Der Gutmensch, der Dummensch und der Unmensch (Glosse oder so).
Ein kleiner Vergleich, der fortgesetzt werden kann.
Der Gutmensch
Der Gutmensch spült seine Joghurtbecher aus,
bevor es sie in den Recyclingmüll wirft.
Damit verbraucht er möglicherweise mehr Energie als der Ignorant,
der sie in den unsortierten Müll wirft.
Er sammelt Kleidung für Bosnien und spendet an seriöse Organisationen.
Der Gutmensch geht zu Lichterketten gegen Ausländerhass.
Er liebt das türkische Ehepaar mit dem frischen Obst
und dem guten Lammfleisch. Er liebt aber nicht
die Kinder dieses Ehepaars, die mit tiefer gelegten BMWs
und wummernden Lautsprechern durch die Spielstrasse heizen.
Dem Gutmenschen ist das Privileg der Geburt in einem reichen Land
bewusst und er hat deshalb ein etwas schlechtes Gewissen.
Der Gutmensch liebt die Freiheit,
aber die sollte doch in vernünftigen Grenzen bleiben.
Er hasst Anarchie und zertrampelte Wiesen mit Coladosen.
Der Gutmensch sammelt Unterschriften für Bäume, Wale und Spielplätze.
Da er aber vielleicht Beamter ist oder werden möchte,
unterschreibt er keine Listen die politisch zu links sind.
Aber auch wenn er nichts mit Beamten im Sinn hat,
heißt er nichts Gut, was radikal sein könnte.
Ausgewogenheit steht auf seiner Fahne geschrieben.
Der Gutmensch fährt ein sparsames Auto,
fliegt aber doch gerne zweimal im Jahr in ferne Regionen,
um sich vom Sterben des Regenwaldes und dem Alkoholproblem
der Nordamerikanischen Indianer zu überzeugen.
Der Dummmensch
Der Dummmensch findet den Gutmenschen einfach nur komisch.
Der Dummmensch sortiert seinen Müll nur wenn das kontrolliert wird.
Er spendet selten etwas, höchstens um seinen Verein zu unterstützen
oder eine Mark für einen Wanderzirkus.
Dem Dummmenschen sind Ausländer gleichgültig
solange es nicht zu viele werden. Wann es zu viele sind,
macht er an seinem Umfeld und Fernsehberichten fest.
Der Dummmensch will nicht dass Ausländerwohnheime angesteckt werden,
hat aber in geringem Maß Verständnis dafür.
Der Dummmensch glaubt, ein Recht auf den Ort zu haben,
an dem er zufällig geboren wurde. Er ist Patriot.
Der Dummmensch fühlt sich frei, weil seine Gedanken oder Bedürfnisse
kaum an Grenzen stoßen. Er ist zufrieden.
Der Dummmensch hat aber eine unterschwellige Angst vor zuviel Freiheit,
da er ahnt, dass sie mit Unbequemlichkeiten einhergehen könnte.
Der Dummmensch unterschreibt nur ungern etwas.
Zum einen ist er grundsätzlich der Meinung, dass er nichts ausrichten kann,
zum anderen interessieren ihn Probleme, die mehr als 50 km weit weg sind,
nur sehr selten. Es sei denn, der ADAC sammelt Unterschriften
für „Freie Fahrt für freie Bürger“, hier ist er gerne bereit
als mündiger Bürger seine Meinung kundzutun.
Der Dummmensch fährt gerne einen Wagen, den er sich gerade eben leisten kann.
Dafür verzichtet er schon mal zwei Jahre auf seinen Urlaub
und macht es sich in „Balkonien“ so richtig schön.
Wenn er aber wegfährt, möchte es ans Meer,
das Wetter soll sonnig sein und die Speisen bekömmlich.
Der Dummmensch freut sich, wenn er andere Deutsche trifft
und schließt mit ihnen Freundschaften.
Der Unmensch
Der Unmensch durchschaut sie beide.
Sowohl den Gutmenschen, als auch den Dummmenschen
weiß er für seine Interessen zu nützen.
Er denkt weiter, wägt ab, ob es ihm mehr nützt,
Dinge zu verbrauchen oder zu schonen.
Die Zeiträume, in denen er plant,
beziehen seine Kinder mit ein, mehr aber auch nicht.
Der Unmensch lehnt Ausländerhass strikt ab. Er will eine saubere Lösung.
Schon das Wort Abschiebung gefällt ihm nicht, zu negativ.
Wann es zu viele Ausländer werden, bemisst er einzig an Kosten.
Wenn die Kosten zu hoch sind, müssen gesetzliche Regelungen geschaffen
werden.
Dem Unmenschen ist die Zufälligkeit der Geburt durchaus klar,
aber wenn er es gut getroffen hat, wird er seine Heimat verteidigen,
als wäre er ein Patriot.
Für den Unmenschen ist der Begriff der Freiheit nicht so eindeutig,
wie für Gutmenschen und Dummmenschen.
Er will eine differenzierte Freiheit, die seinen persönlichen Bedürfnissen,
wirtschaftlichen Notwendigkeiten und der Steuerung des Systems gerecht wird.
Der Unmensch unterschreibt höchstens einen Scheck
oder das Zeugnis seines Sohnes aus privaten Gründen.
Lächelnd beobachtet er die Gutmenschen an ihren langen Tischen
mit den Listen in den Fußgängerzonen.
Möglicherweise unterschreibt er noch ein Parteibuch,
den Beitritt zu einem Wirtschaftsverband oder einem Poloclub.
Urlaub ist für den Unmenschen kein Thema.
Solange er sich in seinem Aufstieg befindet, hat er keine Zeit.
Später reist er beruflich so viel, dass er froh ist,
entweder Zuhause oder in seiner Villa auf Mallorca zu sein.
Das Auto spielt allenfalls in seiner Aufstiegsphase eine Rolle,
als Entschädigung für ein hektisches, aber langweiliges Leben.
Fazit:
Nach jenem unseligen Essay von M. Brodt, in dem er den Begriff
der Gutmenschen prägte, ist dieser Begriff zu einem Synonym
für moralisierende Langweiler geworden, der er möglicherweise auch ist.
Nur, was sind die anderen?
Die schlimmste Folge nach dem „Sieg“ des Kapitalismus
über die kommunistischen Staaten ist, dass damit auch alle
Gedanken und Visionen, die über ein gefülltes Konto hinausgehen,
mit zerstört worden sind.
Es gibt keine moralischen Ideen mehr;
wenn jemand eine solche äußert,
ist er allenfalls skurril oder unrealistisch.
Gedanken die sich mit gesellschaftlichen Problemen befassen,
werden, bevor sie noch wachsen können,
auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft.
Ein guter Gedanke muss nützlich sein,
sonst wird er als lächerlich dargestellt.
Das Diktat der Nützlichkeit beherrscht das Denken der westlichen Welt.
Es lebe der „kapitalistische Realismus“*.
* Dieser Begriff wurde Mitte der 60er Jahre
von Polke, Richter, Lueg und anderen bildenden Künstlern geprägt.