• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Die Verdrängung des Schattens und des Todestriebes

Chris M

Well-Known Member
Registriert
2. November 2014
Beiträge
3.728
Wieso geht es heutzutage trotz des materiellen Überflusses vielen Menschen seelisch und psychisch schlecht? Vielleicht ist die Antwort in den Ideen von C.G. Jung und Sigmund Freud zu finden. Sie kannten die Konzepte des Schattens (Jung) und des Todestriebes (Freud), welche meiner Laienmeinung nach eng miteinander verknüpft sind.
--------------------------------------------------------------------------------------------
https://de.wikipedia.org/wiki/Schatten_(Archetyp)

Der Schatten eines Menschen enthält nach Jung, was seinem positiven (naiven) Selbstbild und seiner 'Theatermaske' (Persona) entgegensteht. Des Schattens 'Dunkelheit' – vom Ich-Bewusstsein aus gesehen – ist auch seine Unbewusstheit, und außer 'Bösem' können aus dem Schatten auch positive Entwicklungsimpulse kommen. Es können persönliche Schattenseiten und kollektive, archetypische Strukturen des Schattens unterschieden werden. Als Teilbereich der Psyche eines individuellen Menschen umfasst der Schatten nach C. G. Jung un- oder teilbewusste Persönlichkeitsanteile, die häufig verdrängt oder verleugnet werden, weil sie dem Vorstellungsbild des Ichbewusstseins von sich selbst entgegenstehen: "Seine [des Schattens] Natur läßt sich in hohem Maße aus den Inhalten des persönlichen Unbewußten erschließen"[1] und deshalb sei Schattenarbeit zugleich auch Bewusstwerdungsarbeit am persönlichen Unbewussten.[2]
...
Der Schatten in diesem Sinne stellt das Gegenstück zur Persona, der „Theatermaske“ eines Menschen dar. Er enthält oft die 'negativen', sozial unerwünschten und daher unterdrückten Züge der Persönlichkeit, also jenen Teil des Ichs, der wegen möglicherweise gesellschaftsinkompatibler Tendenzen gerne unbewusst gehalten wird. Seine Entwicklung beginnt bereits in den ersten Lebensjahren des Menschen infolge der von der Umwelt an das Individuum herangetragenen Anforderungen, Erwartungen, Gebote und Verbote. Diese lassen nur einen Teil der Persönlichkeit zur Entfaltung kommen. Der persönliche Schatten wächst parallel zur Persona, gleichsam als ihr Negativ; der Schatten lebt dann ziemlich unabhängig vom Ich-Bewusstsein mit. Ist der Schatten der bewussten Kontrolle entzogen, kann er ähnlich wie ein Komplex in „obsedierender oder – besser – possedierender Art“[5] affektvoll und störend dem Ich-Bewusstsein dazwischenfunken. Im Aspekt seiner 'Naturhaftigkeit' und als Gegensatz zu Kollektivwerten besteht eine Übereinstimmung dieses 'Schatten'-Konzepts mit dem Freud'schen Begriff des Es, das im Gegensatz zu Ich und Überich unbewusste Teile der Persönlichkeit repräsentiert.
...
Zunächst wird der eigene Schatten gewöhnlich negiert oder aber auf Personen und Objekte außerhalb des eigenen Ichs projiziert. Unbewusste Schattenprojektionen auf den jeweils anderen Menschen[7] sind typische Elemente persönlicher wie auch kollektiver (z. B. nationaler) Konflikte.[8][9] Die Bewusstmachung dieser unwillkürlichen Schattenprojektionen kann daher die Möglichkeiten einer Konfliktlösung massiv verbessern.[10] Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Schatten, seine Integration in die Gesamtpersönlichkeit, zählt nach Jung deswegen zu den zentralen Aufgaben des menschlichen Reifeprozesses und stellt einen unabdingbaren Schritt auf dem Weg zur Ganzwerdung (Individuation) dar. Als vorwiegend moralisches Problem fordert sie vom Individuum beträchtliche seelische Leistungen. Häufig ist sie auch Gegenstand der Psychotherapie (z. B. Psychoanalyse), wo in einem geschützten Rahmen die weitverbreitete "Angst vor dem eigenen Schatten"[11] überwunden werden kann; zu diesem Schritt kann auch die bekannte Wendung „über seinen Schatten springen“ passen.
...
Nach ihrer Verdrängung in das Unbewusste – bzw. der Vermeidung, dass ein archetypisch bedingter Schatten bewusster werden darf – entfalten die negativen Züge der eigenen Persönlichkeit meist erhebliche Dynamik und Wirksamkeit. Dies bricht sich nach Jung zum einen in entsprechenden (Alb-)Träumen des Betreffenden Bahn; es kann zu Angst- und Zwangsneurosen führen.

Die Projektion des Schattens nach außen ist auch Teil des psychiatrischen Krankheitsbildes der Paranoia sowie allgemein von Wahnvorstellungen.

--------------------------------------------------------------------------------------------

--------------------------------------------------------------------------------------------

https://de.wikipedia.org/wiki/Todestrieb

Der Titel Jenseits des Lustprinzips der 1920 verfassten Schrift, in der Freud seine Überlegungen zum Todestrieb ausführt, deutet Freuds Verständnis desselben an: Er strebt nach Zurückführung des Lebens in den anorganischen Zustand des Unbelebten, der Starre und des Todes. So begreift Freud auch den Wiederholungszwang als Äußerung des Todestriebs, überhaupt das Bestreben des Subjekts nach Erhaltung und Stillstand, wie es unter anderem im ritualisierten Handeln der Zwangsneurose zum Ausdruck kommt.

Im anthropologischen Konzept der Psychoanalyse handelt es sich beim Todestrieb um einen dem Lebenstrieb bzw. der Libido entgegengesetzten Trieb. Während der Eros nach Zusammenhalt und Vereinigung tendiere, strebe der Todestrieb nach Auflösung dieser Einheit, nach Verstreuung und Auflösung von Bindung. Im Normalfall gehen laut Freud Todes- und Lebenstrieb jedoch eine Vermischung ein, sofern etwa zu einer gesunden sexuellen Beziehung immer auch eine aggressive Beimischung gehöre, um den Partner zu „erobern“. Die Störung des Gleichgewichts der beiden Tendenzen führe zu psychischer Erkrankung.
...
Der Wunsch nach Vernichtung des Lebendigen kann sowohl auf das Subjekt selbst als auch auf andere Personen gerichtet sein. Im ersten Fall nimmt der Todestrieb die Form der Autoaggression oder der Regression an, idealtypisch als Wunsch nach einer Rückkehr in den Mutterleib, also einen pränatalen (vorgeburtlichen) Zustand.

--------------------------------------------------------------------------------------------

Man könnte des weiteren spekulieren, ob nicht nur viele psychische und vielleicht auch körperliche Krankheiten auf die Verdrängung des Schattens und des Todestriebes zurückzuführen sind, sondern vielleicht auch gewisse Gewalttaten und sonstige Exzesse der heutigen Zeit:

--------------------------------------------------------------------------------------------
Richtet sich der Todestrieb auf andere Menschen, äußert er sich in einem Destruktionstrieb, dem Wunsch zur Zerstörung und Verletzung Anderer, in abgeschwächter Form etwa in der sexuellen Spielart des Sadomasochismus.
--------------------------------------------------------------------------------------------
 
Werbung:
Was mir zu diesem Thema außerdem noch einfällt, ist der Kultfilm Fight Club aus dem Jahre 1999.

--------------------------------------------------------------------------------------------
https://de.wikipedia.org/wiki/Fight_Club_(Film)

Der namenlose Protagonist arbeitet für einen großen Autohersteller in einer amerikanischen Großstadt als Rückrufkoordinator und führt ein nach außen unauffälliges, an oberflächlichem Konsum orientiertes Leben. Er verabscheut seinen Beruf und leidet seit geraumer Zeit an Schlaflosigkeit. Um diese zu lindern, nimmt er an Selbsthilfegruppen für chronisch Kranke teil, indem er vorgibt, selbst unheilbar krank zu sein. Die Anteilnahme der Gruppenmitglieder lindert kurzzeitig die Schlaflosigkeit des Protagonisten, zumindest so lange, bis er dort Marla Singer kennenlernt. Sie ist wie er eine Simulantin, die ebenfalls ungerechtfertigt an Selbsthilfegruppen teilnimmt. Als er dies erkennt, fühlt er sich ertappt und unbehaglich und kann wieder nicht schlafen.
...
Sein Leben verändert sich radikal, als er auf einer Dienstreise im Flugzeug den dubiosen Seifenhändler Tyler Durden trifft. Nachdem die Eigentumswohnung des Protagonisten bei einer Explosion zerstört worden ist, wendet er sich spontan an Tyler und trifft sich mit ihm in einer Kneipe. Als der Protagonist erwähnt, dass er ein Hotel braucht, suggeriert ihm Tyler, er könne ihn fragen. Nach einigem Zureden bittet der Protagonist ihn um eine Schlafgelegenheit, wofür Tyler als Gegenleistung verlangt, geschlagen zu werden. Daraus resultiert eine sonderbar freundschaftliche Prügelei, bei der sich der Protagonist eigentümlich lebendig fühlt. Als Folge zieht er dauerhaft bei Tyler ein, der sich in einer verlassenen, völlig verwahrlosten Villa einquartiert hat.
...
Nach weiteren Kämpfen in der Öffentlichkeit schließen sich ihnen weitere Männer an, die ebenfalls den Nervenkitzel regelmäßiger Schlägereien suchen. Tyler und der Protagonist gründen daraufhin den Fight Club. Die Männer treffen sich regelmäßig zu Kampfabenden im Keller einer Bar.
...
Tyler gründet derweil ohne Wissen seines Mitbewohners das Projekt Chaos, wofür er Gleichgesinnte aus dem Fight Club rekrutiert und in seinem Haus unterbringt.
...
Nachdem der Protagonist vor Marla über Tyler geredet und damit Tylers einzige Regel zwischen den beiden gebrochen hat, taucht Tyler in einem Hotelzimmer des Protagonisten auf und offenbart ihm endgültig die Wahrheit über sich und ihn: Er hat eine dissoziative Identitätsstörung. Er selbst ist Tyler Durden, der als eigenständige Person nur in seiner Vorstellung existiert, eine souveräne und anarchistische Person, die all das ist und tut, was er nie sein oder tun konnte.

--------------------------------------------------------------------------------------------

Man kann den Film so interpretieren, dass es sich bei Tyler Durden um den verdrängten Schatten/Todestrieb des namenlosen Protagonisten handelt. Denn die zentrale Eigenschaft dieses Charakters ist der Hang zur Gewalt und zur Zerstörung. Außerdem ist er am Anfang des Films noch komplett unterdrückt, was sich so äußert:

--------------------------------------------------------------------------------------------
Tyler ist wenigstens vier Mal an verschiedenen Stellen nur für den Bruchteil einer Sekunde, in einem sogenannten Frame, zu sehen, bevor ihn der Protagonist überhaupt im Flugzeug „kennenlernt“...
--------------------------------------------------------------------------------------------

Nach und nach übernimmt der Schatten aber die Kontrolle und gründet zuerst den Fight Club und später das Projekt Chaos, um die Welt und die Gesellschaft in die Anarchie zu stürzen. Bezeichnenderweise wird das Projekt Chaos unter der Leitung des Schattens aber selber zu einer faschistoiden Organisation, in der die Untertanen des Schattens als Weltraumaffen bezeichnet werden und keinerlei Fragen mehr zu stellen haben. Die Opposition zu einer angeblich faschistischen Gesellschaft wird selber noch viel faschistischer als die Gesellschaft tatsächlich ist, und das führt das Projekt ad absurdum. Die Destruktivität des Schattens zeigt sich eben nicht nur in der Außenwelt sondern sie zerstört auch die Individuen, die ihm folgen.

--------------------------------------------------------------------------------------------
In einem Wolkenkratzer kommt es zum Endkampf zwischen dem Protagonisten und seinem anderen „Ich“ – wie zuvor verprügelt sich der Protagonist also faktisch selbst, wobei seine „Tyler“-Seite zunächst die Oberhand behält. Szenen des Kampfes aus der „neutralen“ Sicht von Überwachungskameras zeigen, dass Tyler und der Protagonist tatsächlich nur eine Person sind. Der Protagonist überzeugt Tyler, dass er sich – und damit beide Versionen seiner selbst – umbringen wird. Er schießt sich in den Mund, woraufhin man Tyler mit einem Loch im Hinterkopf zu Boden fallen sieht. Der Protagonist hingegen überlebt – er hat sich lediglich durch die Wange geschossen
--------------------------------------------------------------------------------------------

Und so endet der Film damit, dass der Protagonist seinen Schatten/Todestrieb mit brachialer Gewalt umbringt. Um dies aber überhaupt tun zu können, musste der verdrängte Schatten erst einmal realisiert und akzeptiert werden. Und vielleicht ist die Moral der Geschichte.

Eines der Schlüsselzitate von Tyler Durden ist folgendes:
--------------------------------------------------------------------------------------------
Wir sind die Zweitgeborenen der Geschichte, Leute. Männer ohne Zweck, ohne Ziel. Wir haben keinen großen Krieg, keine große Depression. Unser großer Krieg ist ein spiritueller, unsere große Depression ist unser Leben.
--------------------------------------------------------------------------------------------

Wir sind heutzutage letzten Endes hauptsächlich Konsumenten, und diese Tatsache ist vielleicht die entscheidende Eigenschaft dieser unserer Clown-Welt. Ein Konsument hat zu konsumieren und lustige Werbeclips zu schauen um noch mehr zu konsumieren, und hat sich ansonsten in belanglosen Smalltalk zu verwickeln und seinen Job zu machen um bloß niemals auf die Idee zu kommen, dass all dies die dunkle Seite der Seele immer weiter verdrängt, dass dieser Zucker nur eine wabernde, bluttriefende Wunde im Inneren überdecken soll. Und vielleicht ist dies der Grund für die Explosion der psychischen Krankheiten in den letzten Jahrzehnten. Und auf der gesellschaftlichen Ebene, im kollektiven Unbewussten, findet diese Verdrängung natürlich ebenfalls statt und man könnte darüber diskutieren, ob dies dann vielleicht alle paar Jahrzehnte irgendwo zu autoritären Systemen und zu Kriegen führt, wenn sich der Schatten und der Todestrieb wieder mal ausleben müssen.
 
Sowohl die Schatten als auch der Todestrieb sind in unserer Zeit des Wohlstandes nicht aktuell, es wird ausgeblendet damit dem sich gut fühlen, mit all dem Hab und Gut nichts im Wege steht und nichts beeinträchtigt. Dieses Verdrängen schlägt sich in der Seele die positiv und negativ verarbeiten kann oder müsste als Störung nieder und es entstehen psychische Krankheiten. So erzeugt materieller Wohlstand zunehmend seelische Konflikte.
 
--------------------------------------------------------------------------------------------
Wir sind die Zweitgeborenen der Geschichte, Leute. Männer ohne Zweck, ohne Ziel. Wir haben keinen großen Krieg, keine große Depression. Unser großer Krieg ist ein spiritueller, unsere große Depression ist unser Leben.
--------------------------------------------------------------------------------------------

Wir sind heutzutage letzten Endes hauptsächlich Konsumenten, und diese Tatsache ist vielleicht die entscheidende Eigenschaft dieser unserer Clown-Welt. Ein Konsument hat zu konsumieren und lustige Werbeclips zu schauen um noch mehr zu konsumieren, und hat sich ansonsten in belanglosen Smalltalk zu verwickeln und seinen Job zu machen um bloß niemals auf die Idee zu kommen, dass all dies die dunkle Seite der Seele immer weiter verdrängt, dass dieser Zucker nur eine wabernde, bluttriefende Wunde im Inneren überdecken soll. Und vielleicht ist dies der Grund für die Explosion der psychischen Krankheiten in den letzten Jahrzehnten. Und auf der gesellschaftlichen Ebene, im kollektiven Unbewussten, findet diese Verdrängung natürlich ebenfalls statt und man könnte darüber diskutieren, ob dies dann vielleicht alle paar Jahrzehnte irgendwo zu autoritären Systemen und zu Kriegen führt, wenn sich der Schatten und der Todestrieb wieder mal ausleben müssen.

Hallo Chris,
hier entsteht so ein wenig der Eindruck (und könnte wohl auch ein Aspekt deiner Sicht sein), dass es auf der einen Seite diejenigen gibt, die zu ihren Gewaltphantasien stehen und diese auch gelegentlich ausleben und auf der anderen Seite die braven Konsumenten die darunter leiden, ihre dunklen Seiten nicht ausleben zu können (dürfen).
Das würde bedeuten, dass da - Im Menschen - etwas ist, was man - in friedlichen, zivilisierten Zeiten - eigentlich nicht haben sollte und was dann offiziell auch nicht toleriert wird.
In den Zeiten, als es noch unentwegt Kriege gab und Söldner ein Beruf war, in dem man sich immer problemlos verdingen konnte, war das anders. Da hieß es: ˋIm Krieg kann ein junger Bursche zeigen, dass er ein Mann ist´. Ein Held war der, der die meisten ˋFeindeˋ erschlug oder erschoss. Da konnten die finstersten Figuren Im Blutrausch vermeintlichen Sinn und Anerkennung finden.
Ich glaube nicht, dass das Problem darin besteht, dass da etwas ist, was nicht ausgelebt werden kann.
Ich glaube vielmehr, dass da etwas nicht ist, dass da etwas fehlt.
Früher war das einfacher; die Menschen fingen schon im Kindesalter an zu arbeiten (mitzuarbeiten). Der Rest des Lebens war ähnlich trist; es wurde gearbeitet von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und dann viel man halbtot ins Bett (oder ins Stroh). Da war gar keine Zeit darüber nachzudenken, ob diesem Leben etwas fehlt.
Heute ist es Gott sei Dank anders, die Menschen haben viel Freizeit und spüren sehr wohl, dass etwas fehlt (wenn es denn fehlt). Das wird als Mangel, als Defizit, als Leere, als Enge empfunden und wird mit der Zeit unerträglich.
Es wird alles mögliche angestellt um dieses riesige "Loch" halbwegs zu füllen. Anschaffungen sollen Freude bereiten, Reisen sollen Abwechslung schaffen, Liebschaften sollen das Licht ins Lebben bringen, wahhalsige Unternehmungen sollen es richtig knistern lassen.
Und was ist das Ergebnis alldessen, es hilft alles nur eine kurze Zeit.
Es ist der rationale Charakter unser Epoche; unsere Lebensumstände sind (im Vergleich zu früher) denkbar günstig und dennoch fehlt vielen Menschen die Verbindung zum Glück.
Die Welt und das Leben werden über das Denken wahrgenommen und alle Zusammenhänge werden regelrecht erdacht.
Die Welt und das Leben wollen aber - fernab von Logik und Kalkül - erfühlt werden.
Dieses Leben als Glück oder als ´durchaus erträglich´ zu empfinden, habe ich nur eine Chance:
Ich muss dieses Leben (trotz aller Widrigkeiten) lieben lernen.
Ich muss mich lieben lernen.
Ich muss es lernen, anderen Menschen und der Natur liebevoll zu begenen.
Ich muss begreifen dass der Schlüssel zur inneren Fülle nicht der Kick, sondern nur die Liebe ist.

Noch etwas zur Eigenliebe (zur Liebe zu mir selbst).
Ich kann nur Liebe ausstrahlen, wenn ich voller Liebe bin.
Ich kann nur etwas geben oder verteilen, was ich auch habe.
Andere (nicht alle, aber viele schon) sehen mir an (spüren) mit welcher emotionalen Grundhaltung ich unterwegs bin; und wenn sich zwei Menschen begegnen, die nicht über die Liebe gelesen haben, sondern sie auch leben, wird es meistens schön.

Gruß * Helmfried

P.S.: Menschen, die viel Sex haben, sind nicht unbedingt Botschafter der Liebe.
 
Dem stimme ich uneingeschränkt zu, der Schlüssel für ein erfülltes Leben liegt in der Eigenliebe, in der Fähigkeit sich so anzunehmen wie man ist, auch mit krummer Nase oder dazuzulernen so, dass Veränderung möglich ist. Das Geheimnis jedoch liegt nicht allein in dem so tollen Gefühl Liebe, sondern auch in der Kehrseite derselben Medaille dem Hass. So wie viele Menschen früher nicht zum Grübeln kamen was fehlen könnte vor lauter Arbeit, um das Dasein zu retten, so ist es heute jedem freigestellt sich Herausforderungen zu suchen, die schwer zu überwinden sind um nicht über das Fehlende nach Grübeln zu müssen, um z.B. das Gefühl des Selbsthasses auszuhalten, damit umzugehen oder gar in Produktives zu wandeln, in Liebe. Nur in der 'heilen Welt' leben ödet an, da kann man den Naturkatastrophen dankbar sein, dass wenigstens diese Gewalten Herausforderung bescheren, dass das Leben in der Gegenwart kein Automatismus des Wohlstands ist. Wo viel Licht da auch viel Schatten aber, wenn man sich vom Licht blenden lässt bemerkt man die Schatten nicht. Einige Philosophen haben es angesprochen, dass der Mensch ständiges Wohlergehen nicht kann, er will den Todestrieb ausleben zu seinem Wohlergehen und wenn das in der Gesellschaft verpönt wird, gibt es seelische Störungen. Viele Menschen können das jedoch aus eigenem Bedürfnis und machen es richtig, auch die Reichen, die Milliardäre, sie suchen sich sportliche Herausforderungen und setzen ihr Dasein aufs Spiel.
 
Hallo Chris,
hier entsteht so ein wenig der Eindruck (und könnte wohl auch ein Aspekt deiner Sicht sein), dass es auf der einen Seite diejenigen gibt, die zu ihren Gewaltphantasien stehen und diese auch gelegentlich ausleben und auf der anderen Seite die braven Konsumenten die darunter leiden, ihre dunklen Seiten nicht ausleben zu können (dürfen).

Nun, hierzu sei ja zunächst einmal erwähnt, dass wir schon seit langem moderne Möglichkeiten haben, die dunklen Seiten auszuleben. Da wären zum einen entsprechende Filme, und ich meine jetzt nicht irgendwelche oberflächlichen Gewaltfilme, sondern Filme etwa von David Lynch und Stanley Kubrick, wo auch intellektuell fortgeschrittene Menschen die dunklen Seiten der Existenz genießen lernen können. Noch besser, je nach Charakter, sind entsprechende Videospiele, mit denen man interaktiv in die Abgründe einsteigen kann. Alles gut und recht, und auch faszinierend, nur: Wie lange werden sich wohl Generationen heranwachsender Männer damit abspeisen lassen? Wir sehen ja jetzt schon eine Verrohung im realen Leben, wie wir sie noch nie kannten. Mir scheint dies ein unlösbares Problem zu sein, eben weil der Todestrieb und der Schatten immer weiter arbeiten, immer mehr wollen.

Ich muss dieses Leben (trotz aller Widrigkeiten) lieben lernen.
Ich muss mich lieben lernen.
Ich muss es lernen, anderen Menschen und der Natur liebevoll zu begenen.
Ich muss begreifen dass der Schlüssel zur inneren Fülle nicht der Kick, sondern nur die Liebe ist.

Ich verstehe im Prinzip, was du meinst, aber ich selber bin ein so widersprüchlicher Charakter, ich weiß nicht, wie ich mich als ganzes lieben soll. Da ist zu vieles, was zu sehr ausartet - so scheint es zumindest. Vielleicht ist dies aber auch eine Illusion.

Einige Philosophen haben es angesprochen, dass der Mensch ständiges Wohlergehen nicht kann, er will den Todestrieb ausleben zu seinem Wohlergehen und wenn das in der Gesellschaft verpönt wird, gibt es seelische Störungen.

Es kann ja eigentlich in der Gesellschaft nur verpönt sein. Denn man muss ja wenigstens sein eigenes Leben aufs Spiel setzen, um den Todestrieb auszuleben, und daran kann keine Gesellschaft ein Interesse haben. In meinen Augen sind unter anderem deshalb die Hürden für eine Freitodbegleitung aka Sterbehilfe so hoch: Damit bloß niemand auf die Idee kommt, hier mal die Möglichkeiten auszuloten, und sei es auch nur, um zu testen, wie sehr er sich wirklich nach dem Tod sehnt. So gibt es zum Beispiel in den nordeuropäischen Ländern, wo die Gesetze lockerer sind, viele Psychiatriepatienten, die eine Freitodbegleitung beantragen und danach ins Leben zurückfinden, weil sie einmal die Möglichkeit real erfahren haben, dass sie ein Easy Exit haben können, wenn sie es wünschen.
 
Dem stimme ich uneingeschränkt zu, der Schlüssel für ein erfülltes Leben liegt in der Eigenliebe, in der Fähigkeit sich so anzunehmen wie man ist, auch mit krummer Nase oder dazuzulernen so, dass Veränderung möglich ist. Das Geheimnis jedoch liegt nicht allein in dem so tollen Gefühl Liebe, sondern auch in der Kehrseite derselben Medaille dem Hass. So wie viele Menschen früher nicht zum Grübeln kamen was fehlen könnte vor lauter Arbeit, um das Dasein zu retten, so ist es heute jedem freigestellt sich Herausforderungen zu suchen, die schwer zu überwinden sind um nicht über das Fehlende nach Grübeln zu müssen, um z.B. das Gefühl des Selbsthasses auszuhalten, damit umzugehen oder gar in Produktives zu wandeln, in Liebe. Nur in der 'heilen Welt' leben ödet an, da kann man den Naturkatastrophen dankbar sein, dass wenigstens diese Gewalten Herausforderung bescheren, dass das Leben in der Gegenwart kein Automatismus des Wohlstands ist. Wo viel Licht da auch viel Schatten aber, wenn man sich vom Licht blenden lässt bemerkt man die Schatten nicht. Einige Philosophen haben es angesprochen, dass der Mensch ständiges Wohlergehen nicht kann, er will den Todestrieb ausleben zu seinem Wohlergehen und wenn das in der Gesellschaft verpönt wird, gibt es seelische Störungen. Viele Menschen können das jedoch aus eigenem Bedürfnis und machen es richtig, auch die Reichen, die Milliardäre, sie suchen sich sportliche Herausforderungen und setzen ihr Dasein aufs Spiel.

Hallo ewaldt,
danke für Deine Gedanken.
ich sehe den Hass nicht als Kehrseite der Liebe. Richtig ist, dass mitunter der Eindruck entsteht, dass, wenn sich einst Liebende trennen, oftmals nur Hass übrigbleibt. Hass bleibt aber n.m.M. nicht übrig, er entsteht (als Leistung des Ego) weil der Charakter der Liebe nicht richtig verstanden wurde. Liebe kann nur in Freiheit existieren. So wie sie sich (in ihrer ganzen Schönheit) plötzlich ereignet, kann sie auch wieder verschwinden; das ist ihr Recht, weil es ihr Wesen ist.
Dass es den Menschen schwer fällt, mit diesem "launigen" Phänomen (Liebe) umzugehen, ist eine andere Sache und bedarf zumindest eines Buches, um diese Problematik abzuhandeln (nur gibt es derer schon viele). So ist in diesen Fällen nicht die (verlorene) Liebe der Auslöser des Hasses, sondern das Unvermögen, die Liebe in ihrem Wesen zu verstehen. Es gibt in diesen Dingen keinen Schhuldigen. Wenn ein Liebespartner geht, hat er das Recht gehen zu dürfen und ist deshalb kein Schwein, kein Verräter, kein charakterloses Subjekt oder ähnliches.

Aber das sind Gedanken, die die erotische Liebe zwischen zwei Menschen betreffen. Liebe als Lebensprinzip (Liebe zu allem, was ist) ist noch einmal etwas ganz anderes. Das ist keine Grundsatzentscheidung, die aus dem Denken kommt, das ist eine Haltung, die tief aus dem Inneren erwächst, die laufend neue Erfahrungen beschert und die eine Rückkehr in die Kleinlichkeit (in den Machtbereich des Ego) als unmöglich erscheinen lässt.
Wer Liebe lebt, ist nicht von der ˋheilen Welt´ angeödet, der kann sie durchaus genießen.
Was den Todestrieb betrifft, möchte ich kurz darauf eingehen. Freud war in vielen Dingen umstritten, in diesem Punkt besonders. Ich halte diese Theorie für schwachsinnig. Ich könnte mich allerdings mit J. Lacan ´s Auffassung anfreunden, der eine solche Neigung zwar nicht völlig in Abrede stellt, aber als eigenständigen Trieb ablehnt und bestenbfalls als denkbaren Aspekt in verschieden anderen Trieben für möglich hält.
Was deine Miliardäre betrifft, die den Kick suchen, möchte ich mal orakeln, dass Miliardäre auch nur Menschen sind und trotz allen Überflusses, die gleichen Defizite (Gefühle des Mangelos) spüren wie alle Menschen, die den Weg der liebevollen Verbundenheit noch nicht gefunden haben.
Ich grüße Dich * Helmfried
 
Nun, hierzu sei ja zunächst einmal erwähnt, dass wir schon seit langem moderne Möglichkeiten haben, die dunklen Seiten auszuleben. Da wären zum einen entsprechende Filme, und ich meine jetzt nicht irgendwelche oberflächlichen Gewaltfilme, sondern Filme etwa von David Lynch und Stanley Kubrick, wo auch intellektuell fortgeschrittene Menschen die dunklen Seiten der Existenz genießen lernen können. Noch besser, je nach Charakter, sind entsprechende Videospiele, mit denen man interaktiv in die Abgründe einsteigen kann. Alles gut und recht, und auch faszinierend, nur: Wie lange werden sich wohl Generationen heranwachsender Männer damit abspeisen lassen? Wir sehen ja jetzt schon eine Verrohung im realen Leben, wie wir sie noch nie kannten. Mir scheint dies ein unlösbares Problem zu sein, eben weil der Todestrieb und der Schatten immer weiter arbeiten, immer mehr wollen.



Ich verstehe im Prinzip, was du meinst, aber ich selber bin ein so widersprüchlicher Charakter, ich weiß nicht, wie ich mich als ganzes lieben soll. Da ist zu vieles, was zu sehr ausartet - so scheint es zumindest. Vielleicht ist dies aber auch eine Illusion.



Es kann ja eigentlich in der Gesellschaft nur verpönt sein. Denn man muss ja wenigstens sein eigenes Leben aufs Spiel setzen, um den Todestrieb auszuleben, und daran kann keine Gesellschaft ein Interesse haben. In meinen Augen sind unter anderem deshalb die Hürden für eine Freitodbegleitung aka Sterbehilfe so hoch: Damit bloß niemand auf die Idee kommt, hier mal die Möglichkeiten auszuloten, und sei es auch nur, um zu testen, wie sehr er sich wirklich nach dem Tod sehnt. So gibt es zum Beispiel in den nordeuropäischen Ländern, wo die Gesetze lockerer sind, viele Psychiatriepatienten, die eine Freitodbegleitung beantragen und danach ins Leben zurückfinden, weil sie einmal die Möglichkeit real erfahren haben, dass sie ein Easy Exit haben können, wenn sie es wünschen.

Lieber Chris,
ich wähle jetzt bewusst diese vertrauliche Anrede, weil ich dich sehr deutlich spüre.
Ich habe, als ich den Beitrag schrieb, auf den du dich beziehst, genau gewusst, dass er dir nicht gefällt (oder die gar nicht gefallen kann). Ich war, als ich jünger war, ähnlich zerrissen wie du und ich weiß in ungefähr, was in dir und wie es in dir arbeitet. Ich sehe deine hohe Aktivität hier uns es nicht schwer deine Suche zu verfolgen.
Ich erkenne mich da ziemlich genau wieder. Ich war auch lange auf der Suche nach dem Schlüssel oder zumindest einem Schlüsselerlebnis, dass mich in die Lage versetzt hätte, alles in mir (die vielen verstreuten Elemente und schwer zu kontrollierenden Energien) irgendwie zusammenzubringen. Unzählige Bücher (auch mit Ratgebercharakter) mussten da herhalten, viele Versuche in eine wirksame Meditation zu kommen, daneben viel Sport (gerne auch immer an der Risikogrenze) um ein Ventil zu haben und und und.
Was soll ich dir sagen, es hat alles nicht viel gebracht; also habe ich die offen gegbliebenen "Löcher" auch immer wieder mit Alkohol gefüllt.
Letzteres hilft zwar scheinbar ganz gut, die Problem kommen aber immer mit Anlauf zurück. Gott sei Dank, ging es nie soweit, dass ich hätte "trocken" werden müssen.
Eine therapeutische Hilfestellung wäre vermutlich ganz gut gewesen; abgesehen davon, dass ich auf eine solche Idee nie kam, hätte ich so etwas vermutlich auch sofort von mir gewiesen.
Heute weiß ich, warum ich es mir so schwer gemacht habe. Alles was ich versuchte, kam aus dem Kopf. Zwar bin ich von Gehirnleistungen immer wieder beeindruckt aber - aus eigenem Erleben - weiß ich nun auch, wo die Grenzen des Gehirns sind.
Das Ende der Zerrissenheit, das Ende der inneren Kämpfe und Kriege kommt nur durch eine segensreiche Errungenschaft und die heißt:
F R I E D E N.
Schauen wir doch mal kurz hin wo kein Frieden ist.
Politik : rechte Hohlköpfe, linksextreme Chaoten
Sport: fanatische Fanclubs, Hooligans
Religionen: Morde, Glaubenskriege
Das alles sind aber Schauplätze, die mit mir selbst nichts zu tun haben. Alle die in so einer Szene untertauchen, sind verlorene Seelen, die in ihrere Sehnsucht nach Sinn und Zugehörigkeit keinen eigene Wege erkennen können. Innere Leere macht nicht nur unglücklich, sie macht auch anfällig und leicht verführbar.
Den eigenen Unfrieden auf ander Bereiche (da draußen) zu projezieren ist eine gängige aber suboptimale Methode, um von sich selbst abzulenken.
Wie aber kann Frieden erreicht werden?
Wenn ich zurückblicke, hab ich wohl einige Dinge auf den Kopf gestellt.
Ich glaube wichtig ist erst einmal Überarbeitung (ggf. Zerstörung) des Selbstbildes.
So wird vielleicht aus einem harten aktiven Mann (das erdachte Bild)
ein einfühlsamer gelassener Mensch (die gefühlte Wirklichkeit)
Meine Einstellung heute: Ich bin in - erster Linie - ein seelisches Wesen.
das heißt: Leben und Sein bestehen gleichberechtigt nebeneinander und sind so oft wie möglich eins.
Ich erfühle viel mehr als ich erdenke und bin froh über eine schärfere Wahrnehmung und sehe mich näher an der Wirklichkeit.
Der Anfang liegt im Weicherwerden (mitgehen, wie das Gras im Wind). Widerstände aufgeben und mit der Natur eins sein.
Später gerne mehr.
ich grüße Dich * Helmfried
 
Hallo Helmfried,
ich habe das alles gelesen und ich weiß nicht wie Chris M Deinen Text auffasst aber ich bin begeister wie viel menschliche Wahrheit da drin steckt. Ich bin erst Mitte 50 aber gefühlt bin ich schon 90 und so weiß ich was persönlicher innerer Friede bedeutet nach vielen Jahren der unsteten Suche ohne Halt aber falscher Prägung. Nur hier wo es um die Schatten geht, ist es etwas anderes denn diesen Frieden kann man nur erreichen, wenn man seine Schatten bewusst wahrnimmt, dass sie vorhanden sind und in das Dasein einordnet. Das Verdrängen dieser Schatten des lieben Friedens willen würde letztendlich Unfrieden schaffen und so ist es wichtig, will man inneren Frieden haben die eigenen seelischen Abgründe zu kennen und benennen zu können. Darauf liegt das Augenmerk, auf das eigene potenzielle Böse sein. Denn nur, wenn das bewusst verarbeitet und akzeptiert ist, ist ein innerer Friede möglich, der nicht nur angesagt ist, sondern zu tiefst verspürt. Vermute, so etwas ist mit Schatten und Todessehnsucht gemeint und es stimmt, gesellschaftlich ist der Bereich so klein, kaum zu bemerken, dabei sind alle betroffen. Die Mentalität wir tun uns goldene Engel her und alles ist in Ordnung, ist nach wie vor verbreitet und Schatten ist Teufel, etwas Böses das muss ausgemerzt werden. Jedoch das geht nicht, solange man lebt, gibt es die Schatten, sie lassen sich nicht verhindern. Deshalb ist die Frage, wie lebt man mit Schatten, ohne den inneren Frieden zu verhindern. Durch Akzeptanz von sowohl als auch. Dazu ist jedoch nur ein seelisches Wesen in der Lage.
 
Werbung:
Hallo Helmfried,

Erst mal danke für deinen ausführlichen Kommentar, ich habe ihn drei mal gelesen, aber jetzt hätte ich doch ein paar Fragen dazu:

Ich sehe deine hohe Aktivität hier uns es nicht schwer deine Suche zu verfolgen.

Was genau meinst du damit? Ich bin mir nicht sicher, was du mit "Suche" meinst, also so allgemein, denn ich behandle ja verschiedene Themengebiete hier im Forum.

Ich erkenne mich da ziemlich genau wieder. Ich war auch lange auf der Suche nach dem Schlüssel oder zumindest einem Schlüsselerlebnis, dass mich in die Lage versetzt hätte, alles in mir (die vielen verstreuten Elemente und schwer zu kontrollierenden Energien) irgendwie zusammenzubringen. Unzählige Bücher (auch mit Ratgebercharakter) mussten da herhalten, viele Versuche in eine wirksame Meditation zu kommen, daneben viel Sport (gerne auch immer an der Risikogrenze) um ein Ventil zu haben und und und.
Was soll ich dir sagen, es hat alles nicht viel gebracht; also habe ich die offen gegbliebenen "Löcher" auch immer wieder mit Alkohol gefüllt.
Letzteres hilft zwar scheinbar ganz gut, die Problem kommen aber immer mit Anlauf zurück. Gott sei Dank, ging es nie soweit, dass ich hätte "trocken" werden müssen.
Eine therapeutische Hilfestellung wäre vermutlich ganz gut gewesen; abgesehen davon, dass ich auf eine solche Idee nie kam, hätte ich so etwas vermutlich auch sofort von mir gewiesen.

Also das mit der inneren Zerrissenheit und den inneren Widersprüchen stimmt auf jeden Fall. Ich habe auch gar kein Problem damit, das nach außen zu kehren, denn ich habe schon oft gelernt, dass es sehr hilft, etwas im Außen sichtbar zu machen, um es besser zu verstehen und zu verarbeiten.

Mein Alkohol und Nikotinkonsum ist sehr gleichbleibend, also es wird weder bedeutend mehr noch weniger seit vielen Jahren, aber wegzudenken ist es für mich nicht. Natürlich sind es Süchte, aber hey - da gibt es wesentlich schlimmere Abhängigkeiten. Ich bin sehr diszipliniert und halte das Maß.

Das mit der therapeutischen Hilfestellung, die du nie angenommen hast, liegt bei mir schon in der Vergangenheit. Es hatte keinerlei echten Erfolg. Ich bin mittlerweile Einzelkämpfer und kein Therapeut könnte mich so gut verstehen, wie ich mich mittlerweile verstehe. Mit gewissen Dingen habe ich mich abgefunden und an anderen arbeite ich konstant. Die Hauptarbeit ist für mich, mich überhaupt über Wasser zu halten. Soll heißen: Den Status Quo zu erhalten ist bereits ein massiver Erfolg. Ich kenne Leute, die zehn mal schlimmer dran sind als ich, aber das liegt zum Großteil daran, dass sie sich aufgegeben haben. Dieser Gedanke kommt mir nicht in den Sinn, und das liegt daran, dass ich metaphysisch denke. Würde ich materialistisch denken, hätte ich mir schon längst die Kugel gegeben. Wozu all der Kampf, wenn man auf Erden fast nur leidet und dann ist alles vorbei. Dann gäbe es keinen Grund weiterzumachen und solche Leute, die in dieser Lage sind und keinerlei metaphysische Hoffnung haben, sollten daher meiner Meinung nach einen vereinfachten Zugang zu humanen Formen des Ablebens bekommen. Aber ich schweife ab. Langer Rede kurzer Sinn: Derzeit ist vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt für eine therapeutische Behandlung für mich. In der Zukunft könnte das aber auch wieder anders aussehen.

Heute weiß ich, warum ich es mir so schwer gemacht habe. Alles was ich versuchte, kam aus dem Kopf. Zwar bin ich von Gehirnleistungen immer wieder beeindruckt aber - aus eigenem Erleben - weiß ich nun auch, wo die Grenzen des Gehirns sind.
Das Ende der Zerrissenheit, das Ende der inneren Kämpfe und Kriege kommt nur durch eine segensreiche Errungenschaft und die heißt:
F R I E D E N.
...
Wie aber kann Frieden erreicht werden?
Wenn ich zurückblicke, hab ich wohl einige Dinge auf den Kopf gestellt.
Ich glaube wichtig ist erst einmal Überarbeitung (ggf. Zerstörung) des Selbstbildes.
So wird vielleicht aus einem harten aktiven Mann (das erdachte Bild)
ein einfühlsamer gelassener Mensch (die gefühlte Wirklichkeit)
Meine Einstellung heute: Ich bin in - erster Linie - ein seelisches Wesen.
das heißt: Leben und Sein bestehen gleichberechtigt nebeneinander und sind so oft wie möglich eins.
Ich erfühle viel mehr als ich erdenke und bin froh über eine schärfere Wahrnehmung und sehe mich näher an der Wirklichkeit.
Der Anfang liegt im Weicherwerden (mitgehen, wie das Gras im Wind). Widerstände aufgeben und mit der Natur eins sein.

Also, dass ich ein geistiges/seelisches Wesen bin, habe ich für mich intuitiv und intellektuell erfasst. Diese Tatsache ist mir die klarste überhaupt, weil das einzige sichere Wissen das Cogito ergo sum oder das I am ist, und da ist erstmal nur Geist, nur Bewusstsein, da ist noch gar nichts materielles und schon gar nicht etwas so konkretes wie Ich bin ein Mensch auf dem Planeten Erde, da ist man noch weit davon entfernt, das sind sozusagen alles Glaubenssätze und Schlussfolgerungen, aber keine Tatsachen. Nichts außer dem Bewusstsein, ein geistiges Wesen zu sein, ist wirklich real.

ABER: Natürlich ist da trotzdem das irdische Leben mit all seinen Hindernissen, Schwierigkeiten und Einschränkungen. Im irdischen Leben fehlt mir bisher der Frieden komplett, weil ich beständig gegen etwas ankämpfe, was ich nicht in eine klare Form gießen kann, es ist etwas, was mich nicht zur Ruhe kommen lässt und mich immer weiter vorabpeitscht, vielleicht ist es gerade die Suche nach dem Frieden, den man aber auf diese Weise gar nicht finden kann. Nur was bringt mir diese Erkenntnis, solange ich sie nicht umsetzen kann?

Später gerne mehr.
ich grüße Dich * Helmfried

Gerne, denn:

Hallo Helmfried,
ich habe das alles gelesen und ich weiß nicht wie Chris M Deinen Text auffasst aber ich bin begeister wie viel menschliche Wahrheit da drin steckt.

Ich kann mich da nur anschließen. Dein Text ist in keiner Weise oberlehrerhaft oder aufdringlich, sondern man spürt ganz klar, dass du von einem Ort der Entspannung und des Friedens aus sprichst.
 
Zurück
Oben