Reinhard70
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Die Zukunft der Diskussion
Im Idealfall sind sich alle Menschen einig. So könnte man sagen. Wie sieht die Welt dann aus? Gespräche, Verhandlungen, Argumente - jede Art von Mitteilung wäre dann wohl überflüssig?
In Science-fiction-Romanen verständigen sich unsere Nachfahren und die Bewohner ferner Sonnensysteme untereinander oder über Entfernungen von Lichtjahren hinweg nur noch per Gedankenübertragung. Wozu eigentlich, wenn alle Gesprächspartner den gleichen Informationsstand haben und keine Meinungsverschiedenheiten bestehen? So stellen wir uns die Sache doch in unseren kühnsten Träumen vor. Die Welt, die sich unsere Phantasie in schwachen Stunden aufbaut, ist utopisch. Sie hat kaum etwas mit den Verhältnissen zu tun, in denen wir zu leben gewöhnt sind. Sie ist vielleicht eine bessere Welt - aber keine, in der wir uns noch zurechtfinden würden. Eigentlich versagt unsere Vorstellungskraft schon beim Gedanken an totale Übereinstimmung.
Auch bei kurz- und mittelfristigen Zukunftsvisionen hätten wir einige Schwierigkeiten:
- Werden fruchtbare Diskussionen in absehbarer Zeit nur noch von Fachleuten geführt?
- Wird es einen Berufszweig geben, der sich ausschließlich damit befaßt, Diskussionen zielstrebig über die Runden zu bringen? So neu wäre dieser Beruf gar nicht!
- Werden nervenzehrende und zeitraubende Auseinandersetzungen im Privatleben, in der Schule, im Beruf und in der Politik in absehbarer Zeit von der Bildfläche verschwinden? Weil man die ständigen Wiederholungen erkennt und sich nur noch auf originelle Streitpunkte konzentrieren will?
Versuchen Sie doch selbst einmal, sich ein Bild zu machen!
Ihre Vorstellungen können die Zukunft der Argumentation mitgestalten.
Eines können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen: Wenn wir der Diskussion eine Zukunft geben, setzen wir auch voraus, daß uns die Lust am Austausch von Argumenten nicht verlorengeht. Dazu gehören mindestens zwei Dinge:
1.
Die Spannung geistiger Auseinandersetzungen darf nicht völlig verschwinden!
Zündende Gespräche werden nur entstehen, wenn nicht alle Beteiligten über die gleichen Argumente verfügen und wenn andererseits alle Gesprächspartner eine gewisse Leidenschaft für das Thema und einen Vorrat an eigenen Ideen und Faktenwissen mitbringen. Überraschungseffekte sind auch das Salz der gelungenen Argumentation.
2.
Wir müssen lernen, den Zeitraum zwischen Funken und Feuer auszudehnen und sinnvoll zu nutzen!
Das ist für den Menschen eine sehr reizvolle Aufgabe, weil es darum geht, Naturgesetze zu überwinden. Dieses Lexikon kann vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Gefahr eines "Weltbrandes", der eher denn je aus einern unbedachten Wortwechsel folgen könnte, zu verringern. Wenn wir die wichtigsten Argumente zu den gängigen Streitfragen im Laufe der Zeit griffbereit haben, können wir uns auf neue Argumente zu den Diskussionen besinnen, die unser Leben in Zukunft bestimmen.
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Der Text wurde vor über 30 Jahren geschrieben.
Er stammt aus meinem Buch
Treffend argumentieren
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