Der Punkt ist, wenn eine gewisse Tätigkeit durch Maschinen erledigt wird, werden menschliche Kapazitäten frei. Diese landen aber langfristig nicht in der Arbeitslosigkeit, sondern in neuen Betätigungsfeldern. Die meisten (nicht alle!) Menschen WOLLEN arbeiten, wollen sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Das, weil die meisten Menschen nützlich sein wollen. Das Erleben der eigenen Nützlichkeit ist ein Inkrement des Selbstwertes, der für jeden Menschen ein zentrales Bedürfnis ist.
Stimme zu, es wurden aber auch neue Bedürfnisse geschaffen, die man vorher überhaupt nicht gebraucht hat.
Als die ersten PCs aufkamen, waren es erst einmal Spielzeuge für Nerds. Als die ersten Mobiltelefone aufkamen, waren es Gimmicks für Wichtigtuer ("Juppigurke", "Egoverstärker"). Als das Internet aufkam, war es zunächst ein reines Spaßmedium für Nerds.
Alle diese Beispiele sind längst zu einem Massenphänomen geworden. Sie konnten sicherlich auch nur deshalb zu diesem werden, weil sie längst nicht mehr so teuer sind wie damals. Allerdings haben sie sich aber auch zu
Standards entwickelt, notwendigen Dingen, ohne die ein bürgerliches Leben kaum noch möglich ist. Wir tragen laufende Kosten für diese Technologien. Nach 2-4 Jahren müssen wir sie durch Neugeräte ersetzen, selbst wenn sie technisch noch einwandfrei funktionieren. Denn dann sind sie nicht mehr leistungsfähig genug für die Anwendungen und Systeme, die mittlerweile der neue Standard sind.
Und diese Upgrades werden von der Industrie systematisch geschaffen.
Anfang der 1990er Jahre haben meine frühen Computerkumpels und ich manche dieser Trends vorhergesagt. Wir sagten, in 10 Jahren werden alle einen PC haben und alle werden vernetzt sein. Man hat uns nicht geglaubt. Vielmehr hielt man uns für Technikspinner, die zuviele SF-Romane gelesen hatten. Aber die Zeit hat uns schließlich Recht gegeben.
Es zeigt nicht nur, wie sich die Technik seitdem verändert hat, sondern auch die Wahrnehmung der Technik.
Im privaten Umfeld gibt es auch das Beispiel der Haushaltsführung. Eine Hausfrau vor 100 Jahren hätte vielleicht gemeint, ihre Nachfolgerinne ab Ende des 20. Jahrhunderts müssten unterfordert sein angesichts Staubsauger, Waschmaschine und Geschirrspüler. Aber waren sie sodann tatsächlich unterfordert ? Wohl eher nicht.
Sie haben den Teppich aber auch nur alle paar Monate mal auf der Teppichstange geklopft - sofern sie überhaupt einen besaßen. Gewaschen wurde nur einmal die Woche, und saubere Wäsche gab es auch nur einmal die Woche. Einmal die Woche gab es ein Vollbad, ansonsten nur Katzenwäsche und man hat sich reichlich parfümiert.
Wird eine Stufe der Bedürfnispyramide "genommen", ist die Folge nicht Zufriedenheit, sondern andere Bedürfnisse treten sodann in den Vordergrund.
Persönlich würde ich gern auf manche dieser "Bedürfnisse" verzichten, um stattdessen weniger zu arbeiten. Es ist aber nicht möglich, eine Finanzierung meines Lebensunterhaltes wäre damit nicht zu erzielen. U.a. auch deshalb, weil ich für Bedürfnisse aufkommen muss, die eigentlich gar nicht die meinen sind, mittlerweile aber so sehr zu Standards geworden sind, dass man ohne sie nicht mehr leben kann.