AW: "Ekel" und "Scham" - Frage an die Philosophie
Ich vermute, dass alle Scham und so gut wie alle Ekelreaktionen "anerzogen" sind, allerdings durch Nachahmung erlernt werden. Dem wird ein Mechanismus zugrunde liegen, der auch schon im animalischen Teil des Bewusstseins vorhanden ist.
Das spezifisch menschliche sehe ich darin, dass menschliches Ekeln fast immer eine Überreaktion ist. Das entsteht dadurch, dass der Mensch Erlebnisse akkumulieren und rückkoppeln lassen kann/will/muss. Er verbindet unwillkürlich abstoßende Erlebnisse mit kognitiven Konnotationen und kann dadurch zukünftige Reaktionen verstärken, egal ob das Sinn macht oder nicht. Er kann auch Übertragen, projizieren etc.
Ein solches Akkumulieren/Rückkoppeln wird beim Tier kaum stattfinden. Daher braucht es immer den Primärreiz für die Abstoßungsreaktion. Natürlich sind Konditionierungen möglich, m.E. führen sie normalerweise aber nicht zur Überreaktion. Beim Mensch genügen Sekundärreize (wie Schnecken oder Kot aussieht und nicht, wie es riecht) oder die pure Vorstellung). EIn Tier wird immer wieder von neuem "dran riechen".
Ob man diese menschliche Komponente dann semantisch mit Ekel gleichsetzt ist im Endeffekt eine Frage der semantischen Anforderungen bzw. des Willens zur Distinktion. Man mag Ekel auch bei Tieren sehen, unterschlägt dann aber dieses Mitschwingen des spezifisch menschlichen (projizierbaren, überreaktiven) Ekels und dessen kognitiven Überbaus.
Da auf den Ekel schon ganze Philosophien aufgebaut worden sind, wiederstrebt mir dieser Mangel an Distinktion. Es mag in letzter Hinsicht eine Frage des (Sprach-)gefühls sein, im Ekel etwas spezifisch Menschliches zu erblicken, gerade weil Tiere in die Fallgruben des EKels (Zwangshandlungen, Ethnophobie, überhaupt Phobien, Snobismus) nicht gehen...
ich würde hier stärker zwischen scham und ekel unterscheiden
während ich persönlichkeit als eine voraussetzung für schamgefühl sehe, kommt ekel auch ohne sie aus
wird säuglingen bitteres unter die nase gehalten, verziehen sie das gesicht, machen ein bäh-gesicht und drehen sich weg
für mich eindeutig eine reaktion des ekels, und bei säuglingen wohl kaum durch nachahmung erlernt
natürlich, dem menschen kann alleine aufgrund einer vorstellung ekeln, was bei tieren nicht oder geringer funktioniert
aber das ist nicht voraussetzung für ekel; ist ein über geruch oder ein übler geschmack da, nenne zumindest ich die reaktion (z.b. erbrechen, spontanes ausspucken) ebenfalls ekel
für mich stellt sich die frage, was in diesem fall eine reaktion zur überreaktion macht
auch bei tieren genügen zeitweise sekundärreize zur reaktion, siehe pawlowscher hund
was im besagten experiment mit einem positiven erlebnis (gong --> mampf) funktioniert hat, funktioniert mit negativen reizen sicherlich ebenso
so kann ekel beim menschen vielleicht aus vielfältigeren gründen auftreten als bei tieren; sehe aber keine ausschließlichkeit
und auch wenn ich bei der betrachtung von ekel auch menschliche exklusivitäten sehe (z.b. ekel durch projektionen, die tiere aufgrund mangelnder geistiger fähigkeiten nicht fähig sind durchzuführen), spreche ich tieren nicht generell die fähigkeit zum ekel ab
lg,
Muzmuz