@ Mephio
tosend
Gefühle in mir
stürmisch sie brechen die Wellen
Doch brechen Wellen nicht Willen des Lebens?
Die weiße Taube
Fliegt entgegen der Sonn´ Untergang
Den Tod bringt der Fluten Woge
Zeigen sich Freunde als lieblose Feinde
Bringt der Feind den Zorn zum verbluten
Die Wund eigenhändig gerissen
Sterbe allein, wo Tod sich lässt vermuten
Mir gefällt Dein Gedicht.
Es ist eindeutig der Gedankenlyrik zuzuweisen. Es ist eindeutig antithetisch konstruiert.
Es ist durch den starken Wechsel von Jamben und Daktylen rhythmisch gebunden und wirkt so musikalisch.
Beweise: Stürmische Gefühle brechen Wellen – sind also stark. Und wenn man annimmt, dass Stärke als positiv vom lyrischen Ich empfunden wird, so erlebt es sich als Handelnder.
Die entgegenstellende Konjunktion doch weist auf einen antithetischen Gedanken. Aber eigenartiger Weise wechselt hier die Perspektive. Das lyrische Ich fragt sich, ob die Wellen nicht Lebenswillen brechen.
Eine etwas dunkle Stelle. Interpretatorisch würde ich annehmen, dass das lyrische Ich gar nicht zufrieden mit seiner Tat, gefühlsmäßig Wellen gebrochen zu haben, ist.
Nimmt es die erste Aussage zurück? Hat es keinen Lebenswillen?
Mit dem Bild der weißen Taube wird der Leser in die zweite Strophe gezogen. Das lyrische Ich nennt sich in ihr nicht. Das Bild wird wie folgt ausgeführt. Die weiße Taube fliegt in den Sonnenuntergang. Diesen Vorgang erläutert das lyrische Ich mit einer Erklärung des Schauplatzes – am Meer. Die flutenden Wogen bringen den Tod.
Da das antithetische „Aber“ zwischen zweiter und dritter Strophe nicht ausgeschrieben ist, wissen wir nicht, ob das lyrische Ich den Tod der Taube als erwiesen ansieht. Gedanklich wird es aber als zumindest möglich .
Stärker als in der ersten Strophe erleben wir die Hinwendung zum Untergang: Sonnenuntergang – Taubenuntergang!
Der Leser erwartet sich nun von der dritten und letzten Strophe Aufklärung.Sie unterscheidet sich auch formal von der vorhergehenden Dreizeilern: sie ist vierzeilig.
Und genau: Hier gibt das lyrische Ich bekannt, warum stürmische Gefühle, Gefühle der Freundschaft, unschuldig wie der Flug weißer Tauben zum Untergang in der Sonne verurteilt sind.
Und hier lässt sich auch das Thema dieses Gedichts festmachen – missbrauchte Freundschaft.
Der anfängliche Zorn verblutet. Seine stürmische Zuneigung war zum Scheitern verurteilt.
Jetzt sucht das lyrische ich einen Ort, wo es allein ist: dort gibt es keine Wellen mehr, denen es entgegenfliegen, die es brechen kann.
Aber – wieder die antithetische Grundstruktur: Dort vermutet das lyrische Ich den Tod.
Es verschließt sich nicht der Erkenntnis, dass Leben auch das Zulassen von Verletzungen bedeutet. Auch bedeutet Leben das Zulassen eines Du.
Und so sehe ich im Gegensatz zu anderen von uns (Gisbert z.B.) in diesem Text keine Todessehnsucht, keinen Schwulst, sonder das eifrige Bemühen eines Adoleszenten, sich dem Leben zu nähern.