AW: ... eine kleine "Wissenschaftskritik"
@Zwetsche
Da hast Du wohl Recht - auch wenn sich Deine Bemerkung wohl in erster Linie auf oben genannten Beitrag bezieht. Es bringt wirklich nichts in "Abstraktheit" zu schwelgen, Erkenntnis- und Glaubensfragen zu diskutieren (wenn's auch dazu gehört und ich gerne dazu neige mich darin zu "verlieren"), wenn es nicht auch etwas mit dem "schnöden Alltagsleben" zu tun hat!
Ich hoffe, jetzt, dass mir die anderen Forumsteilnehmer es Nachsehen werden, wenn ich noch offene Fragen vorerst mal noch offen lasse.
... aber vielleicht ergibt sich ja in der weiteren (hoffentlich) konkreten Diskussion noch die eine oder andere Gelegenheit darauf einzugehen.
Fasse jetzt einmal meine zentrale These zusammen
(wenn auch weiter strittig):
DEUS CARITAS EST
DEUS DIGNITAS EST
Beide ersten Offenbarungsgrößen sind für den Menschen, der sich dem christlichem Glauben verbunden fühlt zu bedenken. Nur so können wir Gottes Willen in unserem Leben voll zur Entfaltung bringen.
Etwas konkreter:
Suchet zuerst die Würde des Menschen zu schützen und zu achten und alles andere,
was ihr zu einem Leben in Fülle braucht, wird euch hinzu gegeben werden! (vgl. dazu Mt 6,33)
Nun davon, ein ganz konkretes Beispiel abgeleitet:
In unserem Land werden eindeutig Familien benachteiligt! Viele leben sogar auf Kosten der Familien. Die bisherige Familienpolitik ist bisher mehr als unzureichend - und mit Geld allein ist das ganze komplexe Problem der "Gerechtigkeit" und "Solidarität" erst recht nicht zu lösen.
Wenn wir DEUS DIGNITAS EST ernst nehmen, und dies in Zusammenhang mit dem eben angeführten neuen Selbstverständnis von Staat bringen, dann wäre es jedenfalls für Christen ein unbedingtes Muss, ein "Familienwahlrecht" in einem solchen modernen Staat einzuführen.
Warum?
Die Würde eines jeden Menschen ist allerspätestens nach seiner Geburt (den vorgeburtlichen Bereich möchte ich jetzt der Einfachheit halber bewußt außen vor lassen - sollte seiner komplexen Thematik wegen extra betrachtet werden) uneingeschränkt wahrzunehmen, was sich ja dann auch in den zugesprochen Grundrechten zeigt, für deren Wahrnehmung sich in erster Linie die Eltern verantwortlich zeigen müssen. Aber warum wird ein Neugeborenes, werden Kinder und Jugendliche vom Wahlrecht ausgeschlossen? Sie sind durch ihre "Würde" vollständiges Mitglied dieser Volksgemeinschaft.
So heißt es im Artikel 20,2 GG
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durchbesondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."
Warum werden also nur Bürger ab einem bestimmten Alter zum Volk gezählt, wenn es um das Wahlrecht geht. Die Geschichte erzählt viel von der grundlegenden Problematik: Wahlrecht für alle Männer, Frauenwahlrecht, ...
Wenn nun auch das Wahlrecht unmittelbar an die Würde des Menschen des Menschen gebunden wird und wir uns nicht weiterhin mit anderen vordergründigen Begründungen abfinden, dann würde sich in der Politik ganz schnell - und zwar von heute auf morgen etwas von Grund auf ändern. Aber das wäre nur der Anfang von einer grundsätzlichen Weiterentwicklung der Demokratie!
Damit wollte ich ein Beispiel nennen, wie die "Würde des Menschen" für Christen als DEUS DIGNITAS EST durchzubuchstabieren ist. Und plötzlich verstehen wir das Wort Gottes wieder etwas besser und sind erstaunt über die Weisheit und Gerechtigkeit Gottes. Denn es heißt schon im Psalm 8:
"Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob, / deinen Gegnern zum Trotz; deine Feinde und Widersacher müssen verstummen." (Ps 8,3)
Aber bevor dies alles überhaupt in Angriff genommen werden kann, sollten wir ernsthaft lernen über meinen Aufruf, den ich im Glaubenssatz DEUS DIGNITAS EST (etwas provokant) kundtue, zu sprechen.
Denn ich kann nur wiederholen:
Wenn wir nur annähernd soviel
über die Würde des Menschen reden würden
wie wir über das Geld reden
und wenn wir unsere Würde besingen würden
wie wir die Liebe besingen,
dann würde diese Welt wahrlich eine ganz andere sein!
Und ich möchte im Gespräch mit euch gemeinsam nach Anregungen suchen - vorausgesetzt ihr könnt das etwas nachvollziehen, was mir am Herzen liegt - wie am besten so ein Gespräch über die Würde des Menschen sich entwicklen könnte und zwar nicht nur von Standpunkt meines christlichen Glaubens aus gesehen - nur in einem breiten Konsens von verschiedenen Standpunkten aus, kann so ein fruchtbarer Dialog über die Würde des Menschen schließlich auch in einer breiten Öffentlichkeit Einzug halten.
Aber vielleicht ist so ein Forum wirklich der falsche Ort darfür, überhaupt darüber ins Gespräch zu kommen. Ich weiß es nicht?
Gruß Franz
Hallo Eisi,
erstmal vielen Dank, daß Du dir die ganze Mühe gemacht hast.
Dein praktisches Beispiel halte ich denn auch gar nicht einmal so schlecht. Wenn ich dich richtig verstehe, möchtest Du die Kinder, Babys, Föten mit Blick auf die Würde mit in den Legislativprozeß einbinden. Dies wäre natürlich nur mittelbar möglich (ein Embryo kann ja schlecht den Wahlzettel ausfüllen) so daß doch die Eltern stellvertretend diese Macht ausüben müßten. Da wird´s allerdings auch schon schwierig, denn unser Wahlrecht knüpft ja an die
Unmittelbarkeit des Wählenden an. Richtig ist aber, daß sich die Frage stellt, ob es eigentlich legitim ist, die Kinder einfach außen vor zu lassen. Aber der Gesetzgeber hat sich nun einmal dagegen entschieden, sagen wir mal eine Art Familienwahlrecht und somit stellvertretendes Wahlrecht einzuführen.
Code:
Von der Glaubensaussage DEUS DIGNITAS EST leite ich ab, dass auch der Artikel 1,1 GG der Bundesrepublik Deutschland zur Heilsgeschichte Gottes gehört und so für Christen als Gottes Wort wahrgenommen und gehört werden muss:
Finde ich natürlich als Demokrat toll, daß Du Art.1 GG sogar in den Rang eines Gotteswortes erhebst.
Code:
"Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Denn mit diesem vorstaatlichen Artikel 1,1 GG findet auch das Wort von Paulus endlich in der Menschheitsgeschichte seine Erfüllung und wird so unserem christlichen Glauben nach zur ersten universalen Wahrheit der Menschheit. Denn mit der Grundlegung des Schutzes der Würde des Menschen im Artikel 1,1 GG wird das folgende Bibelwort (das bisher wohl am meisten falsch verstandene und sehr oft auf unvorstellbare Weise mißbrauchte Wort Gottes) als Wahrheit bestätigt:
[B]“Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen.” (Röm 13,1-2)[/B]
Wobei ich Dir hingegen nicht ganz folgen kann. Auch wenn ich es beeindruckend finde, wie Du da den Zusammenhang herstellst, ist dieser doch eher zufälliger Natur. Nicht Paulus, sondern die Gründerväter der Bundesrepublik haben doch den Passus eingeführt. Du hast glaube ich selbst darauf hingewiesen, daß die Barbarei unter Hitler der Auslöser dafür war.
Das mit dem schuldigen Gehorsam ist so eine Sache. Ich kann ehrlich gesagt den Begriff
Gehorsam nicht recht leiden, bevorzuge den Begriff Gewissen (Vielleicht meint Paulus das ja mit "schuldigen"). Da ich mich mit Römerbriefen leider nicht auskenne, ziehe ich mal Art.20 IV GG heran. dort ist das Widerstandsrecht normiert gegen jeden, der es unternimmt, die demokratische und sozialstaatliche Ordnung zu beseitigen.
Das könnte auch eine Regierung sein, wie wir Deutschen (und andere mit uns)schmerzhaft lernen mußten. Und ob es staatliche Gewalt gibt, die
nicht von Gott ausgeht!
Eigentlich gibt es sogar
nur staatliche Gewalt, die nicht von Gott ausgeht, gab es nur zu allen Zeiten.
Gerade als Protestant ist mir etwas unwohl, wie seinerzeit von vielen vorgeblichen Lutheranern mit dem "Gehorsam" während der Nazi-Zeit umgegangen wurde. Eine Verbindung zwischen Protestantismus und "preußischem" Obrigkeitsdenken bis hin in - sehr sehr vorsichtig ausgedrückt - allzu gefügiges Verhalten unter Hitler läßt sich leider nicht verneinen. Es mag den einen oder anderen verwundern, daß das jetzt ausgerechnet von mir kommt, aber wenn es überhaupt so etwas wie Gehorsam geben darf, dann nur gegenüber Gott selbst. Oder eben dem Gewissen gegenüber.
Und das ist mir deshalb so wichtig festzustellen, weil die Verbindung zwischen Gott und der Verwirklichung von Menschenwürde nicht automatisch funktioniert, auch nicht logisch ist.
Niemand - nicht einmal Gott selbst - kann die Würde des Menschen garantieren
es sei denn
jeder Einzelne unterzieht sich immer wieder der an ihn ganz persönlich gestellten Frage, ob er dem Postulat nachkommt.
Für den einen mag Gott die dafür erforderliche Triebfeder sein, für andere reicht der Humanismus für wieder andere die blanke Vernunft. Welche Triebfeder dahintersteckt, spielt dabei eine völlig untergeordnete Rolle. Wenn also Gott für Dich diese Triebfeder darstellt, soll mir das recht sein.
Viele Grüße
Zwetsche