektive Realität hat wie sie selbst, ist einfach. Objektive Realität ist etwas, was Ideen haben. Descartes definiert (Meiner p. 146, III):
Unter der objektiven Realität einer Idee verstehe ich ... (AT VII 161,4)
Es geht also um den Fall, daß Ideen Ursachen von anderen Ideen sind. Das passiert zum Beispiel, wenn die Ideen eines Pferdes und eines Vogels die Idee eines geflügelten Pferdes verursachen.
Dinge verursachen Ideen (1). Wenn die Ursache für die objektive Realität eine genauso große formale Realität hat, können wir so übersetzen: Daß sich eine Idee-von-X von einer anderen Idee-von-Y unterscheiden läßt, liegt nur daran, daß sich X und Y in derselben Weise unterscheiden. Der Unterschied, der bei den Ideen nur in ihrer objektiven Realität lag, liegt in der Form der Dinge X und Y.
Dinge verursachen Ideen (2). Es muß nicht sein, daß derselbe Unterschied zwischen den Dingen besteht wie zwischen den jeweiligen Ideen von diesen Dingen. Es ist möglich, daß ich von zwei verschiedenen Dingen dieselbe Idee habe, oder daß zwei Dinge unterschiedliche Ideen bewirken, wenn sie zwar voneinander unterschieden sind, aber in anderer Weise. Es ist auch möglich, daß ein und dasselbe Ding zwei verschiedene Ideen verursacht, wenn es nämlich irgendwie fähig ist, unterschiedlich auf mein Denken zu wirken.
Damit wird vielleicht ein wenig verständlicher, wie eine Realität in eminenter Weise in etwas enthalten sein kann. Dieses Etwas ist dann in der Lage, einen Unterschied zwischen Ideen zu bewirken, ohne ihn selber in dieser Form an sich zu haben. Descartes schreibt (p. 36/25 Ende):
Ausdehnung, Lage, Gestalt und Bewegung (...) können (...), wie es scheint, in eminenter Weise in mir enthalten sein (AT VII 45,4-8).
Wie geht dies vor sich? Ich, die res cogitans, bin der Form nach weder ausgedehnt, noch habe ich eine Lage, Gestalt, oder Bewegung. Allerdings kommen die Ideen der Ausdehnung, Lage usw. offenbar aus dem Denken, da die ausgedehnte Substanz, sozusagen das Wachs an sich, nichts sinnliches ist. Also bin ich in der Lage, die Ideen der Ausdehnung usw. zu bilden. Dies kann ich, in dem ich die Idee der Substanz mit Eingenschaften, die ich von mir selbst habe, auf die sinnlich wahrnehmbaren Dinge übertrage.
Eine Realität in eminenter Weise zu enthalten entspricht also der Fähigkeit, Sachgehalte von Ideen hervorzubringen und sie dadurch unterscheidbar zu machen. Eine Frage bleibt: Warum ist nicht auch die Idee Gottes in mir in eminenter Weise enthalten? Offenbar bin ich doch in der Lage, sie irgendwie 'hervorzubringen'.
Die Idee Gottes ist genauer die Idee einer unendlichen, denkenden Substanz. Ich selbst jedoch, der ich ja zweifle, bin endlich - wäre ich nicht endlich, würde ich nicht zweifeln.
Wie berechtigt ist die Forderung, eine Idee könne nur von etwas verursacht werden, das dasselbe Quantum an Realität hat? Es entspricht dem Satz:
Unterschiede entstehen nicht aus dem Nichts.
Dies wiederum ist nichts weiter als eine allgemeinere Fassung des Prinzips
Jede Veränderung hat eine Ursache.
Eine Idee selbst hervorzubringen heißt: etwas sich auszudenken. Um sich die Idee einer unendlichen Substanz hervorzubringen, muß die res cogitans entweder selbst der Form nach unendlich sein, oder in eminenter Weise. Der Form nach ist die res cogitans endlich. Was aber hieße es, in eminenter Weise unendlich zu sein? Es hätte zur Folge, daß sich die res cogitans alles uneingeschränkt denken kann, was offenbar auch nicht der Fall ist. Die res cogitans hat zwar die Idee einer unendlichen Substanz, aber nicht die Kapazität zu unendlich vielen Ideen.
Damit sind wenigstens ein paar Begriffe geklärt, alles andere überlasse ich den Anwesenden.