Salem schrieb:
Warum kann man nicht durch bestimmte aber friedliche Demonstrationen seinen Unmut kundtun?
Weil alles instrumentalisiert wird, wie Miriam schrieb, wie ich im Beitrag 45 schrieb...
Und wie sehr instrumentalisiert wird, zeigen doch die jüngsten Berichte aus Beirut, wo man Bürgerkrieg befürchten musste, wofür einige Minister Libanons die Syren verantwortlich machen.
Geplant war eine friedliche Kundgebung, die anfangs auch friedlich verlief, bis eine gewaltige (selbständige) Masse gewaltbereiten Demonstranten einen Vorstoss über die damalige Bürgerkrieg-Frontlinie unternahm und alles stürmte, was ihr in die Quere kam. Geschäftshäuser, Läden, Restaurants, Privat-PW..., alles was die dort lebende maronitische Gesellschaft zu bieten hatte. Die Bewohner haben sich ruhig und sehr zurückhaltend verhalten und somit vermutlich, wenn nicht einen Bürgerkrieg, so mit Sicherheit ein fürchterliches Blutbad verhindert. Die Liste der Verletzten, Festgenommenen und die Liste der Schäden ist auch so schon genügend lang und schlimm genug.
Ob Libanon jetzt bei der UNO eine Klage gegen Syrien einreicht, ist nicht sicher, aber sicher scheint, das von den fast 200 Verhafteten nur ein Viertel Libanesen sind. Fast zwei Viertel sind Syrer und fast ein Viertel Palästinenser, wobei die Letzteren mehrheitlich einer prosyrischen Extremisten-Gruppe angehören sollen. Ist das deutlich genug?
Und in allen den Ländern, wo jetzt "gegen die Karikaturen gekämpft" wird, ist die Lage so labil oder die Führer (meist religiösen) um ihre Macht fürchten müssen (Armut der Bevölkerung, Unfreiheit, keine Besserung trotz Versprechungen vor den Wahlen usw.), also bleibt ihnen doch keine Wahl, als die Wut der Bevölkerung in falsche Kanäle zu lenken, um abzulenken. Die Karikaturen und die Weigerung Rasmussens, die Botschafter zu empfangen, waren doch ein willkommenes Instrument, das "wir" ihnen in die Hände legten.
Journalisten vor Ort berichten aus vielen Ländern, dass die Demonstranten zum grossen Teil nicht mal wissen, was und wie geschah, wogegen genau sie da demonstrieren und randalieren, sie folgen nur... ihr Frust konnte wieder einmal mehr erfolgreich in Wut gegen uns verwandelt werden.*) Ihre Führer konnten ihnen plausibel machen, dass WIR ihnen ihren Glauben nehmen wollen, vielleicht das Letzte, das sie haben. Für die Meisten von uns ist es ja nicht nachvollziehbar, denn wir kommen ja nicht mit den Worten eines Propheten schon zur Welt und sterben auch nicht mit diesen Worten, geschweige denn von dem "Dazwischen".
Auch die gebildeten, modernen Muslime, die bereit sind, kritisch zu diskutieren, sind mehrheitlich gläubig und zweifeln jetzt die Meinungsfreiheit an, die es erlaubt, ihre Gefühle zu verletzen.
Laizismus widerspricht dem Islam, so wie er einmal dem christlichen Glauben widersprach, also können wir hier kaum etwas erzwingen (ausser natürlich hier, durch unsere Gesetze), ausser sie laufen den ganzen Prozess der Befreiung selbst durch. M.m.n. haben genau davor die Führer Angst, dieser Prozess könnte einsetzen.
Und doch gibt es Religionsgelehrte, die ausdrücklich und scharf fordern, die Wut sinnvoll zu kanalisieren. Ein Beispiel: der Scheich al-Karadawi, der via al-Jazira Gewalt verurteilt und zum Boykott der Länder, die die Karikaturen veröffentlichten, aufruft. Die Anhänger der dänischen rechtspopulistischen Volkspartei, die (angeblich) einen grossflächigen SMS-Aufruf starteten, um zum Boykott gegen alle muslimischen Händler aufzufordern, machen dasselbe.
Zensur ist keine Lösung, aber die Augen davor zu verschliessen, dass der Grossteil der "Schuld" bei der dänischen Regierung hängen bleibt, hilft eben auch nichts. Während auch Jordanien oder Süd-Irak Boykott verlangt, wird in anderen Ländern schon scharf geschossen und es werden Tote beklagt. Dieses war aber kalkulierbar, und deshalb sind die Karikaturen ganz einfach nicht mit Meinungsfreiheit zu entschuldigen.
*) Die Wut ist durchaus mit derjenigen der französischen Jugendlichen vergleichbar, die sich ebenfalls wahllos gegen alles, was dem Frust im Weg stand, richtete.
@Gysi+@Claus:
Mir ist ebenfalls weder die Bibel noch der Koran heilig und ebenfalls weiss ich, dass sich über Geschmack nicht streiten lässt. Aber die Beispiele mit einer schönen/hässlichen Frau oder dem Sterngucker taugen in diesem Fall in meinen Augen überhaupt nichts.
Claus, belächelt dich jemand, oder feindet dich sogar wegen deiner Leidenschaft an, wirst du vermutlich je nach "IQ" des Betroffenen angemessen reagieren, aber es bleibt so oder so deine und seine Privatsache.
Dasselbe geschieht mit dem Ausgelachten im Gysis Beispiel. Schönheit liegt ja bekanntlich ohnehin im Auge des Betrachters, aber auch hier wird es bei einer privaten "Streiterei" oder Hänselei bleiben.
Ihr werdet mir ja sicher zustimmen, dass man es kaum vergleichen kann, wenn über 1 Milliarde Menschen öffentlich beleidigt wird (auch wenn es dem Grossteil von ihnen erst im Nachhinein suggeriert wurde, sie sind es jetzt!).
Wie wir drei es sehen und ob wir darüber lachen können oder nicht, steht nicht zur Debatte und ist vollkommen unerheblich. Die Muslime können darüber nicht lachen, weil dabei ihre "Wahrheit" und Spiritualität verletzt wurde und dafür muss "man" sich m.M.n. entschuldigen.