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Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo allerseits !

Anscheinend alles verständlich und klassisch.

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 100.
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VOR DEM TOR
Spaziergänger aller Art ziehen hinaus.​

Einige Handwerksburschen:
Warum denn dort hinaus ?​
Andre:
Wir gehen hinaus aufs Jägerhaus.​
Ein Handwerksbursch:
Ich rat Euch, nach dem Wasserhof zu gehen.​
Zweiter:
Der Weg dorthin ist gar nicht schön.​
Die Zweiten:
Was tust denn Du ?​
Ein Dritter:
Ich gehe mit den andern.​
Vierter:
Nach Burgdorf kommt herauf, gewiss dort findet ihr
Die schönsten Mädchen und das beste Bier,
Und Händel von der ersten Sorte.​
Fünfter:
Du überlustiger Gesell,
Juckt dich zum dritten Mal das Fell ?
Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.​
Dienstmädchen:
Nein, nein ! ich gehe nach der Stadt zurück.​
Andre:
Wir finden ihn gewiss bei jenen Pappeln stehen.​
Erste:
Das ist für mich kein großes Glück;
Er wird an deiner Seite gehen,
Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
Was gehn mich deine Freuden an !​
Andre:
Heut ist er sicher nicht allein,
Der Krauskopf, sagt er, würde bei ihm sein.​
Schüler:
Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten !
Herr Bruder komm ! wir müssen sie begleiten.
Ein starkes Bier, ein beizender Toback,
Und eine Magd im Putz das ist nun mein Geschmack.​
Bürgermädchen:
Da sieh mir nur die schönen Knaben !
Es ist wahrhaftig eine Schmach;
Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,
Und laufen diesen Mägden nach.​
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Das Gespräch ist für mich durchaus heute auch noch vorstellbar, wenn auch die Sprache der Handwerksburschen, des Dienstmädchens und des Schülers sicher idealisiert ist.

Liebe Grüße und
fürchtet Euch nicht, Euren Senf dazuzugeben.

Zeili
 
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AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo allerseits !

Anscheinend alles verständlich und klassisch.

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 101.
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Zweiter Schüler (zum ersten):
Nicht so geschwind ! dort hinten kommen zwei,
Sie sind gar niedlich angezogen,
's ist meine Nachbarin dabei;
Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.
Sie gehen ihren stillen Schritt
Und nehmen uns doch auch am Ende mit.
Erster:
Herr Bruder nein ! Ich bin nicht gern geniert.
Geschwind ! dass wir das Wildbret nicht verlieren.
Die Hand, die samstags ihren Besen führt,
Wird sonntags dich am besten karessieren.
Bürger:
Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister !
Nun, da er's ist, wird er nur täglich dreister.
Und für die Stadt was tut denn er ?
Wird es nicht alle Tage schlimmer ?
Gehorchen soll man mehr als immer,
Und zahlen mehr als je vorher.
Bettler (singt):
Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,
So wohlgeputzt und backenrot,
Belieb' es euch mich anzuschauen,
Und seht und mildert meine Not !
Lasst mit hier nicht vergebens leiern !
Nur der ist froh, der geben mag.
Ein Tag den alle Menschen feiern,
Er sei für mich ein Erntetag.
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MMn auch alles in unsere Zeit übertragbar.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo allerseits !

Anscheinend alles verständlich und klassisch.

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 102.
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Andrer Bürger:
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen,
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.
Dritter Bürger:
Herr Nachbar, ja ! so lass ich's auch geschehn,
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
mag alles durcheinander gehn;
Doch nur zu Hause bleib's beim Alten.
Alte (zu den Bürgermädchen):
Ei ! wie geputzt ! das schöne junge Blut !
Wer soll sich nicht in euch vergaffen ?
Nur nicht so stolz ! Es ist schon gut !
Und was ihr wünscht, das wüsst ich wohl zu schaffen.​
Bürgermädchen:
Agathe fort ! ich nehme mich in Acht
Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;
Sie ließ mich zwar, in Sankt Andreas' Nacht,
Den künft'gen Liebsten leiblich sehen.
Die Andre:
Mir zeige sie ihn im Kristall,
Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;
Ich seh mich um, ich such ihn überall,
Allein mir will er nicht begegnen.
Soldaten:
Burgen mit hohen
Mauern und Zinnen,
Mädchen mit stolzen
Höhnenden Sinnen
Möcht ich gewinnen !
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn !

Und die Trompete
Lassen wir werben,
Wie zu der Freude,
So zum Verderben.
Das ist ein Stürmen !
Das ist ein Leben !
Mädchen und Burgen
Müssen sich geben.
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn !
Und die Soldaten
Ziehen davon.
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Dass die Soldaten so einvernehmlich mit den Zivilisten sprechen, kommt wohl heutzutage nicht mehr vor.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Lieber Zeili!

Ich muss dir gestehen, dass der "Faust" nach einer kurzen Episode weiterverstaubt, weil die Physik sich vordrängt und die Philosophie und ein Krimi und ein Fachbuch...:haare:
ich sollte wieder mal meditieren!

liebe Grüße!
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Lieber Zeili!

Ich muss dir gestehen, dass der "Faust" nach einer kurzen Episode weiterverstaubt, weil die Physik sich vordrängt und die Philosophie und ein Krimi und ein Fachbuch...:haare:
ich sollte wieder mal meditieren!

liebe Grüße!
Westwind, ich glaube kaum, dass Deine von dir bevorzugten Philosophen und Krimiautoren so gar keine Punkte haben, in denen sie mit Johann Wolfgang von Goethe übereinstimmen.

Ich wollte und will nichts anderes, als Goethes Faust auf seine Übertragbarkeit in die heutige Zeit zu diskutieren, mit anderen Worten überprüfen, was am (Inhalt des) Faust denn wirklich klassisch im Sinne von zeitlos ist.

Die Gleichgültigkeit, mit der man dieses Thema sieht, lege ich einfach so aus, dass man entweder

am Faust nichts rütteln kann, das heißt, er ist philosophisch bereits zum Nachschlagewerk geworden oder dass man eben

in einer total progressiven Phase (die mit Sicherheit bei den meisten Menschen vergeht) ist, in der man nur Zeitgenossen akzeptiert (Verein traue keinem über 30 etc.)​

Danke für Deine bisherigen Stellungnahmen !

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo allerseits !

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 103.
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Faust und Wagner

Faust:
Vom Eise befreit . . .​

Es folgt der Monolog des Faust, der als "Osterspaziergang" bekannt ist und von Hartmut bereits im gleichen thread im Beitrag Nr. 41 hereingestellt wurde.

. . .
hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein.
Wagner:
Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch würd ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,
Ist mir ein gar verhasster Klang;
Sie toben wie vom bösen Geist getrieben
Und nennen's Freude, nennen's Gesang.​

Bauern unter der Linde.

Tanz und Gesang

Der Schäfer putzt sich zum Tanz,
Mit bunter Jacke, Band und Kranz.
Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde wr es voll.
Und alles tanzte schon wie toll.
Huchhe ! Juchhe!
Juchheisa ! Heisa ! He !
So ging der Fiedelbogen.


Er drückte hastig sich heran,
Da stieß er an ein Mädchen an
Mit seinem Ellenbogen;
Die frische Dirne kehrt sich um
Und sagte: nun das find ich dumm !
Huchhe ! Juchhe!
Juchheisa ! Heisa ! He !
Seid nicht so ungezogen.

Doch hurtig in dem Kreise ging's.
Sie tanzten rechts, sie tanzten links
Und alle Röcke flogen.
Sie wurden rot, sie wurden warm
Und ruhten atmend Arm in Arm,
Huchhe ! Juchhe!
Juchheisa ! Heisa ! He !
Und Hüft an Ellenbogen.

Und tu mir doch nicht so vertraut !
Wie mancher hat nicht seine Braut
Belogen und betrogen !
Er schmeichelte sie doch beiseit
Und von der Linde scholl es weit:
Huchhe ! Juchhe!
Juchheisa ! Heisa ! He !
Geschrei und Fiedelbogen.
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Und tu mir doch nicht so vertraut !
Wie mancher hat nicht seine Braut
Belogen und betrogen !
Hätt' ich das in meinem Leben auch nur einmal gekonnt, so mancher Frau hätte es sicher gefallen.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo allerseits !

Wir sollten Goethe nicht ignorieren, solange wir im deutschen Sprachraum nicht eindeutig einen besseren Literaten haben.

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 106.
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Alter Bauer:
Herr Doktor, das ist schön von Euch,
Dass Ihr uns heute nicht verschmäht,
Und unter dieses Volksgedräng,
Als ein so Hochgelahrter, geht.
So nehmet auch den schönsten Krug,
Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
Ich bring ihn zu und wünsche laut,
Dass er nicht nur den Durst Euch stillt;
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sei Euren Tagen zugelegt.
Faust:
Ich nehme den Erquickungs-Trank,
Erwidr' euch allen Heil und Dank.

Das Volk sammelt sich im Kreis umher.​

Alter Bauer:
Fürwahr, es ist sehr wohl getan,
Dass Ihr am frohen Tag erscheint;
Habt Ihr es vormals doch mit uns
An bösen Tagen gut gemeint !
Gar mancher steht lebendig hier,
Den Euer Vater noch zuletzt
Der heißen Fieberwut entriss,
Als er der Seuche Ziel gesetzt,
Auch damals Ihr, ein junger Mann,
Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
Gar manche Leiche trug man fort,
Ihr aber kamt gesund heraus.
Bestandet manche harte Proben;
Dem Helfer half der Helfer droben.
Alle:
Gesundheit dem bewährten Mann,
dass er noch lange helfen kann !
Faust:
Vor jenem droben steht gebückt,
der helfen lehrt und Hülfe schickt.
(Er geht mit Wagnern weiter)Wagner:
Welche ein Gefühl musst du, o großer Mann !
Bei der Verehrung dieser Menge haben !
O ! glücklich ! wer von seinen Gaben
Solch' einen Vorteil ziehen kann.
Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
Ein jeder fragt und drängt und eilt,
Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
Du gehst, in Reihen stehen sie,
Die Mützen fliegen in die Höh:
Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,
Als käm das Venerabile.
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Bestandet manche harte Proben;
Dem Helfer half der Helfer droben.
Sehr anregend, auch etwas Gutes zu tun.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo allerseits !

Alles klar und aktuell.

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 107.
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Faust:
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unserer Wandrung rasten.
Hier saß ich oft gedankenvoll allein
Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.
An Hoffnung reich, im Glauben fest,
Mit Tränen, Seufzen, Händeringen
Dacht ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.
O könntest du in meinem Innern lesen,
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes wert gewesen !
Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
Der über die Natur und ihre heil'gen Kreise,
In Redlichkeit jedoch auf seine Weise,
Mit grillenhafter Mühe sann.
Der, in Gesellschaft von Adepten,
Sich in die schwarze Küche schloss,
Und nach unendlichen Rezepten,
Das Widrige zusammengoss.
Da ward ein roter Leu, ein kühner Freier,
Im lauen Bad, der Lilie vermählt
Und beide dann, mit offnem Flammenfeuer,
Aus einem Brautgemach ins andere gequält.
Erschien darauf mit bunten Farben
Die junge Königin im Glas,
Hier war die Arzenei, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas ?
So haben wir, mit höllischen Latwergen,
In diesen Tälern, diesen Bergen,
Weit schlimmer als die Pest getobt.
Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,
Sie welkten hin, ich muss erleben
Dass man die frechen Mörder lobt.
Wagner:
Wie könnt Ihr euch darum betrüben !
Tut nicht ein braver Mann genug,
Die Kunst, die man ihm übertrug,
Gewissenhaft und pünktlich auszuüben.
Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,
So wirst du gern von ihm empfangen;
Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,
So kann dein Sohn zu höh'rem Ziel gelangen.
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In Redlichkeit jedoch auf seine Weise,
Mit grillenhafter Mühe sann.
War wahrscheinlich eine große Mühe gemeint.

Latwerge ist (war) eine breiförmige Arznei.

Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
Hier könnte man zu zweifeln beginnen, dass der Faust ein autobiografisches Werk war.

Ein "dunkler" Ehrenmann ist jedenfalls eine interessante Kombination.

Adept ist ein in eine Geheimlehre Eingeweihter.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo zusammen!

schöne Idee, den Faust so zu lesen...:)

Hier war die Arzenei, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas ?
So haben wir, mit höllischen Latwergen,
In diesen Tälern, diesen Bergen,
Weit schlimmer als die Pest getobt.
Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,
Sie welkten hin, ich muss erleben
Dass man die frechen Mörder lobt.

ich finds spannend, dass heutige Kritik an der Medizin oft genau dieselben Töne anschlägt... nur, in den modernen (Verschwörungs)Theorien und (berechtigten? unberechtigten?) Kritiken meist nicht ganz so sprachgewaltig.

Anklänge gibts hier auf alle Fälle an Paracelsus - berühmter Arzt, selbst Sohn eines Arztes, Alchemist, von faustischer Wissbegierde und Legende schon zu Lebzeiten. Anders ist lediglich das Alter: Goethes Faust, der wohl so Mitte Vierzig, Anfang fünfzig sein dürfte, ist älter als Paracelsus, der mit ungefähr 48 Jahren starb. Man könnte den Faust also durchaus unter dem Aspekt einer "verlängerten Biografie" von Paracelsus lesen.

- - - und die Naivität und Verehrung Wagners find ich herrlich karikiert! durchaus auch heute wieder zu finden an vielen Orten, wo irgend ein grosser Meister, Guru, Professor, Doktor... regelrecht angebetet wird.

grüsse, barbara
 
Werbung:
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo allerseits !

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 108.
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Faust:
O Glücklich ! wer noch hoffen kann
Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen.
Was man nicht weiß das eben brauchte man,
Und was man weiß kann man nicht brauchen.
Doch lass uns dieser Stunde schönes Gut
Durch solchen Trübsinn nicht verkümmern !
Betrachte wie in Abendsonne-Glut
Die grünumgebnen Hütten schimmern.
Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,
Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.
O dass kein Flügel mich vom Boden hebt,
Ihr nach und immer nach zu streben !
Ich säh im ewigen Abendstrahl
Die stille Welt zu meinen Füßen,
Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Tal,
Den Silberbach in goldne Ströme fließen.
Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf
Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;
Schon tut das Meer sich mit erwärmten Buchten
Vor den erstaunten Augen auf.
Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;
Allein der neue Trieb erwacht,
Ich eile fort ihr ew'ges Licht zu trinken,
Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,
Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.
Ach ! zu des Geistes Flügeln wird so leicht
Kein körperlicher Flügel sich gesellen.
Doch ist es jedem eingeboren,
Dass sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
Wenn über schroffen Fichtenhöhen,
Der Adler ausgebreitet schwebt,
Und über Flächen, über Seen,
Der Kranich nach der Heimat strebt.
Wagner:
Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden.
man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,
Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden.
Wie anderes tragen uns die Geistesfreuden,
Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt !
Da werden Winternächte hold und schön,
Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
Und ach ! entrollst du gar ein würdig Pergamen,
So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.​
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Goethes Beschreibungen der Natur scheinen mir bis heute unübertroffen - man hat das Gefühl, direkt dabei zu sein. Je nüchterner und geldbezogener unsere Welt wird, desto mehr brauchen wir solche Zeilen.

Doch ist es jedem eingeboren,
Heute würden wir wohl angeboren schreiben, gemeint ist wohl immer nur fest in uns verankert.

Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
Das Wort "grillenhaft" scheint mir - zumindest aus heutiger Sicht - für die Faust'sche Schilderung der Natur nicht angebracht. Grillen werden oft als Störenfriede für die Nachtruhe empfunden.

Liebe Grüße

Zeili
 
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